# taz.de -- Linker Protest im Internet: Warum sich Netzaktivismus abgenutzt hat
       
       > Aktivismus vom Sofa aus ist niedrigschwellig, aber erschöpfend. Wie lässt
       > sich Netzprotest neu erfinden, statt es den Rechten zu überlassen?
       
 (IMG) Bild: Der Netzaktivimus hat unter den Bots gelitten, und den Nazis
       
       Ich glaube, ich habe einen [1][Netzaktivismus]-Burn-out. Dabei ist es meine
       Leidenschaft, den Kapitalismus vom Sofa aus zu bekämpfen: Aktivismus im
       Netz ist niedrigschwellig, man ist flexibel, muss nicht morgens um fünf in
       den Demobus steigen, das Tool hat man eh in der Hand und die Reichweite des
       Protests lässt sich direkt ablesen.
       
       [2][Widerstand im Netz] ist einfach und schnell – manchmal zu schnell. Ein
       bisschen wie Fast Food: Man haut sich mit großer Dringlichkeit schnell viel
       rein. Danach ist einem übel. Aber der Hunger trotzdem nicht ganz gestillt.
       
       Ich will das Internet nicht [3][den Rechten] überlassen. Zugleich habe ich
       immer weniger Lust, meine Zeit damit zu verbringen, Algorithmen zu pushen
       und mich Milliardärsplattformen zu unterwerfen.
       
       Der flexible, leichte Zugang fühlt sich inzwischen an wie eine ständige
       Verpflichtung.
       
       Das wiederum erinnert an arbeiten im Homeoffice: Es verspricht Freiheit,
       aber macht, dass du auch am Wochenende deine E-Mails checkst. Es gibt immer
       eine Kampagne zu unterstützen. Die Kombination aus Verfügbarkeit und Tempo
       kreiert eine toxische Dringlichkeit.
       
       Dazu kommt moralischer Druck: Mehrmals las ich Diskussionen darüber, wie
       feige oder unsolidarisch es wäre, diese oder jene Petition nicht
       unterzeichnet zu haben, bevor ich überhaupt mitbekommen habe, dass es eine
       solche Petition gibt. Wahrscheinlich ging sie unter zwischen all den
       anderen Petitionen, Share-Pics und Mobi-Videos.
       
       ## Den Tag untereinander vermiesen
       
       Weil diese Formate immer gleich sind, fällt auch mir oft nichts Besseres
       ein, als die immer gleichen Leute mit großer Reichweite zu bitten, mir
       schnell ein Video aufzunehmen, um zur anstehenden Demo zu mobilisieren. Ich
       selbst bekomme etwa einmal im Monat eine solche Anfrage. Ich will mir nicht
       ausmalen, wie viele Max Czollek bekommt.
       
       So richtig Bock scheint niemand mehr zu haben: Die Stimmung im Netz ist
       schlecht. Damit meine ich nicht die Präsenz von Rechten, Trollen, Bots oder
       rechten Troll-Bots. Wir können uns den Tag auch untereinander vermiesen.
       Statt linker Netiquette gibt’s die Algorithmus-optimierte kalkulierte
       Provokation, die sich von Wut der Genoss*innen ernährt. Oder Accounts,
       deren Game daraus besteht, zu erzählen, wie problematisch andere Linke
       sind.
       
       Viel Zeit auf Social Media zu verbringen, führt nicht mehr dazu, dass wir
       uns verbunden fühlen. Es lässt uns politisch vereinsamen. Auch wenn man für
       eine gemeinsame Sache kämpft:
       
       Am Ende sitzen wir alle allein vor unseren Geräten. Zum Glück habe ich
       dafür einen Ausgleich außerhalb des Internets. Das ist aber nicht für alle
       möglich. Da sind wir wieder beim großen Vorteil: die Zugänglichkeit.
       
       Mehr ins direkte Gespräch zu kommen, sich bei Veranstaltungen zu treffen
       und mit Forderungen auf die Straße zu gehen, ist also nur ein Teil einer
       Lösung, an der nicht alle teilhaben können. Für viele ist das Internet die
       einzige Möglichkeit, Zugang zu Informationen, politischem Ausdruck und
       Austausch zu haben und mit Gleichgesinnten in Kontakt zu bleiben.
       
       Gerade für sie sollten wir das Netz zu einem guten Ort machen. Was mache
       ich nun mit diesem Burn-out? Mal entspannen. Und an kreativeren
       Onlineprotestformen arbeiten. Doch bis ich da weiter bin, würde ich euch
       vorerst noch um Mobi-Videos bitten.
       
       6 Sep 2025
       
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