# taz.de -- Klima-Hungerstreik in Berlin: Ihre Aktion soll ein Weckruf sein
       
       > Der Hungerstreik steht vor der nächsten Verschärfung. Die Streikenden
       > fordern vom Bundeskanzler, die Dramatik der Klimakrise einzugestehen.
       
 (IMG) Bild: Titus Feldmann, Wolfgang Metzeler-Kick und Adrian Lack am 23. Mai vor der SPD-Zentrale
       
       Die vier Hungerstreikenden der Aktion „[1][Hungern bis ihr ehrlich seid]“
       im Invalidenpark in Berlin machen weiter. Mit ihrer Aktion wollen sie auf
       die dramatische Situation des Klimawandels hinweisen. Sie fordern vom
       Bundeskanzler, in einer Regierungserklärung einzugestehen, dass die
       Erderwärmung in die Katastrophe führen wird. Allein der Kanzler rührt sich
       nicht.
       
       Für Mittwoch hatten die Streikenden eine Verschärfung ihrer Aktion
       angekündigt, diese nun aber um einen Tag verschoben. Ab Donnerstag wollen
       zwei von ihnen, Wolfgang Metzeler-Kick und Adrian Lack, in den „trockenen
       Hungerstreik“ treten: Sie wollen also auch aufhören zu trinken. Innerhalb
       weniger Tage kann dies zum Tod eines oder beider Streikender führen; vor
       allem in Anbetracht ihrer schwachen körperlichen Konstitution.
       
       Noch hoffen sie, dass Scholz sich bei der für Donnerstag angekündigten
       Regierungserklärung zur Sicherheitslage auch zur Klimakrise äußern wird.
       Denn der Klimawandel sei auch ein Sicherheitsrisiko, wie ein weiterer der
       Hungernden, Titus Feldmann, am Mittwochmorgen ausführt. Die Welt, die sie
       avisieren, wenn nicht sofort alles getan wird, um die CO2-Last in der
       Atmosphäre zu senken, würde in Hunger, Chaos und Gewalt versinken. Ein
       dystopisches Szenario.
       
       Der 49-jährige Wolfgang Metzeler-Kick hungert inzwischen seit 91 Tagen.
       Anfangs trank er noch Saft, um sich so Kohlenhydrate zuzuführen. Seit zehn
       Tagen befindet er sich im „absoluten Hungerstreik“, nimmt nur noch Wasser
       und Vitamine zu sich und verzichtet auf Saft. Die Vitamine sind notwendig,
       um irreparable Folgeschäden zu vermeiden. „Sie wollen ja überleben“, sagt
       eine der Sprecherinnen der Aktion. Der 34-jährige Adrian Lack hungert seit
       30 Tagen. Seit einer Woche ist auch er im absoluten Hungerstreik – und
       spricht nicht. „Ich spreche nur mit dem Bundeskanzler“, stand auf einem
       Schild, das er bei einer Pressekonferenz vor sich hielt.
       
       ## Der Kanzler spricht die Tatsachen nicht aus
       
       Aufhören zu streiken wollen alle sofort, wenn der Bundeskanzler in einer
       Regierungserklärung folgende Forderungen ausspräche: „1. Der Fortbestand
       der menschlichen Zivilisation ist durch die Klimakatastrophe extrem
       gefährdet. 2. Es gibt kein CO2-Restbudget mehr, denn es sind bereits jetzt
       hunderte von Gigatonnen zu viel CO2 in der Luft. 3. Wir müssen jetzt, wenn
       auch mit Jahren Verspätung, radikal umsteuern.“
       
       Warum ist es so schwer für den Bundeskanzler, das auszusprechen? Den
       Hungernden geht es um wissenschaftlich untermauerte Tatsachen. Drei der
       vier Hungerstreikenden sind Ingenieure und kennen sich mit der
       Umweltmaterie aus, der vierte ist Mathematiker.
       
       Aber Scholz geht auf die Forderungen nicht ein. Schlimmer noch: Mal
       vergleicht er solche Statements mit [2][religiösen Bekenntnissen], mal
       macht er deutlich, dass Politiker die Tatsachen nur als Grundlagen [3][für
       ihre Meinungen] nutzen. Er selbst ziehe aus den wissenschaftlichen
       Erkenntnissen den Schluss, dass man das Klima schützen müsse. Er lässt
       offen, ob andere das Gegenteil daraus ziehen.
       
       ## Die gleiche Empathie auch in Afrika oder Bayern
       
       Nach den Gründen befragt, warum seiner Meinung nach Scholz die Dramatik des
       Klimawandels nicht eingesteht, sagt Titus Feldmann, einer der
       Hungerstreikenden, der seit 21 Tagen nichts isst, am Mittwoch: „Würde er es
       aussprechen, müsste er daraus politisches Handeln ableiten. Aber der
       ‚Klimakanzler‘ hat nichts diesbezüglich anzubieten.“
       
       Am Montag hatte Wolfgang Metzeler-Kick einen Kreislaufkollaps, kam ins
       Krankenhaus. Nach wenigen Stunden ging er wieder zurück ins Camp. In elf
       Städten kam es zu Solidaritätsdemonstrationen. Aktivistinnen der Letzten
       Generation sprühten „Sei ehrlich“ auf das Willy-Brandt-Haus in Berlin, den
       Sitz der SPD.
       
       Immer wieder werden die Hungernden gebeten, eine andere Form des Protests
       zu wählen und nicht ihr Leben zu riskieren. Sie fragen zurück, ob man die
       gleiche Empathie empfinde, für die, die jetzt schon an den Folgen des
       Klimawandels sterben? In Afrika? Im Mittelmeer? In Brasilien? Oder in
       Bayern?
       
       5 Jun 2024
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://hungern-bis-ihr-ehrlich-seid.de
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=aV35l6QfY_g
 (DIR) [3] https://www.instagram.com/p/C7m1kuhomNx/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Waltraud Schwab
       
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