# taz.de -- Debatte um Prostitution: Bündnis gegen Sexkaufverbot
       
       > Sechs Verbände und Beratungsstellen wie Aidshilfe und Frauenrat wenden
       > sich gegen Bestrebungen, den Kauf von sexuellen Dienstleistungen zu
       > verbieten.
       
 (IMG) Bild: Ein Club auf der Reeperbahn bietet käuflichen Sex ab 39 Euro
       
       Berlin taz | In Berlin hat sich am Freitag ein neues Bündnis gegen ein
       Sexkaufverbot gegründet. „Eine Kriminalisierung von Sexarbeit schützt
       Prostituierte nicht vor Zwang, sondern führt zu mehr Gesundheitsrisiken,
       Gewalt und prekären Lebensverhältnissen“, heißt es in einem gemeinsamen
       Positionspapier ([1][PDF]) von sechs Verbänden und Fachberatungsstellen.
       „Wir fordern stattdessen Akzeptanz, Gesundheitsversorgung und den Ausbau
       freiwilliger Beratung“, sagte Holger Wicht von der Deutschen Aidshilfe.
       
       Beteiligt am Bündnis sind hochkarätige Partner: neben der Aidshilfe bislang
       der Deutsche Frauenrat, der Deutsche Juristinnenbund, die Diakonie und zwei
       Beratungsstellen. „Wir gehen davon aus, dass in nächster Zeit weitere
       Unterstützer*innen zu uns stoßen“, sagte Wicht. Das Bündnis sei zunächst
       „mit heißer Nadel“ gestrickt worden, weil schon auf dem SPD-Parteitag im
       Dezember ein Antrag für ein Sexkaufverbot aus dem baden-württembergischen
       Landesverband der Partei erwartet werde.
       
       Hintergrund der Gründung sind Bestrebungen wie diese, [2][vor allem
       innerhalb der SPD Mehrheiten für ein Sexkaufverbot in Deutschland zu
       organisieren.] Im Oktober traf sich zum ersten Mal ein interfraktioneller
       Parlamentskreis zum Thema, organisiert von zwei Bundestagsabgeordneten von
       SPD und CDU, Leni Breymaier und Frank Heinrich. Breymaier ist erklärte
       Befürworterin eines Sexkaufverbots, bei dem Freier bestraft werden, nicht
       aber die Sexarbeiter*innen selbst.
       
       Neben der Bundesvorsitzenden der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer
       Frauen (ASF), Maria Noichl, hatten sich auch weitere Sozialdemokrat*innen
       wie der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach für ein Verbot ausgesprochen.
       Die Unionsfraktion steht dem ohnehin offener gegenüber. Deren
       rechtspolitische Sprecherin Elisabeth Winkelmeier-Becker fordert einen
       „Paradigmenwechsel“ in Sachen Prostitution.
       
       ## Negative Folgen eines Verbots sind belegt
       
       Ein solcher wäre es tatsächlich, würde hierzulande ein Sexkaufverbot wie in
       Schweden, Norwegen oder Frankreich eingeführt werden. 2002 wurden in
       Deutschland die Rechte von Prostituierten gestärkt und sexuelle
       Dienstleistungen legalisiert. Nun jedoch, so das neue Bündnis, zeichne sich
       eine „erneute Debatte über den Umgang mit Prostitution“ ab: Prostitution,
       fürchten die Beteiligten, solle langfristig abgeschafft werden.
       
       In einem siebenseitigen Papier beschreiben sie die negativen Folgen eines
       Sexkaufverbots, die durch verschiedene internationale Studien
       wissenschaftlich belegt sind. „Verbote verhindern weder Prostitution noch
       dämmen sie negative Auswirkungen ein“, heißt es in dem Papier. Stattdessen
       verschlechtere die Kriminalisierung die Situation von Sexarbeiter*innen
       dramatisch: [3][Sie dränge die Arbeit ins Verborgene und verhindere
       Prävention] sowie den Schutz vor Gewalt und Ausbeutung, weil auch der
       Aufbau eines sicheren Arbeitsumfelds unmöglich gemacht werde.
       
       Wichtig sei hingegen, die Selbstbestimmung und Selbstorganisation von
       Sexarbeiter*innen zu stärken, Kenntnisse zur Verhütung zu vermitteln,
       niedrigschwelligen Zugang zu Test- und Behandlungsangeboten zur Verfügung
       zu stellen und die freiwillige Fachberatung auszubauen. Zudem müssten
       Betroffene von Menschenhandel besser geschützt werden, etwa durch Rechte
       unabhängig von Aufenthaltsfragen. Doch „Prostitution und Menschenhandel
       oder Zwangsprostitution müssen getrennt betrachtet werden“, so die
       stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Frauenrats, Susanne
       Kahl-Passoth: Anders als Prostitution sei Menschenhandel eine Verletzung
       der Menschenrechte.
       
       Die Verbände und Beratungsstellen kommen nicht zum ersten Mal zusammen:
       Schon als 2015 das Nachfolgegesetz der Legalisierung von Prostitution
       verhandelt wurde, das sogenannte Prostitutiertenschutzgesetz, wandten sie
       sich gemeinsam gegen Bestrebungen der Bundesregierung, verpflichtende
       Gesundheitsuntersuchungen und eine behördliche Anmeldung einzuführen.
       
       Einige Regelungen, die als restriktiv empfunden wurden, fanden keinen
       Eingang ins neue Gesetz, Anmeldung und Pflichtberatungen allerdings schon.
       Auch dieses auf Kontrolle zielende Gesetz, zeigen erste Evaluationen etwa
       aus Nordrhein-Westfalen, führt vor allem dazu, dass Sexarbeiter*innen ins
       Verborgene abwandern und so Kriminalisierung und zusätzlichen Gefahren
       ausgesetzt sind.
       
       22 Nov 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.aidshilfe.de/sites/default/files/documents/2019_sexkaufverbot_gemeinsame_position.pdf
 (DIR) [2] /Forderung-nach-nordischem-Modell/!5601153
 (DIR) [3] /Diskussion-um-ein-Sexkaufverbot/!5629933
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Patricia Hecht
       
       ## TAGS
       
 (DIR) sexuelle Selbstbestimmung
 (DIR) SPD
 (DIR) Sexarbeit
 (DIR) Prostitutionsgesetz
 (DIR) Prostitution
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Sexarbeit
 (DIR) Prostitution
 (DIR) Prostitution
 (DIR) Sexarbeit
 (DIR) Sexarbeit
 (DIR) Arbeit in Serie
 (DIR) Gender
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Verbot von Prostitution: Linkspartei streitet über Sexarbeit
       
       Schon 2016 gegründet, startet ein Parteinetzwerk in der Linken ausgerechnet
       jetzt einen neuen Anlauf: Es will eine „Welt ohne Prostitution“.
       
 (DIR) Corona und Prostitution: Große Sorgen in der Sexarbeit
       
       Städte und Bundesländer schließen Bordelle und verbieten vorerst
       Prostitution. Vielen Sexarbeitenden droht nun Obdachlosigkeit.
       
 (DIR) Diskussion um Strafen für Freier: Ein anderer Blick auf Frauen
       
       Es geht um Menschenrechte, nicht um Moral. Warum wir beim Thema Sexkauf
       auch in Deutschland das nordische Modell brauchen.
       
 (DIR) Prostitution in Hamburg: In finstere Ecken gedrängt
       
       Sexarbeit gehört seit Jahrzehnten zum Hamburger Stadtteil St. Georg. Durch
       Sperrbezirk und Kontaktverbot wurde die Prostitution nur geheimer.
       
 (DIR) Aktivistin über Sexkaufverbot: „Prostitution ist Gewalt“
       
       Die meisten Prostituierten arbeiten unter Zwang, sagt Heidemarie Grobe von
       Terre des Femmes. Sie kämpft dafür, dass Freier bestraft werden.
       
 (DIR) Feministische Positionen zu Sexarbeit: Gehört Sexarbeit abgeschafft?
       
       Prostitution bringt Feminist*innen in eine verzwickte Lage: Die damit
       verbundene Ausbeutung lehnen sie ab, wollen die Frauen aber nicht
       bevormunden.
       
 (DIR) Straßenprostitution in Berlin: Sexarbeit im Bio-Klo
       
       Runder Tisch Sexarbeit will mit dem Aufstellen von Toiletten der offenen
       Prostitutionsausübung begegnen. Anwohner finden, das reicht nicht.
       
 (DIR) Arbeit in Serie: Der Sexarbeiter: „Kerle dürfen bei mir schwach sein“
       
       Lucien Lafayette arbeitet als genderqueerer Sado-Maso-Sexworker in Berlin.
       Eigentlich sollten ihn die Krankenkassen bezahlen, sagt er.
       
 (DIR) Hurenkongress in Berlin: Gegen die Kriminalisierung
       
       BDSM-Praktiken, Mythos Menschenhandel oder die Bedürfnisse von trans
       Sexarbeiter_innen: Die Themen beim diesjährigen Hurenkongress waren
       vielfältig.