# taz.de -- Rechtsextremer Wahlsieg in Chile: Der Pinochetismus ist zurück
> Der Wahlsieg José Antonio Kasts bedeutet die Wiederkehr des
> Rechtsextremismus in Chile. Linke tragen daran aber auch Verantwortung.
(IMG) Bild: Er ist wieder da, diesmal in der Form von Augusto Pinochet und verteidigt von José Kast, Nachfahre eines flüchtigen Nazis
In einem Wahlwerbespot für das Referendum über den Verbleib von Augusto
Pinochet trat 1988 ein junger Jurastudent auf und bekannte sich offen zum
Militärregime. Es war [1][José Antonio Kast], der kleine Bruder von
Pinochets Minister Miguel Kast, einer der berüchtigten Chicago Boys, die
den chilenischen Staat während der Diktatur nach den neoliberalen Lehren
der Chicagoer Schule umkrempelten. Mehr als drei Jahrzehnte später ist
derselbe Mann zum Präsidenten gewählt worden.
Zum ersten Mal seit dem Ende der Militärdiktatur, unter der Tausende
verfolgt, gefoltert und ermordet wurden, haben die Chilen*innen einen
Präsidenten gewählt, der die Pinochet-Diktatur nicht verurteilt, sondern
verherrlicht. Kast sagte während seines Präsidentschaftswahlkampfs 2017, er
glaube, dass [2][Pinochet], wäre er noch am Leben, „klar für ihn stimmen
würde“. Seine politische Karriere begann er in der ultrakonservativen
Partei UDI, gegründet von Jaime Guzmán, einem der zentralen Ideologen der
Diktatur und Architekten der bis heute gültigen Verfassung. Als sich die
Partei aus Kasts Sicht zu sehr mäßigte, gründete er seine eigene.
Die Zerschlagung der Zivilgesellschaft während der Diktatur hat eine
verunsicherte Gesellschaft hinterlassen, in der die Menschen einander nicht
vertrauen. Kriminalität und irreguläre Migration hat Kast gezielt zu
zentralen Wahlkampfthemen gemacht. In Zeiten ökonomischer Instabilität und
wachsender Unsicherheit verspricht er die Wiederherstellung einer
vermeintlich verlorenen Ordnung. Zugleich ist es der linken Regierung von
Gabriel Boric nicht gelungen, die materiellen Lebensbedingungen spürbar zu
verbessern. Diese Enttäuschung trug entscheidend zur Niederlage der linken
Kandidatin Jeannette Jara bei. Viele jener Menschen, die 2019 zu
Hunderttausenden gegen die soziale Ungleichheit protestierten, haben
diesmal Kast gewählt.
Zwar lehnt die chilenische Gesellschaft das autoritäre Erbe Pinochets
mehrheitlich ab. Doch Umfragen zufolge bewertet rund ein Drittel der
Bevölkerung den Diktator als positiv oder hält den [3][Militärputsch von
1973] für gerechtfertigt. Diese Menschen fühlen sich durch den Wahlsieg von
José Antonio Kast bestärkt. Bei den Feiern nach der Wahl wehten neben
Nationalflaggen auch Banner mit dem Gesicht Pinochets.
Sicherlich verehren nicht alle Chilen*innen, die Kast gewählt haben,
Pinochet. Doch seine breite Unterstützung zeigt, dass ein rechtsextremer
Kandidat in einer verunsicherten, unzufriedenen und fragmentierten
Gesellschaft mehrheitsfähig werden kann – wenn die Linke es nicht schafft,
die Menschen von einem politischen Projekt zu überzeugen. Kasts Wahlsieg
ist nicht nur ein Rechtsruck. Er bedeutet das Ende einer politischen Ära,
die mit der sozialen Revolte von 2019 begann.
15 Dec 2025
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