# taz.de -- Anklage gegen Greensill-Vorstand: Die Bremer Bank ist rott
       
       > Vier Jahre nach der Pleite der Bremer Greensill-Bank klagt die Bremer
       > Staatsanwaltschaft die Verantwortlichen an. Ihnen drohen bis zu 10 Jahre
       > Haft.
       
 (IMG) Bild: Hat sich doll verkalkuliert, die Staatsanwaltschaft glaubt mit Absicht: Bremer Privatbank Greensill
       
       Die Pleite der Bremer Greensill-Bank von 2021 hat strafrechtliche Folgen:
       Viereinhalb Jahre nachdem die Finanzaufsicht der Bank jegliches Handeln
       verboten hat, hat nun die Bremer Staatsanwaltschaft entschieden, Anklage zu
       erheben. Angeklagt sind zwei ehemalige Vorstände und ein
       Aufsichtsratsmitglied wegen Bankrotts, also der wissentlichen Herbeiführung
       einer Insolvenz.
       
       Als im März 2021 bekannt wurde, dass die Bremer Greensill-Bank pleite ist,
       wusste kaum einer, worum es ging: Nie gehört, Greensill, nicht einmal in
       Bremen, wo die Bank trotz zentralem Standort an der Martinistraße, in
       Sichtweite von taz und Weser Kurier, kaum Aufmerksamkeit auf sich zog. Ein
       großer Player schien sie nicht zu sein – und doch hat die Bank einen
       Schaden über drei Milliarden Euro verursacht und [1][50 deutsche Kommunen
       um insgesamt 300 Millionen Euro gebracht].
       
       Um Anklage zu erheben, hat die Staastanwaltschaft Bremen viereinhalb Jahre
       lang ermittelt, zwischenzeitlich haben sich vier Mitarbeitende in Vollzeit
       mit dem Fall beschäftigt. „Wir haben natürlich Finanzexperten im Team“, so
       der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Frank Passade. Aber auch die müssten
       sich bestimmte Kenntnisse über Bankenrecht erst mal erwerben. Es sei, so
       Passade, die wohl größte Ermittlung zu Finanzverbrechen in Bremen, größer
       noch als der [2][Betrugsskandal rund um die Beluga-Reederei.]
       
       [3][Die vergleichsweise kleine Bank hatte sich ab spätestens 2019
       übernommen] – und dabei offenbar versucht, alle Schutzmechanismen
       auszuhebeln. In diesem Versuch sieht die Staatsanwaltschaft das „bewusst
       fehlerhafte Verhalten“, das es braucht, damit eine Pleite auch eine
       Straftat sein kann. Der strafrechtliche Vorwurf lautet Bankrott im
       besonders schweren Fall.
       
       ## Ein Großkredit wird kleingerechnet
       
       2,18 Milliarden Euro gingen 2019 an die indisch-britische Gupta Family
       Group, die mit dem Geld vier Stahlwerke kaufen wollte. Ein Kredit, der
       mehrere Nummern zu groß war für eine Bank wie die Greensill: An
       Eigenkapital hatte die Ende des Jahres nur rund 516 Millionen Euro
       vorzuweisen.
       
       Ein Kredit, der mehr als 10 Prozent des Kernkapitals einer Bank umfasst,
       ist als sogenannter Großkredit immer genehmigungspflichtig. Und: Ab 20
       Prozent des Kernkapitals darf es keine Genehmigung mehr geben. Die „Capital
       Requirements Regulation“, eine Verordnung der EU, wurde 2013 durchgebracht,
       auch als Reaktion auf die Finanzkrise.
       
       Der Bank sei diese Vorschrift selbstredend bekannt gewesen, sind die
       Ankäger sicher. Um keinen so großen Einzelkredit ausweisen zu müssen, habe
       sie den Kredit aufgeteilt – in 2.500 Einzelforderungen. Die richteten sich
       an zukünftige Kunden und damit Schuldner der Stahlwerke.
       
       „Sie haben auf diese Art einen Kredit gewährt, den man nie und nimmer hätte
       gewähren dürfen“, so Passade. Einfach verzockt habe sich die Bank nicht:
       Das Umgehen der Kontrollinstanz sei planvoll und bewusst abgelaufen. Es war
       also, so die Annahme, den Verantwortlichen bekannt, dass sie fehlerhaft
       handelten.
       
       ## Vorangegangen war rapides Wachstum
       
       Der Ankauf von Zahlungsansprüchen war kein neues Geschäftsmodell für
       Greensil: Schon seit der Übernahme der kleinen Bremer Bank durch den
       Australier Alexander „Lex“ Greensill 2014 übte sie sich darin. Greensill
       kaufte Unternehmen mit einem kleinen Abschlag noch offene Rechnungen ab und
       zog das Geld dann von den Schuldnern ein.
       
       Mit dieser sogenannten Lieferketten-Finanzierung legte die Bank ein
       erstaunliches Wachstum hin, vor allem seit 2017: Zwischen 2018 und 2019,
       das zeigen die Zahlen für das Jahr im Unternehmensregister, stieg die
       Bilanzsumme von 666 Millionen auf rund 3,8 Milliarden Euro an. Ein
       Wachstum, das misstrauisch machen könnte.
       
       Tatsächlich stand Greensill seit 2020 unter verschärfter [4][Aufsicht der
       Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin).] Anlass waren aber
       keine deutschen Bilanzen, sondern die Berichterstattung englischer Medien.
       Denn in Großbritannien, wo ein großer Teil des Geldes hinfloss, wurde das
       Misstrauen zuerst geweckt: Die Financial Times berichtete Anfang 2020 über
       Geschäftsbeziehungen zwischen Greensill-Eigentümer Lex Greensill mit der
       Guptas Family Group. Die britische Finanzaufsicht ermittelte da schon zur
       Rechtmäßigkeit von Greensill-Fonds eines Schweizer Vermögensverwalters.
       
       Die Bafin verschärfte daraufhin ihre Aufsicht über die Bank und begann mit
       eigenen Ermittlungen. Im März 2021 verhängte sie ein Moratorium gegen
       Greensill: Mit sofortiger Wirkung durfte die Bank keine Kredite mehr
       vergeben und keine Einlagen annehmen.
       
       Vor allem für 50 deutsche Kommunen kam das zu spät: Sie hatten
       überschüssige Haushaltsgelder bei Greensill angelegt, um Negativzinsen zu
       umgehen. Die Einlagen von privaten Anlegern waren damals durch den
       Einlagensicherungsfonds geschützt; doch für die Kommunen galt der Schutz
       nicht. Eine Warnung habe die Bundesagentur nicht herausgeben dürfen,
       verteidigt ein Bafin-Sprecher das Vorgehen. Schließlich gelte bis zum
       Beweis der Schuld die Unschuldsvermutung.
       
       Dass nun die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt, könnte zumindest für
       Nachahmer abschreckende Wirkung haben: Bis zu zehn Jahre Haft stehen auf
       Bankrott im besonders schweren Fall. Erst aber muss das Bremer Landgericht
       entscheiden, ob es die Anklage annimmt. Wenn, dann könnte es ab Ende 2026
       zum Verfahren kommen.
       
       28 Dec 2025
       
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