# taz.de -- Aufstieg und Fall eines Reeders: Flieg nicht zu hoch, mein kleiner Freund
       
       > Niels Stolberg wollte immer mehr sein als der gefeierte Unternehmer: Er
       > richtete Studiengänge ein und gründete Waisenhäuser. Eine Würdigung.
       
 (IMG) Bild: Unten: Niels Stolberg 2016 vor dem Bremer Landgericht.
       
       Hamburg taz | So sieht es aus, wenn ein Lebenswerk zu Bruch geht: Am 1.
       März 2011 bekommt der Bremer Reeder Niels Stolberg Besuch von Hermann T.
       Dambach, einem Hedgefonds-Manager. Der hat Rechtsanwälte und
       Sicherheitsleute im Schlepptau und er macht – so berichten es verschiedene
       Medien – dem Reeder die Hölle heiß. „Dambach hat geschrien mit einer Härte
       in der Stimme – ich kannte das nicht“, sagt Stolberg Radio Bremen.
       
       Der Sache nach hat Dambach durchaus Grund zu schreien. Denn Stolberg hat
       den von Dambach vertretenen Hedgefonds Oaktree gehörig über den Tisch
       gezogen, als dieser bei Stolbergs Beluga-Reederei einstieg. Das hat
       Stolberg vor dem Bremer Landgericht zugegeben – und dabei zugleich
       angedeutet, Oaktree müsste der Betrug aufgefallen sein. Stolberg –
       Unternehmer des Jahres 2006, „Mutmacher der Nation“, Mäzen und
       Menschenfreund – am Ende ein Opfer?
       
       Stolberg erzählt, er sei geschockt gewesen vom Auftritt der
       Hedgefonds-Mannschaft. Er habe den Kopf auf die Unterarme gelegt und
       gedacht: „Hoffentlich ist das gleich vorbei.“ Die Oaktree-Sicherheitsleute
       nehmen ihn in die Zange und eskortieren ihn durch die Tiefgarage aus seiner
       großzügigen Unternehmenszentrale mit Blick auf die Innenstadt. Die Vorwürfe
       gegen den Bauherrn lauten Bilanzfälschung, Kreditbetrug, Untreue. Die Firma
       ist weg, es droht ihm Gefängnis.
       
       Die Geschichte des sagenhaften Aufstiegs von Niels Stolberg beginnt Anfang
       der 1960er-Jahre in Brunsbüttel an der Elbmündung. Seine Mutter habe ihm
       mitgegeben: „Du sollst nicht nur ein erfolgreicher Mensch sein – du musst
       auch ein guter Mensch sein”, erzählt er der Oldenburger
       [1][Nordwestzeitung]. Er habe nie nur ein normaler Unternehmer sein wollen,
       „dem es nur um Profit geht”, sondern ein „sozialer Unternehmer“.
       
       In Brunsbüttel ist die Elbe schon ziemlich salzig. Große Schiffe ziehen
       vorbei auf dem Weg nach Hamburg oder hinaus aufs Meer. Stolberg lernt
       Segeln und später auch die große Fahrt: Er erwirbt das große Kapitänspatent
       und macht seinen Diplom-Wirtschaftsingenieur für Seeverkehr. Bis 1987 fährt
       er zur See, dann stellt er fest, „dass die Seefahrt von Land aus viel
       interessanter ist, weil die Entscheidungen an Land fallen“, wie er der
       Frankfurter Allgemeinen Zeitung sagte. Für eine Bremer Reederei baut er
       eine Abteilung auf, deren Aufgabe es ist, das passende Schiff zur Ladung zu
       finden.
       
       Mit dem Know-how macht er sich 1995 selbstständig und gründet die Beluga
       Shipping, aus der später seine Beluga Group werden wird. Den Namen wählt
       er, weil ihm das soziale Verhalten der Killerwale gefällt. Stolberg
       spezialisiert sich auf den Transport von Projektladungen und Schwergut:
       Transformatoren und Turbinen, aber auch Panzer und Haubitzen – eben alles,
       was nicht in Container passt. Denn um die prügeln sich schon andere.
       
       Beluga profitiert von der guten Schifffahrtskonjunktur der 90er und der
       Nullerjahre. 2006, nach gut zehn Jahren, fahren 28 Frachter im Auftrag von
       Beluga, 2011 sind es 72, von denen 22 Beluga gehören und der Rest dauerhaft
       gechartert ist. Beluga gründet Niederlassungen in Peking, Houston und
       Schanghai und nennt sich „Marktführer“. Im letzten Vorkrisenjahr 2008 macht
       die Gruppe 418 Millionen Euro Umsatz und einen operativen Gewinn von 68
       Millionen Euro.
       
       Mit dem vielen Geld kauft Stolberg nicht nur Schiffe, sondern er investiert
       es in allerlei Projekte: Er ist die treibende Kraft hinter dem Maritimen
       Campus Elsfleth, dem Ort in der Wesermarsch, wo er selbst seine nautische
       Ausbildung genossen hat. Heute werden hier Schiffsmechaniker und Belader
       ausgebildet; im Schwimmbecken lernt das Personal von Offshore-Windparks
       Rettungsinseln zu benutzen; und was an der Fachhochschule erforscht wird,
       kann von den ansässigen Unternehmen gleich in die Praxis umgesetzt werden.
       
       Stolberg gründet eine gymnasiale Oberstufe mit maritimer Ausrichtung, er
       sponsert das Bremer Museum Weserburg, aber auch die
       Bundesliga-Handballerinnen des VfL Oldenburg. Nach der Tsunami-Katastrophe
       in Südostasien gründet er 2005 in Thailand die Beluga School for Life, wo
       150 Waisen ein Zuhause und eine Ausbildung fanden.
       
       Geschäftlich zeigt sich Stolberg als für die konservative Branche
       ungewöhnlich kreativ. Anfang 2006 unterzeichnet er in Hamburg einen Vertrag
       mit Stephan Wrage von der Firma Sky Sails. Als erster Reeder lässt Stolberg
       ein Schiff mit einem Lenkdrachen über die Meere ziehen. Damals ist der
       Treibstoff teuer. Der Drachen verspricht, zehn bis 20 Prozent der Kosten zu
       sparen und die Schadstoff-Emissionen zu drücken. „Ich muss in der heutigen
       Zeit andere Wege gehen“, sagt Stolberg der taz.
       
       Das meinte er durchaus wörtlich: Als zweiter westlicher Reeder überhaupt
       lässt Stolberg seine Schiffe die Nordostpassage befahren. Der Klimawandel
       hatte den Seeweg an Russland vorbei nach China im Sommer eisfrei gemacht.
       
       „Entspannung“ findet Stolberg auf der Insel Spiekeroog. Er kauft ein gutes
       Dutzend Häuser, eröffnet einen Buchladen, baut ein Hotel und ein
       Künstlerhaus. Dort gibt es Ausstellungen, etwa des von ihm geschätzten
       Malers Emil Nolde, Kurse, Konzerte und Podiumsdiskussionen mit Prominenten
       wie Ulrich Wickert und Christine Westermann.
       
       Stolberg polarisierte die Insel. „Früher hat es keinen Geburtstag gegeben,
       bei dem Stolberg nicht Thema gewesen wäre“, erzählt Hartmut Brings vom
       Inselboten. Bei seinen Projekten habe Geld keine Rolle gespielt. Er habe
       einen Obst- und Gemüsestand eröffnet, obwohl es schon zwei Läden gab, und
       beim Dorffest die Musik einfach eine Stunde länger laufen lassen. „Sowas
       war ihm egal“, sagt Brings.
       
       2008 steht Stolberg auf dem Gipfel. Die Firma erwirtschaftet so viel wie
       nie zuvor. Im Februar darf er als „Zweiter Schaffer“ die 464. Bremer
       Schaffermahlzeit mit ausrichten, ein Festessen mit dem damaligen
       Generalinspekteur der Bundeswehr, Wolfgang Schneiderhan als Ehrengast.
       Stolberg ist gesellschaftlich angekommen. Doch am Horizont zeigen sich die
       ersten Gewitterwolken.
       
       Am 15. September geht die US-Bank Lehmann Brothers pleite. Das löst eine
       weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise aus, die auch die Schifffahrt,
       insbesondere den Containerverkehr, einbrechen ließ. Stolberg erklärt sich
       für nicht betroffen, weil er ja einen Nischenmarkt bediene. Doch hat er wie
       die anderen Reeder auch mit Blick auf ein vermeintlich immer währendes
       Wachstum reichlich neue Schiffe in Auftrag gegeben.
       
       Dann bricht der Gewinn ein. Er frisiert die Bilanz des Jahres 2009, um
       Oaktree zu einem Engagement zu bewegen. Stolberg braucht frisches Geld und
       verkauft im Sommer 2010 gut 37 Prozent seiner Anteile an den
       Finanzinvestor. „Ich habe den Teufel gerufen und der hat gezeigt, wie ein
       Teufel in der Umsetzung funktioniert“, sagt er zwei Jahre später, als er
       mit Reportern von [2][Radio Bremen] noch einmal die Dachterrasse seiner
       ehemaligen Firmenzentrale betritt.
       
       Die Pleite spült allerlei Skandalgeschichten frei: Im Krisenjahr 2009
       buchte Stolberg 500.000 Euro an Spendengeldern vom Konto der Beluga School
       for Life auf seine Reederei um. Stolberg soll mit dem BND
       zusammengearbeitet haben, was er gegenüber Radio Bremen mit einer gewissen
       Eitelkeit nicht dementiert. Unklar ist ob, Stolberg von den
       Waffentransporten auf einem Beluga-Schiff nach Afrika wusste.
       
       Seit ein paar Jahren nun bereitet er sich auf den Prozess vor. „Ich bereue
       alle Fehler, die ich gemacht habe“, sagt er 2013 der Bild. Für 1.800 Euro
       im Monat arbeite als er als Geschäftsführer und Berater – mittlerweile von
       zu Hause in Oldenburg aus. Das große Rad wolle er nicht mehr drehen, sagt
       er der Nordwestzeitung. Aber er hätte gern eine zweite Chance.
       
       Den ganzen taz.nord-Schwerpunkt zum Thema „Der Fall Stolberg“ lesen Sie in
       der taz.am Wochenende oder [3][hier].
       
       29 Jan 2016
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Gernot Knödler
       
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