# taz.de -- Serbien und Nordmazedonien: Das Dach stürzt ein, die Disco brennt: Korruption tötet
       
       > In Serbien und Nordmazedonien gehen die Menschen gegen Korruption auf die
       > Straße. Das liefert endlich Aussichten auf eine lebenswerte Zukunft.
       
 (IMG) Bild: Demonstration in Kočani in Nordmazedonien am 18. März nach dem Brand in einer Disco
       
       Seit Donnerstag ist kalendarischer Frühlingsbeginn, auch in Südosteuropa.
       Doch dort demonstrieren nicht nur Vögel und Pflanzen ihre Superpower. In
       Serbien hatte vergangenes Wochenende der durch ein eingestürztes
       Bahnhofsdach ausgelöste Protest seinen Höhepunkt: [1][Hunderttausende
       belagerten] die Hauptstadt, um gegen Korruption und mangelnde
       Rechtsstaatlichkeit zu demonstrieren.
       
       Nur wenige Stunden nach der größten Demo in der Geschichte des Landes
       passierte etwas weiter südlich etwas ganz Ähnliches. In der Stadt Kočani in
       Nordmazedonien [2][brannte Samstagnacht eine Disco], 59 Menschen starben,
       die meisten zwischen 15 und 24. Im ganzen Land gingen Tausende unter dem
       Motto „Wer ist der Nächste?“ auf die Straße und klagten die Politik an, für
       die Katastrophe verantwortlich zu sein.
       
       Die Regierung gestand sofort, dass die Lizenz des Clubs ungültig gewesen
       und durch „Bestechung“ erteilt worden sei. Da hatte sie den meisten
       natürlich nichts Neues erzählt: [3][Laut Guardian] hatte der ehemalige
       Bürgermeister Kočanis dem Club die Lizenz verweigert. Inzwischen wurden 15
       Leute festgenommen, darunter Minister, Staatssekretäre und Behördenleiter.
       
       Serbien wie Nordmazedonien teilen ähnliche Probleme: Die Bevölkerung
       schrumpft, die Gesellschaft sieht keine Zukunft, die Jungen wandern aus.
       Dass jetzt ausgerechnet die jungen Leute einen breiten Protest tragen,
       hätte bis vor Kurzem niemand geglaubt. Es herrschten Frustration und
       Resignation, weil selbst jene, die noch versuchten, etwas aufzubauen, am
       Ende immer an der durch und durch korrupten Bürokratie scheiterten.
       
       ## Jeder ist von Korruption betroffen
       
       In der Regel geht es in der Kritik an autoritären Strukturen immer um die
       Einschränkung von Presse-, Meinungs- und Bewegungsfreiheit. Dass der
       Protest in Serbien und Mazedonien sich nun an der Korruption entzündet hat,
       ist der Grund, warum die Bewegung so breit ist. Denn jeder Einzelne ist
       davon betroffen. Einerseits hat jeder mit jedem noch irgendeine Rechnung
       offen. Denn jeder hat gegen jeden irgendwas in der Hand, weil jeder
       irgendwem mal Geld zugesteckt oder von irgendwem angenommen hat, meistens
       wegen Peanuts: eine Grundstücksmauer legalisieren, die ein paar Zentimeter
       zu breit ist, oder einen Behördenvorgang beschleunigen, der unzumutbar
       lange Zeit dauert.
       
       Es ist an viel zu vielen Stellen aussichtslos, in diesen Staaten auf legale
       Weise durchzukommen. Dokumente zählen nichts, richterliche Entscheidungen
       werden plötzlich grundlos revidiert, mit fadenscheinigen Begründungen wird
       behördlich entschieden, und alle wissen, dass hier bestochen wurde, und
       meistens auch, von wem.
       
       ## Gewaltige Ausmaße
       
       [4][Korruption] hört sich harmlos an. Ein paar Scheine hier, ein kleiner
       Gefallen da. Aber Korruption hat im ehemaligen Jugoslawien auch abseits der
       beiden tödlichen Ereignisse von Novi Sad und Kočani schon lange gewaltige
       und gewalttätige Ausmaße. Die Politiker der Nachfolgestaaten Jugoslawiens
       wollten mit der politischen Korruption im Kommunismus aufräumen und wurden
       selbst zu korrupten Politikern und Beamten.
       
       Seit Jahren konnte man dabei zusehen, wie das Vertrauen in die eigenen
       unabhängigen Staaten schneller schmolz als die Gletscher im Klimawandel.
       Zeitgleich verfiel auch das Vertrauen in Europa. Nicht nur in Serbien und
       Mazedonien, auch in Kroatien stauen sich Frust und Angst, weil mangelnde
       Unabhängigkeit der Justiz selbst innerhalb eines EU-Staats fast ungehindert
       immer weiter Blüten treibt.
       
       Dass Korruption in Südosteuropa nicht länger beschwiegen wird, liefert –
       bei aller Tragik der Ereignisse – endlich mal wieder die Aussicht auf eine
       lebenswerte Zukunft hier. Wenn nun die EU die Korruption konsequent
       verfolgen würde, könnte sie vielleicht noch ihren balkanischen Frühling
       erleben.
       
       22 Mar 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Massenprotest-in-Belgrad/!6072762
 (DIR) [2] /Feuerkatastrophe-in-Nordmazedonien/!6072770
 (DIR) [3] https://www.theguardian.com/world/2025/mar/17/mourners-protest-against-corruption-in-north-macedonia-after-nightclub-fire
 (DIR) [4] /Schwerpunkt-Korruption/!t5008142
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Doris Akrap
       
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