# taz.de -- Streit bei Konservativen: Seltenes Chaos regiert Japans Politik
       
       > Sanae Takaichi schien gesetzt als Japans erste Premierministerin. Nun
       > kündigt der Juniorpartner die Koalition mit der langjährig regierenden
       > LDP auf.
       
 (IMG) Bild: Sanae Takaichi steht auch wegen ihrer rechtskonservativen Einstellungen zu Verteidigungs- und Frauenfragen in der Kritik
       
       Tokio taz | Nur eine Woche nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden der regierenden
       Liberaldemokratischen Partei (LDP) hat Sanae Takaichi einen herben
       Rückschlag auf ihrem Weg erlitten, [1][Japans erste Premierministerin] zu
       werden. Ihr kleiner Koalitionspartner Komeito kündigte der LDP wegen eines
       Disputs um Parteispenden die Freundschaft und beendete das 26 Jahre alte
       Bündnis.
       
       Damit kann die 64-jährige Konservative nur Regierungschefin werden, wenn
       die Opposition keinen gemeinsamen Gegenkandidaten aufstellt. Der Politologe
       Hiroshi Shiratori von der Hosei-Universität sprach gegenüber der
       japanischen Nachrichtenagentur Kyodo von einer „völlig neuen und ungewissen
       Situation für Japans Demokratie“.
       
       Das Ende der [2][Allianz zwischen LDP und Komeito], die Takaichi als „die
       Grundlage der Grundlagen“ bezeichnete, stellt die Machtverhältnisse im
       Parlament auf den Kopf, weil keine einzelne Partei und keine bisherige
       Allianz an eine Mehrheit heranreicht. Die LDP bleibt zwar die größte Partei
       in beiden Kammern, aber ohne die Stimmen der Komeito nützt ihr das wenig.
       Der frühere LDP-Generalsekretär Nobuteru Ishihara schätzte die Wahlchancen
       für Takaichi trotzdem auf 80 Prozent, das sei jedoch „eine optimistische
       Prognose.
       
       Der Chef der kleinen Demokratischen Volkspartei (DPFP), Yuichiro Tamaki,
       erklärte als erster Oppositionspolitiker seine Bereitschaft zu einer
       Gegenkandidatur. Jedoch müsste sich die größte Oppositionsgruppe, die
       Konstitutionell-Demokratische Partei (CDP), dem Programm der DPFP annähern.
       Ein Streitpunkt ist der Bau neuer Atomkraftwerke.
       
       ## Möglicher Gegenkandidat der Opposition
       
       „Es ist eine große Chance für das Oppositionslager, wenn die LDP so
       verwundbar erscheint“, sagte Hitoshi Komiya von der
       Aoyama-Gakuin-Universität gegenüber Kyodo. „Die LDP muss Kompromisse
       eingehen oder eine Übergangsregierung bilden, um die Stabilität
       wiederherzustellen“, so Komiya.
       
       CDP-Chef Yoshiko Noda signalisierte am Sonntag die Bereitschaft zu
       Zugeständnissen. Er gehe „mit einer gewissen Flexibilität in die Gespräche“
       mit der DPFP. Noda und Tamaki gehörten in der Vergangenheit derselben,
       inzwischen aufgelösten Partei an. Auch Takaichi wollte Tamaki als Partner
       gewinnen. Aber inzwischen sprach er sich gegen eine Koalition mit der LDP
       aus.
       
       Komeito-Chef Tetsuo Saito begründete den Koalitionsbruch unmittelbar nach
       einem Treffen mit Takaichi damit, dass die LDP die Affären um „Politik und
       Geld“ nicht ernsthaft aufarbeite und die Regeln für die
       Parteienfinanzierung nicht verschärfen wollte. Takaichi will einen
       Schlussstrich unter den Skandal um schwarze Abgeordnetenkassen ziehen. Nach
       ihrer Wahl zur LDP-Chefin berief sie Koichi Hagiuda, der wegen des Skandals
       ein Jahr von allen LDP-Posten suspendiert war, als kommissarischen
       Generalsekretär.
       
       Als „saubere“ Partei könne man solche „schmutzigen“ LDP-Politiker aber
       nicht unterstützen, hieß es aus der Komeito. Auch die
       [3][rechtskonservativen Einstellungen] von Takaichi zu Verteidigungs- und
       Frauenfragen spielten eine Rolle bei dem Ausstiegsbeschluss. Die Komeito
       grummelte schon länger über die Machtallüren der LDP. Der führende
       LDP-Politiker Taro Aso hatte die Komeito öffentlich mit einem
       „Krebsgeschwür“ verglichen.
       
       Auf der Plattform X machte zwar der Hashtag „vorgezogene Neuwahlen“ die
       Runde. Aber in diesem Fall droht die LDP nach einer Schätzung der Zeitung
       Nikkei jeden fünften Abgeordneten zu verlieren. Die buddhistische
       Laienorganisation Soka Gakkai, die hinter der Komei-Partei steht, forderte
       nämlich bisher ihre Mitglieder in vielen städtischen Direktwahlkreisen auf,
       für den LDP-Kandidaten zu stimmen. Dort stellte die Komeito dann keinen
       eigenen Kandidaten auf. Diese Verabredung mit der LDP für Wahlkämpfe ist
       nun ebenfalls beendet.
       
       12 Oct 2025
       
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