# taz.de -- Pkw-Vorfall bei Karnevalszug: Das Fragezeichen
       
       > Noch immer ist das Motiv ungeklärt, warum ein Mann in Volkmarsen in einen
       > Karnevalszug fuhr. Das könnte es vorerst auch bleiben.
       
 (IMG) Bild: Auch am Dienstag wurde noch am Tatort in Volkmarsen ermittelt
       
       Volkmarsen/Berlin taz | Der Gedanke war sofort da. Ein Mann fährt [1][mit
       einem Auto am Montag in den Rosenmontagsumzug im hessischen Volkmarsen], es
       gibt mehrere Verletzte. Die Polizei spricht von einer vorsätzlichen Tat.
       Der Landrat mutmaßt über ein politisches Motiv – „was soll es denn sonst
       sein?“ Ein Anschlag also? Nicht schon wieder, [2][so wenige Tage nach
       Hanau.]
       
       Aber die Lage ist diffiziler. Denn auch am Dienstag noch sprechen Polizei
       und die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft von einem ungeklärten Motiv
       des noch vor Ort festgenommenen 29-Jährigen, eines Deutschen aus
       Volkmarsen. Der Mann, der selbst verletzt wurde, sei weiter nicht
       vernehmungsfähig. Ermittelt werde wegen eines versuchten Tötungsdelikts –
       „in alle Richtungen“.
       
       Eine politische Tat? Eine Tat im Wahn? Eine unter Drogeneinfluss? Betrunken
       sei der Festgenommene nicht gewesen, sagte ein Sprecher der
       Generalstaatsanwaltschaft am Dienstag. Ein Drogeneinfluss werde noch
       geprüft. Sonst sei alles offen.
       
       Tatsächlich liegt, anders als in Hanau oder davor beim Attentat in Halle,
       bislang kein Bekennerschreiben vor. Auch soll der Festgenommene laut
       Medienberichten den Behörden bisher nicht als Extremist aufgefallen sein.
       Aktenkundig sei er wegen Nötigung, Beleidigung und Hausfriedensbruch. Zu
       Vorerkrankungen wurde bisher nichts bekannt. Auch dies prüfen nun die
       Ermittler.
       
       ## Immer wieder Pkw-Vorfälle
       
       Die Unklarheit, wie solche Taten einzuordnen sind, gibt es indes nicht erst
       jetzt. Sie war etwa auch Anfang Oktober 2019 da, als in Limburg ein Syrer
       einen Lkw kaperte und damit ungebremst in mehrere Fahrzeuge fuhr. Acht
       Menschen wurden verletzt. Auch dort wurde anfangs eine Terrortat geprüft –
       das Vorgehen passte zu islamistischen Anschlägen in Nizza oder auf dem
       Berliner Breitscheidplatz. Verbindungen des Beschuldigten in die
       islamistische Szene aber fanden Ermittler nicht, sie kamen letztlich zum
       Schluss: Es war kein Terror, sondern die Tat eines psychisch Kranken. Das
       LKA gab die Ermittlungen wieder an die Limburger Polizei ab.
       
       Oder Bottrop in NRW. Anfang 2019 war dort ein 50-Jähriger mit einem Auto in
       mehrere Menschengruppen gefahren, die er für Migranten hielt. 14 Personen
       wurden verletzt. In seiner Vernehmung hatte der Mann über „Kanaken“
       gewettert, die nicht ins Land hergehörten. Dies ließ zunächst eine
       Einordnung als politische Tat zu: Der Täter habe bewusst Migranten zum
       Opfer erwählt, wohl auch aus einem gesellschaftlichen Klima heraus, in dem
       diese als Bedrohung markiert würden. „Es gibt keine Krankheit, die zu
       Angriffen auf People of Color führt“, sagte der Soziologe Matthias Quent.
       Und für die angegriffene Opfergruppe bleibe die Botschaft des Hasses,
       bleibe die Angst.
       
       Das Essener Landgericht jedoch verneinte im Dezember 2019 eine Terrortat:
       Der Beschuldigte sei schuldunfähig, leide seit Jahren unter paranoider
       Schizophronie. Er habe in einem Krankenheitsschub gehandelt, ohne Einsicht,
       was er dort tue. Der 50-Jährige wurde in eine geschlossene Psychiatrie
       eingewiesen.
       
       ## Die Frage: Hatte die Tat politische Ziele?
       
       Die Frage nach dem Terror bleibt daher stets: Diente die Tat der
       Durchsetzung politischer Ziele? Wurden die Opfer gezielt ausgewählt, auch
       um damit eine Botschaft an eine größere Bevölkerungsgruppe zu senden?
       Verstand sich der Täter als Handelnder einer Ideologie oder eines
       Netzwerks, und sei es nur virtuell? Wenn ja, dann kann man von Terror
       sprechen.
       
       In Volkmarsen aber bleibt all das noch ungeklärt. Auch ein zweiter
       Festgenommener wurde von der Polizei nur festgesetzt, weil er ein
       Gaffervideo filmte. Was bleibt, sind laut Generalstaatsanwaltschaft 52
       Verletzte, im Alter von 2 bis 85 Jahren, davon 18 Kinder. 17 Personen
       befänden sich noch im Krankenhaus.
       
       Warum ihnen dieses Leid zugefügt wurde, darüber aber könnte es womöglich
       noch einige Tage Unklarheit geben.
       
       25 Feb 2020
       
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