# taz.de -- Talkshowgast Alice Weidel: Rhetorisches Rollkommando
       
       > Mit Rechten reden? Gar nicht so einfach – drei Erkenntnisse, die der
       > Auftritt der AfD-Kanzlerinnenkandidatin bei Caren Miosga nahelegt.
       
 (IMG) Bild: In der Regel beherrscht Weidel ihre Mimik bis zum Maskenhaften – hier bei Caren Miosga
       
       Berlin taz | Gäste, die man eingeladen hat, lässt man ausreden. Dies ist
       eine allgemein anerkannte, nützliche Konvention. Im diskursiven Kunstraum
       von Polit-Talkshows wird diese Tugend allerdings fragwürdig, wenn
       AfD-PolitikerInnen eingeladen sind. Denn die ignorieren das Rede-Regelwerk.
       Sie verhalten sich in öffentlich-rechtlichen Talkshows so, als wären sie im
       Feindesland unterwegs, in dem es gilt, möglichst viele gegnerische
       Stellungen zu sprengen.
       
       Alice Weidel, Kanzlerkandidatin der AfD, redete bei [1][„Caren Miosga“] am
       Sonntagabend also einfach immer weiter und ranzte rüde die Gastgeberin an
       („Das verstehen Sie nicht“). Miosga wirkt angesichts dieses ebenso
       gepanzerten wie erwartbaren Auftritts mitunter ratlos. Sie kam gegen
       Weidels Lautstärke schlicht nicht an. Weidel garnierte ihr rhetorisches
       Rollkommando mit dem originellen Vorwurf, sie dürfe nie ausreden.
       
       Die endlose Debatte, wie man AfD-PolitikerInnen in Talkshows und Interviews
       begegnet, ist um eine Erkenntnis reicher: Wer sich wie Miosga an die
       üblichen diskursiven Regeln hält, wirkt angesichts des dröhnenden
       Propaganda-Feuerwerks schnell überfordert und überrumpelt.
       
       Jenseits dieses misslichen Eindrucks diente die Sendung durchaus der
       Aufklärung. Miosga bohrte beim Verhältnis der AfD zur Nazi-Vergangenheit
       beharrlich nach – bis die AfD-Chefin gereizt erklärte, dass „diese ganze
       Holocaust-Anheftung nervtötend“ sei. In der Regel beherrscht Weidel ihre
       Mimik bis zum Maskenhaften. Konfrontiert mit dem rechtsextremen Begriff
       „Schuld-Kult“, den sie auch mal benutzt hatte, gerieten die vereisten
       Gesichtszüge der AfD-Chefin leicht in Bewegung.
       
       ## Affektgesteuertes Abrissprogramm
       
       Weidel sei, so noch immer das Bild in manchen Medien, das bürgerliche,
       halbwegs akzeptable Antlitz der Rechtsextremen. Die AfD-Chefin sei keine
       völkische Ideologin, sondern eine Neoliberale, die wirtschaftspolitisch
       anschlussfähig an den Mainstream sein könnte. Wenn der Moment gekommen ist,
       der AfD den Weg in die Mitte und zur Macht zu leuchten, dann werde Weidel
       die Fackel tragen, glauben manche.
       
       Der zweite Erkenntniswert am Sonntagabend war: Das ist eher ein Irrtum.
       Weidel ist eine ideologisch ausgehärtete Mixtur von [2][Javier Mileis
       Kettensägen-Rabulistik] und Ultranationalismus. Es war klug, Hildegard
       Müller, Lobbyistin der Automobilindustrie, einzuladen. Sanft im Ton, hart
       in der Sache, machte sie deutlich, was AfD-Wirtschaftspolitik bedeuten
       würde: Sie ist ein von Affekten gesteuertes Abrissprogramm, das Pleiten und
       Arbeitslosigkeit hinterlassen würde. Windparks niederreißen, Austritt aus
       dem Euro, Rückkehr zur Atomkraft, Verbrenner statt E-Autos bauen – all das
       wäre ökonomisch fatal.
       
       Weidel drehte angesichts von Müllers mittlerer Vernünftigkeit vor allem
       ihre Lautstärke hoch – und wirkte zusehends überdreht. Der Euro, so Weidels
       Ansage, werde bald zusammenbrechen. Das „versteht nicht jeder“, erklärte
       Weidel. Nur Erleuchtete wie sie begreifen, dass der quasi naturgesetzliche
       Euro-Crash unaufhaltsam vor der Tür steht. Es ist erstaunlich, dass viele
       diese Mischung von biestiger Arroganz und Neigung zu wohligem
       Katastrophismus für attraktiv halten.
       
       Wenn nicht originell, so doch klug war es, den Welt-Journalisten Robin
       Alexander einzuladen. Der sagte nicht viel, aber das Richtige. Er wies
       knapp auf den inneren Widerspruch der AfD hin, die sich gleichermaßen an
       Trump wie an Putin anschmiegen will, die USA und Russland seien aber
       geopolitische Gegner. Dass die AfD-Chefin Deutschland für einen
       „Sklavenstaat der USA“ hält, dürfte die Sympathien rechtskonservativer
       WählerInnen für die AfD auch nicht in die Höhe jagen.
       
       Die dritte Erkenntnis: [3][Weidels Rhetorik], die AfD-typische Mixtur aus
       Beleidigtsein und Aggression, funktioniert gegen Miosga, die die
       verachteten Öffentlich-Rechtlichen verkörpert. Die Frage „Darf man das?“
       prallt am gefestigten AfD-Wutbürgertum ab. Hektisch hingegen wirkte Weidel,
       wenn sie sich nicht gegen einen klaren Gegner in Stellung bringen kann,
       sondern sagen muss, was sie will. Denn dann wird deutlich, dass die AfD
       nicht ist, was sie vorgibt zu sein: Anwältin deutscher Interessen.
       
       3 Feb 2025
       
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