# taz.de -- LGBTI*-freundliche Reisedestination: Regenbogen über Valletta
       
       > Die Community hat die Insel erst seit ein paar Jahren auf dem Schirm. Das
       > hat politische Gründe. Ziel ist jedes Jahr auch die Malta Pride Week.
       
 (IMG) Bild: Juli 2017: Malta führt die gleichgeschlechtliche Ehe ein
       
       David Attard Bajada war einer der ersten schwulen Männer, die auf Malta
       geheiratet haben, als im Juli 2017 die Ehe für alle beschlossen wurde. Die
       zuvor schon mögliche eingetragene Lebenspartnerschaft war nichts für ihn,
       die „richtige Ehe“, wie er sie nennt, schon. Dabei kennt der heute
       55-Jährige seinen Ehemann Jason Attard schon seit 25 Jahren. „Er war mein
       erster Boyfriend, nach dem Ende meiner Ehe“, erzählt er bei einem
       vorzüglichen Mittagessen mit Spaghetti Vongole in Marsaxlokk, einem
       idyllischen Fischerdorf, ein „Must see“ hier auf Malta.
       
       Die Geschichte der beiden Männer steht beispielhaft für das Leben von
       Schwulen auf Malta gestern und heute und zeigt, wie viel sich auf der Insel
       in den letzten paar Jahren tatsächlich verändert hat.
       
       David Attard Bajada schildert, wie schwierig Schwulsein in seiner Jugend
       war. „Damals waren viele im Schrank, du konntest dein Leben nicht leben.“
       Das war auch der Grund, warum sein heutiger Ehemann seine Heimat verließ
       und sein Glück in den Niederlanden suchte und dort einen Mann heiratete,
       „um im Land bleiben zu können“. Denn Malta gehörte damals nicht zur EU, das
       ist erst seit 2004 der Fall. Als Attard Bajada vor rund vier Jahren Single
       wurde, nahmen beide via einer schwulen Internetplattform wieder Kontakt
       auf. „Jason kam nach Malta, wollte bleiben und mich nicht ein zweites Mal
       verlieren.“
       
       Das Ehepaar führt zusammen das „Michelangelo“ in St. Julians, einer kleiner
       Stadt an der Nordküste Maltas, ganz in der Nähe der Hauptstadt Valletta,
       die einzige Bar für LGBTI* in dem Land. „Wir sind kein reiner schwuler
       Club“, sagt Attard Bajada, „das Michelangelo ist für alle offen, auch
       heterosexuelle Gäste.“
       
       Auf Malta gibt es zwei große Parteien: Die konservative Partit
       Nazzjonalista, die zuletzt von 1998 bis 2013 regierte. Dann kam die
       sozialdemokratische Partit Laburista an die Macht, die 2017 nach dem
       Wahlsieg versprochen hatten, die Ehe für alle als erste Maßnahme ihrer
       zweiten Amtsperiode umzusetzen. Das brachte auch David Attard Bajada zum
       Umdenken. „Entweder wächst du in einer Nationalisten-Familie oder einer
       Labour-Familie auf und bleibst ein Leben lang dabei“, erklärt er das
       traditionelle Wahlverhalten auf Malta. „Ich hab aber auf Facebook
       geschrieben, dass ich nun nicht mehr die Nationalisten wähle, wie sonst
       immer, weil ich endlich kein Bürger zweiter Klasse mehr sein will.“ Der
       Post wurde ein Hit und bekam 4.000 Likes.
       
       Und so empfiehlt sich Malta seit 2014, seit den politischen Umwälzungen
       (siehe Infokasten), als LGBTI*-freundliche Reisedestination. Tatsächlich
       führt das kleinste Land der EU das aktuelle ILGA-Ranking an. Dafür werden
       alle 49 europäischen Staaten hinsichtlich der Menschenrechte und des
       sozialen Klimas bewertet – ein aussagekräftiger Index. Schließlich weiß die
       International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association – kurz
       ILGA –, was Sache ist. 1978 in den USA gegründet, gibt es seit 1996 den
       Ableger ILGA Europe, wo rund 600 LGBTI*-Organisationen zusammenarbeiten.
       Keine Überraschung also, dass Malta im Ranking seit 2017 auf Platz 1 der
       LGBTI*-freundlichsten Länder Europas liegt; gefolgt von den Benelux- und
       den nordischen Staaten. Deutschland rangiert übrigens auf Platz 15.
       
       Ortswechsel und Alltagstest in Valletta an der Nordostküste: Die Hauptstadt
       Maltas ist eine einzige riesige Sehenswürdigkeit, denn sie wird von einem
       Ring aus Bastionen umgeben. Überall in den vollen Hauptstraßen, aber auch
       den kleinen und nicht so überlaufenen Gassen sind immer wieder schwule oder
       lesbische Paare zu sehen, die oft händchenhaltend das Freilichtmuseum
       Valletta erkunden. Sich auf offener Straße küssen und umarmen? Auch kein
       Problem.
       
       ## Meterdicke Mauern und enge Gassen
       
       Das gilt ebenso für den prähistorischen Tempelkomplex Mnajdra an der
       Südwestküste oder für Mdina, die alte Hauptstadt Maltas, im westlichen
       Zentrum der Insel gelegen. Auch Mdina ist eine Festungsstadt mit
       meterdicken Mauern und engen Gassen, die so schmal sind, dass kein Auto
       durchpasst – hier wurden Szenen für „Game of Thrones“ gedreht. Noch vor ein
       paar Jahren, erzählt die Touristenführerin Sabine Attard, war die gesamte
       Stadt für Pkws tabu. Doch weil die Einwohnerzahl immer weiter zurückging,
       offiziell sind es 235 Einwohner, erlaubte man den Mietern der schönen wie
       schlichten Häusern aus Kalkstein, da wo es geht, mit dem Auto vorzufahren.
       Und auch Mdina ist fest in der Hand der Touristenschar aus aller Welt. Weil
       sich hier alles auf kleinsten Raum drängt, fallen die LGBTI*-Touristen umso
       mehr auf.
       
       Wo kommen die eigentlich her? Das weiß Daniel Buhagiar, General Manager des
       De Vilhena Boutique Hotels im Herzen Vallettas. „Wir haben hier auch viele
       schwule Gäste. Die meisten kommen aus Großbritannien, USA, Kanada und
       Australien, Israel, Deutschland sowie die Nachbarn Italien und Frankreich.
       „Malta ist ziemlich easy für LGBTI*-Leute“, sagt Buhagiar. „Die
       Diskriminierung ist minimal. Ich selbst habe das nie erlebt, auch nicht in
       meinem Job.“ Dennoch bietet Buhagiar Trainings für seine Mitarbeiter an,
       denn „LGBTI*-Leute sollen sich bei uns wohlfühlen“ und „Gayfriendly kein
       bloßes Lippenbekenntnis sein“. Das Hotel gibt es erst seit zwei Jahren.
       Davor stand der Neubau aus den 1950ern länger leer, wie so viele Gebäude,
       berichtet der 28-Jährige. „Valletta war damals eine tote Stadt, es gab kaum
       Restaurants oder Bars. Die Leute kamen zum Arbeiten her und fuhren abends
       wieder nach Hause – Valletta wurde zur Geisterstadt.“ Und heute liegt sein
       Hotel an einer der pulsierendsten Straßen.
       
       Dass Valletta 2018 Kulturhauptstadt Europas war, hat dem Tourismus spürbar
       gut getan. „Vieles wurde renoviert und restauriert, in alte Palazzi zogen
       Boutiquehotels ein, Restaurants, Cafés und Bars folgten.“ Aber okay, die
       Geschichte lässt sich auch genau andersherum erzählen: Den Preis für eine
       ständig wachsende Touristenschar zahlen die Anwohner. Das weiß auch
       Buhagiar: „Der Aspekt der Gentrifizierung ist nicht gut, aber das alles
       brachte Leben in die City.“
       
       Leben in die Stadt bringt auch die alljährliche Malta Pride Week. „Beim
       Pride March 2018 gingen rund 4.500 Teilnehmer auf die Straße, in diesem
       Jahr erwarten wir 6.000“, sagt Clayton Mercieca, der Community Manager der
       Allied Rainbow Community, einer 2015 gegründeten LGBTI*-NGO. Zu den
       Sponsoren des Prides gehören die Tourismusbehörde und das
       Gleichstellungsministerium sowie einige Firmen, darunter ein deutscher
       Kondomhersteller. „Wir wollen unabhängig bleiben“, sagt Mercieca, „und die
       Balance zwischen kommerziellen Partnern und der LBGTI*-Community halten.
       Das ist ein Event der Community und soll es bleiben.“
       
       Wichtig ist den Organisatoren, dass die Prideparade „familyfriendly“ ist,
       es „soll kein Event nur für Dragqueens, Schwule und Lesben sein, sondern
       das ganze Spektrum abdecken“. Damit sind etwa Regenbogenfamilien sowie
       kirchliche Gruppen gemeint – und Trans*. „Die gehen bei unserem Pride an
       der Spitze.“ Auch kämen viele Anwohner mit Kindern. „Das ist gut und
       wichtig so. Wir wollen die Veränderungen in den letzten fünf Jahren auf
       einem familiefreundlichen Level sichtbar machen.“
       
       Apropos Sichtbarkeit: Merciecas Traum ist ein Community-Center. „Eine
       queere Bibliothek mit einem Café und einer Bühne mitten in Valletta.“ Denn
       so etwas gibt es bisher nicht in der kleinen Inselrepublik.
       
       ## Nicht zu sehr partyorientiert
       
       Generell findet Mercieca, dass sich Malta „in die richtige Richtung
       entwickelt. Wir müssen nur aufpassen, nicht zu Mykonos oder Ibiza zu
       werden, also nicht so partyorientiert.“ Denn LGBTI*-freundlich heißt,
       „nicht nur einladend für schwule Männer zu sein, sondern für alle“.
       
       Auch gibt es aus seiner Sicht noch allerhand zu tun im Land: Eins der stark
       vernachlässigten Themen ist HIV. „Wir müssen die Informationslage und die
       medizinische Versorgung verbessern“, sagt der 33-Jährige. „Auf Malta werden
       immer noch sechs einzelne Medikamente bei einer HIV-Infektion genommen
       statt einer Pille, wie zum Beispiel in Deutschland.“
       
       Und leider gebe es immer noch Fälle von ausgesprochenen Morddrohungen bei
       einem Coming-out. „Wir sind eben kein Paradies.“ – An dieser Stelle sei an
       die im Oktober 2017 durch eine Autobombe ermordete regierungskritische
       Journalistin Daphne Caruana Galizia erinnert. – Aber, sagt Mercieca, Malta
       sei eben ein kleines Land. „In fast jeder Familie gibt es einen Cousin,
       eine Cousine, einen Bruder oder eine Tante, die schwul, lesbisch oder
       trans ist.“ Und außerdem spricht für Malta, dass das Land ein „sicherer
       Hafen für Menschen aus den homophonen Ländern im Mittleren und Nahen Osten
       und auch Pakistan ist, die jetzt hier leben“.
       
       Der Gesinnungswandel in Staat und Gesellschaft lasse sich auch an einem
       ganz anderen Beispiel ablesen, meint Alex Caruana, Community Outreach
       Officer von Malta Gay Rights Movement. Die NGO, bereits 2001 als damals
       einzige in Malta gegründet, bietet unter anderem einen Rainbow Support
       Service an. „Für diesen arbeiten fünf Sozialarbeiter“, sagt Caruana,
       „früher taten sie das ehrenamtlich, doch neuerdings werde sie von der
       Regierung bezahlt“. Die verschiedenen Hilfsangebote beim Coming-out, für
       Trans* oder Immigranten, bei HIV oder psychischen Problemen sind kostenlos.
       
       „Malta ist kein Paradies“, sagt auch Caruana, speziell im Bereich der
       Bildung liegt noch viel im Argen. Es gibt deshalb beispielsweise
       regelmäßige Treffen von Regierungsvertretern mit Eltern, deren Kinder
       Trans* sind – das Ziel ist ein Fragen-und-Antwortenkatalog zum Thema auf
       der Homepage der Bildungsministeriums. Es könne bald so weit sein.
       
       Und ja, „die Gesellschaft hat sich wirklich verändert, die Mentalität, die
       Sicht auf LGBTI*-Leute, auch auf Trans*-Menschen“. Bester Beleg dafür:
       „Früher kamen eher ältere Leute, die Probleme beim Coming-out hatten oder
       die deshalb zu Hause rausgeworfen wurden. Heute sind die Leute, die Hilfe
       suchen, meist jünger. Und meistens kommen sie mit ihren Eltern.“
       
       Und ja, klar: „Wenn die Regierung sagt, Malta ist LGBTI*-freundlich, stimmt
       das auch – aber nur wenn du weiß bist. Wenn du schwarz bist, bist du nicht
       überall im Land willkommen.“
       
       Transparenzhinweis Der Autor war auf Einladung von Malta Tourism Authority
       auf der Insel.
       
       15 Sep 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Hergeth
       
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