# taz.de -- AfD-Politiker zitierte SA-Losung: Zähe Ermittlungen gegen Höcke
       
       > Der AfD-Politiker verwendete bei einer Rede 2021 die SA-Losung „Alles für
       > Deutschland“. Strafrechtler kritisieren, dass es noch keine Anklage gibt.
       
 (IMG) Bild: Kokettiert nicht selten mit NS-Rhetorik: Rechtsextremist Björn Höcke (AfD)
       
       Berlin taz | Zwei Strafrechtsexperten üben Kritik an den zähen Ermittlungen
       der Staatsanwaltschaft Halle gegen Björn Höcke, den Chef der AfD Thüringen.
       Seit rund 19 Monaten ermittelt die Staatsanwaltschaft bereits gegen den
       Rechtsextremisten, weil dieser bei einer Wahlkampfrede im Mai 2021 im
       sachsen-anhaltischen Merseburg die verbotene SA-Losung „Alles für
       Deutschland“ verwendet hat. Anklage wurde noch immer nicht erhoben. Höckes
       Immunität wurde [1][im November 2021 aufgehoben], seither hat sich im
       Verfahren nichts getan.
       
       Der ehemalige BGH-Richter Thomas Fischer bezeichnet die Verfahrensdauer auf
       taz-Anfrage als „ungewöhnlich“ und „besorgniserregend“. Auch der
       Strafrechtsprofessor Mohamad El-Ghazi von der Uni Trier ist auf taz-Anfrage
       „verwundert“, dass die Staatsanwaltschaft nach über anderthalb Jahren noch
       zu keiner abschließenden Entscheidung im Verfahren gekommen ist.
       
       Die Staatsanwaltschaft Halle wiegelt auf mehrfache Rückfrage hingegen ab.
       Staatsanwalt Dennis Cernota sagte der taz: „Ich kann Ihnen versichern, dass
       die Ermittlungen in der gebotenen Sorgfalt so zügig wie möglich geführt
       werden.“ Auskünfte könnten erst erteilt werden, sobald das
       Ermittlungsverfahren abgeschlossen sei. Auch eine „seriöse Prognose über
       die weitere Verfahrensdauer ist derzeit nicht möglich“.
       
       Dabei scheint der Fall nicht allzu kompliziert: Höcke gilt nicht nur dem
       Verfassungsschutz als „rechtsextrem“ und hat als ehemaliger
       Geschichtslehrer immer wieder mit NS-Rhetorik kokettiert, bewusst Grenzen
       ausgetestet und sich in revisionistischen Diskursverschiebungen versucht.
       In Reden postulierte er, dass parteiinterne Gegner [2][„ausgeschwitzt“
       werden müssten], bezeichnete das Berliner Holocaust-Mahnmal als
       [3][„Denkmal der Schande“], forderte eine „erinnerungspolitische Wende um
       180 Grad“ oder sprach in Reden von [4][„Tat-Elite“], wie die SS sich selbst
       bezeichnete. Die Liste ließe sich nahezu beliebig verlängern.
       
       ## OLG Hamm urteilte bereits zur SA-Losung
       
       Darüber hinaus gibt es bereits ein [5][Urteil des Oberlandesgerichts Hamm]
       von 2006 zum gleichen Sachverhalt. Das Gericht verurteilte eine Person,
       weil diese exakt die Losung „Alles für Deutschland“ verwendet hatte. Und
       auch der [6][wissenschaftliche Dienst des Bundestags] sieht „das Verwenden
       der Sentenz ‚Alles für Deutschland‘ im Rahmen einer Rede auf einer
       Versammlung“ als einen „strafbaren Ausspruch“ an – „da es sich hierbei um
       die Losung der SA handelte“.
       
       Ex-BGH-Richter Fischer sagt, Höcke halte sich selbst für eine historisch
       gebildete Person, entsprechend liege es nahe, dass er die Kennzeichen
       bewusst verwendet habe, was den Vorgang strafbar mache. „Aus
       Plausibilitätsgründen liegt es nahe, dass er die Losung vorsätzlich benutzt
       hat.“ Dennoch müsse man ihm dies nachweisen, wobei Höcke sich nicht einfach
       rausreden könne, indem er sage, die Parole nicht zu kennen.
       
       Aber es spricht noch mehr dafür, dass Höcke die SA-Losung kennen müsste:
       Bereits 2017 druckte der sächsische [7][AfD-Politiker Ulrich Oehme] im
       Bundeswahlkampf die SA-Losung „Alles für Deutschland“ auf Plakate. Nach
       einer Strafanzeige und medialer Berichterstattung überklebte er die
       Plakate.
       
       Das Strafverfahren gegen Oehme bei der Staatsanwaltschaft Chemnitz wurde
       dennoch im April 2018 eingestellt, nachdem dieser abstritt, gewusst zu
       haben, dass der Spruch eine SA-Losung sei, wie es nun auf Nachfrage der taz
       heißt. Dem Beschuldigten ist laut Staatsanwaltschaft nicht nachzuweisen
       gewesen, „dass er gewusst hatte, dass es sich bei der Losung ‚Alles für
       Deutschland‘ um die einer verbotenen NS-Organisation handelt, zumal es sich
       um keine allgemein bekannte Parole nationalsozialistischer Organisationen
       handelt und sich auch aus dem Wortlaut kein Bezug zum NS-Regime ergibt“,
       wie Oberstaatsanwältin Ingrid Burkhard der taz mitteilte.
       
       ## „Weder komplex noch schwierig“
       
       Mohamad El-Ghazi verweist mit Blick auf Höcke auch auf diesen Fall: „Ich
       halte es für sehr unwahrscheinlich, dass Herrn Höcke entgangen sein könnte,
       dass der AfD-Kandidat Ulrich Oehme 2017 mit derselben Losung der SA
       Wahlkampf in Sachsen gemacht hat. Hierüber gab es eine breite
       Medienberichterstattung.“ Mit Blick auf diesen „Präzedenzfall“ erwarte
       El-Ghazi, dass die Justiz eine mögliche Einlassung Höckes, die historische
       Dimension der von ihm verwendeten Losung nicht gekannt zu haben, als
       Schutzbehauptung zurückweisen werde. Hinzu komme, dass Höcke
       Geschichtslehrer sei.
       
       Zwar könnten sich strafrechtliche Ermittlungsverfahren manchmal über Jahre
       hinziehen, so El-Ghazi, das vorliegende Verfahren biete von außen
       betrachtet hierfür aber wenig Anlass. „Der strafrechtlich relevante
       Sachverhalt ist weder komplex noch ist die Rechtslage schwierig“, sagt
       El-Ghazi. Ebenso verwies er auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts
       Hamm, dass es sich bei der Losung „Alles für Deutschland“ um eine Parole
       der SA handele – „dieser Einordnung wird in der strafrechtlichen Literatur
       einhellig zugestimmt“.
       
       Die Verbreitung und öffentliche Verwendung dieser Losung sei genauso
       strafbewehrt wie die Verwendung des Hitlergrußes oder anderer bekannter
       Naziparolen, so El-Ghazi. Er hält es für möglich, dass die
       Staatsanwaltschaft „zu übervorsichtig“ ermittle.
       
       Strafbar ist das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und
       terroristischer Organisationen nach [8][Paragraf 86a] mit einer
       Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe. Auch
       Parolen können als Kennzeichen gelten. Höcke und die AfD Thüringen äußerten
       sich auf taz-Anfrage nicht.
       
       4 Jan 2023
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Hoecke-droht-Aufhebung-der-Immunitaet/!5813924
 (DIR) [2] https://www.welt.de/politik/deutschland/article206589067/AfD-Fluegel-Hoecke-spricht-vom-Ausschwitzen-seiner-Gegner.html
 (DIR) [3] /Bjoern-Hoeckes-Dresden-Rede/!5372797
 (DIR) [4] https://www.diss-duisburg.de/2016/11/zur-ns-rhetorik-des-afd-politikers-bjoern-hoecke/
 (DIR) [5] https://openjur.de/u/110702.html
 (DIR) [6] https://www.bundestag.de/resource/blob/869290/c8bd5f14ef172eb76e41484886611030/Das-strafbare-Verw-von-Kennzeichen-data.pdf
 (DIR) [7] https://www.zeit.de/politik/deutschland/2017-09/afd-kandidaten-bundestagswahl-abgeordnete?utm_referrer=https%3A%2F%2Fde.wikipedia.org%2F
 (DIR) [8] https://dejure.org/gesetze/StGB/86a.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gareth Joswig
       
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