# taz.de -- EuGH-Urteil zu Dänemark: Ist Kopenhagens Vorgehen gegen „Ghettos“ rechtswidrig?
> Ob das „Gesetz gegen Parallelgesellschaften“ Einwanderer diskriminiert,
> wird nicht eindeutig beantwortet. Jetzt muss wieder ein dänisches Gericht
> ran.
(IMG) Bild: Kebabladen in Kopenhagen: Das Vorgehen der Stadt gegen „Ghettos“ verstößt gegen EU-Recht
Das dänische Gesetz gegen Parallelgesellschaften könnte wegen
Diskriminierung von Einwanderern gegen EU-Recht verstoßen. Das legt der
Europäische Gerichtshof in Sitz in Luxemburg zwar nahe, überlässt die
abschließende Feststellung jedoch dänischen Gerichten.
In Dänemark gibt es schon seit 2010 das Ziel, sogenannte Ghettos mit hohem
Migrantenanteil und vielen sozialen Problemen zu reduzieren. 2018 wurde von
der damals konservativen Regierung das sogenannte Ghetto-Gesetz
beschlossen, das von den seit 2019 regierenden Sozialdemokraten zunächst
kritisiert, dann aber fortgeführt wurde.
Beim EuGH ging es nur um einen Teil des Gesetzes: um die Verpflichtung, in
Ghettos Entwicklungspläne aufzustellen, die das Ziel haben, den Anteil von
Sozialwohnungen im Gebiet auf weniger als 40 Prozent zu reduzieren. Dies
kann durch Abriss von Sozialwohnblocks geschehen oder durch den Verkauf der
Wohnungen an kommerzielle Wohnungsgesellschaften. Das Gesetz ist heute noch
in Kraft. Seit 2021 spricht man aber nicht mehr von Ghettos, sondern von
„Parallelgesellschaften“ und „Transformationsgebieten“.
## Viele Kündigungen
Als Parallelgesellschaft gilt ein Gebiet mit über 1.000 Bewohnern, wenn
mehr als 50 Prozent der Einwohner „Einwanderer aus nicht westlichen Staaten
und ihre Nachkommen“ sind. Außerdem müssen zwei von vier sozioökonomischen
Kriterien erfüllt sein: hohe Arbeitslosigkeit, hohe Kriminalität, geringe
Bildung oder geringes Einkommen. Im Jahr 2019 galten 28 Gebiete in Dänemark
offiziell als Ghetto.
Der Rechtsstreit entwickelte sich in zwei Gebieten in Kopenhagen und in der
Kleinstadt Slagelse. Nachdem die Gebiete fünf Jahre lang das Kriterium für
Ghettos erfüllt hatten, mussten Entwicklungspläne beschlossen werden, die
dazu führten, dass viele Mieter eine Kündigung erhielten. Die Bewohner
wehrten sich dagegen und zogen vor Gericht. Die Gerichte legten die Fälle
dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.
Der EuGH sollte entscheiden, ob hier [1][eine Diskriminerung von ethnischen
Gruppen] vorliegt, die nach der EU-Antidiskriminierungsrichtlinie verboten
ist. Das Verfahren ist hochpolitisch, denn EU-Kritiker witterten schnell,
dass hier ein EU-Gremium die migrationspolitischen Möglichkeiten der
EU-Nationalstaaten beschneiden könnte, und drohten vorab massive Empörung
an.
Entsprechend vorsichtig ging nun der EuGH vor. Er betonte zwar, dass die
„Diskriminierung wegen der Rasse“ eine „besonders abstoßende Form der
Diskriminierung“ darstelle. Letztlich entschied der EuGH aber nicht selbst,
ob das dänische Gesetz eine solche Diskriminierung darstellt, sondern
überließ dies den dänischen Gerichten, denen er aber recht eindeutige
Hinweise gab.
So spreche für eine ethnische Diskriminierung, dass nur in Gebieten mit
besonders hohem Anteil an Einwanderern Entwicklungspläne gemacht werden
müssen, nicht aber in anderen Gebieten, bei denen Arbeitslosigkeit und
Kriminalität höher, Bildung und Einkommen niedriger seien.
## Ausreichende Dänischkenntnisse
Zur Frage, ob hier eine gezielte Diskriminierung vorliegt, könne auch auf
die gesetzlichen Vorarbeiten Bezug genommen werden, so der EuGH. Und dort
wird ganz eindeutig davon gesprochen, dass „eine starke Konzentration von
Bürgern mit einer anderen ethnischen Herkunft“ eine „Bedrohung für den
gesellschaftlichen Zusammenhalt“ sei.
„Zu viele Einwanderer und Nachkommen von Einwanderern haben letztlich den
Anschluss an die Gesellschaft, von der sie umgeben sind, verpasst. Ihnen
fehlt es an einer Ausbildung, einer Beschäftigung und ausreichenden
Dänischkenntnissen“, hieß es zur Begründung des Ghetto-Gesetzes.
Auch die Beantwortung der Frage, ob eine Schlechterbehandlung, also eine
Diskriminierung, in den Ghetto-Gebieten vorliegt, überließ der EuGH den
dänischen Gerichten. Er wies aber darauf hin, dass der Beschluss eines
Entwicklungsplans zu einem „erhöhten Risiko“ führt, dass der Mietvertrag
gekündigt wird und es damit zu einem massiven Eingriff in das „Recht auf
Achtung der Wohnung“ kommen könne. (Az.: C-417/23)
18 Dec 2025
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## AUTOREN
(DIR) Christian Rath
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