# taz.de -- „Held von Aschaffenburg“: Erst von Söder ausgezeichnet, dann des Landes verwiesen
> Ahmed Mohamed Odowaa half, den Messerattentäter von Aschaffenburg
> festzunehmen. Zum zweiten Mal stellt sich nun die Frage: Darf man Helden
> abschieben?
(IMG) Bild: „Die Behörden lügen“: Ahmed Mohamed Odowaa, der „Held von Aschaffenburg“
Der Fall des „Helden von Aschaffenburg“ macht die Diskussion um
Abschiebungen um ein paar spezielle, aber grundsätzliche Fragen reicher.
Gemeint ist Ahmed Mohamed Odowaa, der am 22. Januar zum leuchtenden Vorbild
in Sachen Zivilcourage wurde: Der 30-jährige Flüchtling aus Somalia war an
diesem Tag einer der Ersten, die am Tatort im Aschaffenburger Park Schöntal
waren. Dort hatte gerade ein 28-Jähriger [1][einen Anschlag auf eine
Kindergartengruppe] verübt.
Der Afghane war mit einem Messer auf die Gruppe losgegangen. Dabei tötete
er einen zweijährigen Jungen aus Marokko und einen 41-jährigen Deutschen,
der sich ihm in den Weg stellte. Ein weiteres Kind und zwei Erwachsene
wurden verletzt. [2][Der Täter] war offensichtlich psychisch krank, in
einem Sicherungsverfahren ordnete das Landgericht Aschaffenburg
mittlerweile seine dauerhafte Unterbringung in einer geschlossenen Anstalt
an.
Odowaa hatte den Fliehenden gemeinsam mit einem anderen Mann verfolgt.
Während der andere die Polizei per Handy lotste, blieb Odowaa dem Täter auf
den Fersen. An einer nahegelegenen Bahnstrecke schließlich konnte die
Polizei diesen auf den Gleisen festnehmen.
Von Markus Söder bekam Odowaa für sein engagiertes Eingreifen zunächst
einen Dankesbrief, etwas später auch noch die Christopherus-Medaille.
Vonseiten des bayerischen Innenministeriums hieß es, Odowaa habe „in
herausragender Weise Entschlossenheit und Mut bewiesen“ und „sich um
Aschaffenburg und Bayern verdient gemacht und ein Beispiel für Zivilcourage
gegeben, das Anerkennung und höchsten Respekt verdient“.
## „Chance nicht genutzt“
Als es dann hieß, [3][ausgerechnet Odowaa müsse das Land verlassen], könnte
gar abgeschoben werden, war die Empörung groß. Innerhalb weniger Tage
unterzeichneten zigtausende Menschen Petitionen, die forderten, der
Somalier müsse hierbleiben dürfen. Odowaa war über Italien eingereist, wo
er bereits registriert worden war. Laut Dublin-Abkommen ist daher auch
Italien für die Bearbeitung seines Asylantrags zuständig, die
Bundesrepublik kann ihn demnach dorthin abschieben.
Zunächst konnten die Wogen allerdings geglättet werden: Das
Innenministerium wies darauf hin, der Mann habe eine Duldung, er müsse also
zunächst nicht das Land verlassen – zumal er auch ein wichtiger Zeuge im
Verfahren gegen den Täter sei.
Nachdem das Verfahren gegen den Täter mittlerweile abgeschlossen ist, soll
Odowaa nun aber doch wieder das Land verlassen. Nicht in erster Linie, weil
er als Zeuge nicht mehr gebraucht werde, sondern vielmehr, weil er laut der
Regierung von Unterfranken „die ihm eröffnete Chance, aus eigener Kraft die
Voraussetzungen für ein dauerhaftes Bleiberecht zu schaffen und sich
insbesondere eine Arbeitsstelle zu suchen, nicht genutzt“ habe.
Eine genehmigte Beschäftigung habe er nicht angetreten und auch keinen
neuen Antrag auf Genehmigung einer Erwerbsfähigkeitgestellt, teilte die
Behörde mit. Ohne Arbeit aber gebe es keine dauerhafte Bleibeperspektive.
Es sei die wichtigste Voraussetzung für einen Aufenthaltstitel, dass jemand
seinen Lebensunterhalt selbst bestreite. Das Innenministerium unterstrich
diese Haltung ebenfalls: Odowaa zeige keine Bereitschaft zur
Arbeitsaufnahme und sei bis heute vollumfänglich auf Sozialleistungen
angewiesen.
## Keine Kulanz
Die Behörden führen noch einen anderen Punkt an, der sie offenbar davon
abhält, gegenüber Odowaa trotz seiner Zivilcourage in besonderem Maße
Kulanz walten zulassen: Der Somalier habe zuletzt ein zunehmend
problematisches Verhalten an den Tag gelegt. So sei er im Umgang mit
Mitarbeitern des Landratsamtes und seiner Unterkunft sehr aggressiv
geworden.
Einmal habe er nach einem Wutausbruch im Landratsamt, bei dem es zu „Gewalt
gegen Mobiliar“ gekommen sei, vom Sicherheitsdienst aus dem Gebäude
gebracht werden müssen. Er habe dort nun Hausverbot. Auch auf zwei Delikte,
wegen derer Odowaa jeweils zu einer Geldstrafe verurteilt worden war,
verweist das Innenministerium. Die Konsequenz heißt in den Augen der
Behörden also: zurück nach Italien.
Ist Deutschland also bald um einen Helden ärmer? Ist es – sieht man einmal
gänzlich von der Frage ab, was von der Sinnhaftigkeit und Effektivität des
Dublin-Abkommens im Speziellen und Abschiebungen im Allgemeinen zu halten
ist – moralisch vertretbar, jemanden, der sich solchermaßen des Landes
verdient gemacht hat wie Ahmed Mohamed Odowaa, eben dieses Landes zu
verweisen? Und lassen sich Zivilcourage und Gewalttätigkeit im Umgang mit
Möbelstücken gegeneinander aufrechnen?
Es sei doch ganz einfach, meint beispielsweise die Zeit: Heldentum eigne
sich nicht als Kriterium in der Migrationsdebatte. „Denn wo Wohlverhalten –
hier in seiner glänzendsten Form – zum Kriterium wird, geschieht Abwertung
ganz automatisch. Die einen, auch hier Geborene, müssen sich permanent und
zuletzt wieder verstärkt beweisen. Die anderen heben und senken den
Daumen.“ Migration teile sich nicht „in pflegeleicht oder irre, in
hochwillkommene Arbeitskräfte auf der einen oder Gefährder auf der anderen
Seite“.
## „Die Behörden wollen mich loswerden“
Odowaa selbst sieht sich zunächst einmal ungerechterweise kritisiert. Einem
Bericht des örtlichen Main-Echos zufolge streitet er ab, sich nicht um
einen Job bemüht zu haben. „Die Behörden lügen“, sagt er und gibt sich
überzeugt: „Sie suchen eine Ausrede, um mich loszuwerden.“
Die Regierung von Unterfranken will die Tür offenbar nicht gänzlich
schließen und empfahl Odowaa jetzt, das Land freiwillig Richtung Italien zu
verlassen. Auf diese Weise könne er einer Abschiebung entgehen und später
eventuell über ein Fachkräftevisum wieder nach Deutschland kommen, falls er
in Italien „eine entsprechende Qualifizierung“ erlangt habe.
11 Dec 2025
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(DIR) Dominik Baur
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