# taz.de -- Neues Konzept für Schulbauten: Ein Schulklo für alle Geschlechter?
       
       > Hamburg baut in neue Klassenhäuser standardmäßig Unisex-Toiletten. Es
       > gibt keine Pissoirs mehr. Geschlechtertrennung organisiert jede Schule
       > selbst.
       
 (IMG) Bild: Hinsetzen kann sich hier jede/r: die neuen Schulklos mit deckenhohen Kabinenwänden
       
       Hamburg taz | Hamburgs Schülerzahl wächst, die Stadt braucht mehr
       Klassenräume. Schulsenator Ties Rabe und Finanzsenator Andreas Dressel
       (beide SPD) stellten am Montag das Modul-Konzept „Hamburger Klassenhaus“
       vor, mit dem in nur 21 Wochen aus Stahlrahmen-Modulen mehrstöckige
       Schulhäuser entstehen. Die Fassade kann variieren, bei der Innen-Aufteilung
       dürfen die Schulen viel mitbestimmen. Was aber auffällt beim Blick auf den
       [1][Grundriss, den die „Schulbau Hamburg“ ins Netz] stellte: Es gibt pro
       Etage einen großen Toilettenraum.
       
       Auf taz-Nachfrage erklärt Claas Ricker, Sprecher der Finanzbehörde, dass es
       Unisex-Toiletten sind. Die werde nicht als „dritte Option“ angeboten,
       sondern als „Toilettenanlage für alle Kinder“. Die Entscheidung darüber
       treffe jeweils die Schulleitung mit dem Architekturbüro. Laut Ricker
       entschieden sich aber alle elf Schulen, die bisher so ein Klassenhaus
       bekamen, für die Unisex-Variante. Deshalb böten die Architekten diese jetzt
       als Standard an. Und seit diesem Jahr sind sie explizit Bestandteil der
       „Leistungsbeschreibung Bau“ für staatliche Schulen der Stadt. „Alle Anlagen
       haben getrennte Kabinen, auf Pissoirs wird dabei verzichtet.“
       
       Mit der [2][Idee von Unisex-Toiletten] soll unter anderem verhindert
       werden, dass Trans- und Interpersonen diskriminiert werden. Die rot-grüne
       Regierung schrieb in ihren Koalitionsvertrag, sie wolle bei Toiletten das
       Ziel der „Gendergerechtigkeit“ verfolgen. Andererseits [3][mahnen manche
       Feministinnen], dass separate Mädchentoiletten als Schutz- und
       Rückzugsräume weiter wichtig sind.
       
       Nach Schutzräumen gefragt, erklärt Schulbehördensprecherin Luisa
       Wellhausen, es sei möglich, dass eine Schule im laufenden Betrieb auf eine
       „gendergetrennte Variante“ umschwenkt und die als Unisex-Toiletten gebauten
       Räume pro Stockwerk dann einem Geschlecht zuordnet. „Bezogen auf die Frage
       von Übergriffen ist es gut, wenn es immer mindestens drei Kategorien gibt:
       unisex, für Mädchen beziehungsweise Frauen und für Jungen beziehungsweise
       Männer.“ Da die Klassenhäuser als Ergänzung zu Schulgebäuden gebaut würden,
       würden diese zusätzlich zu den bestehenden Jungs- und Mädchentoiletten
       genutzt werden. „Es geht hier also nicht um die Abschaffung
       geschlechtsspezifischer Räume“, so Wellhausen.
       
       ## Kinder sollen Details entscheiden
       
       Laut Ricker sind 14 weitere Klassenhäuser im Bau und sechs in Planung. Im
       Januar bezogen wird das dreistöckige Haus der Grundschule Fabriciusstraße
       in Bramfeld, das auf 1.350 Quadratmetern vier Fachräumen und acht Klassen
       Platz bietet. Auch diese Schule entschied sich für die Unisex-Toiletten mit
       den deckenhohen Wänden. „Wir glauben, dass es gut ist, weil es keine
       Urinale gibt. Kinder, auch die Jungen, mögen lieber Sitztoiletten“, sagt
       Schulleiterin Birgit Möller.
       
       Es gebe ja auch die Option, nach Etagen zu trennen oder auch einzelne
       Kabinen mit Symbolen Jungen oder Mädchen zuzuordnen. „Wie wir das machen,
       werden wir auf einer Jahrgangsversammlung mit den Kindern besprechen“, sagt
       Möller. „Bei älteren Schülern würde ich die Toilettenräume getrennt lassen.
       Da muss man anders sensibel mit umgehen.“
       
       Bereits seit diesem Sommer genutzt wird das Klassenhaus des
       Marion-Dönhoff-Gymnasiums in Blankenese. Dort sind die Toiletten nach
       Stockwerk getrennt: Oben ist die Jungstoilette, im mittleren Stockwerk die
       Unisex-Toilette und im Erdgeschoss die für Mädchen. „Wir haben das lange
       diskutiert“, sagt Schulleiter Christian Gefert. Mit der Lösung hoffe man,
       allen gerecht zu werden.
       
       „Ehrlich gesagt kommen diese neuen Kabinen sehr gut an, weil sie rundum
       abgeschlossen sind.“ Das Thema sei durchaus ambivalent, so Gefert. „Sollte
       sich herausstellen, dass zum Beispiel Mädchen diese mittlere Toilette
       meiden, müssten wir das Konzept noch mal prüfen.“ Auch könnte der Verzicht
       auf Urinale zu hygienischen Problemen führen.
       
       ## Mädchen machen eher einen Bogen ums Unisex-Klo
       
       Nicholas Tümmers ist Schülervertreter am Dönhoff-Gymnasium und hat sich
       umgehört. „Zurzeit wissen wir hier zwar vom keinem, der sich nicht im
       binären Gendersystem sieht. Es gab aber mal einen Jungen, der mal eine Sie
       war.“ Ihm fällt auf, dass bei Jungen die Schamgrenze niedriger sei und sie
       weniger Hemmungen hätten, sich eine Toilette mit Mädchen zu teilen als
       umgekehrt. „Die Mädchen machen eher einen Bogen darum und sagen, sie würden
       sie nur im Notfall benutzen.“ Es könnte auch daran liegen, dass es keine
       Pissoirs gibt und der eine oder andere „nicht ganz zielsicher“ sei.
       
       Tümmers plädiert dennoch dafür, die Unisex-Toilette zu belassen und auf
       „Toiletten-Etikette“ zu achten. „Es sollten sich auch alle Jungs hinsetzen,
       auch aus Rücksicht auf die anderen Jungen“, sagt der 18-Jährige. „Und
       vielleicht braucht diese Veränderung Zeit und wir finden das in vier Jahren
       alle ganz normal.“
       
       Die Linken-Politikerin Sabine Boeddinghaus sagt, sie habe noch nichts von
       den Unisex-Toiletten gehört und würde das gern diskutieren. Sie könne sich
       nicht vorstellen, dass Mädchen es toll finden, den Raum vor den Waschbecken
       mit Jungs zu teilen. „Es muss diesen Rückzugsraum weiter geben.“ Auch die
       Elternkammer-Vorsitzende Alexandra Fragopuolos sagt, sie wisse noch nichts
       von dieser Neuerung. Die Kammer werde sich aber damit befassen.
       
       24 Sep 2021
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.schulbau.hamburg/klassenhaus/
 (DIR) [2] /Toilette-fuer-Trans--und-Intermenschen/!5572573
 (DIR) [3] https://diestoerenfriedas.de/warum-unisex-toiletten-nicht-fuer-frauen-funktionieren/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schulbehörde Hamburg
 (DIR) Unisex
 (DIR) Hamburg
 (DIR) Schule
 (DIR) Toilette
 (DIR) Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
 (DIR) Unisex
 (DIR) Frauenpolitik
 (DIR) Unisex
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Debatte über Klos in Russland: So ein Scheiß
       
       „Entnazifizierung“ lautete das offizielle Ziel des Kremls für den Überfall
       auf die Ukraine. Jetzt kommt raus: Es geht um genderneutrale Klos.
       
 (DIR) Toiletten für Frauen müssen bleiben: Lieber allein auf Klo
       
       In Hamburg wurde eine öffentliche Toilette für Frauen zum Unisex-Klo
       umgebaut – ohne Ersatz. Das ist falsch, weil Frauen Schutzräume behalten
       müssen.
       
 (DIR) Streit um öffentliche Toilette in Hamburg: Das Pinkelprivileg
       
       An der Alster wurde die Frauen-Toilette zur Unisex-Toilette umgebaut,
       während die Männertoilette erhalten blieb. Linke-Politiker fordern Rückbau.
       
 (DIR) Toilette für Trans*- und Intermenschen: Die dritte Klo-Option
       
       In Bayern soll es in einigen Schulen neben Toiletten für Jungen und Mädchen
       welche für ein drittes Geschlecht geben. Das Konzept ist umstritten.