# taz.de -- Verdrängte Malerinnen des Nordens: Schmerzhaft wenig Malerinnen-Spuren
> Die Maler der Künstlerkolonie Ekensund bei Flensburg sind gut
> dokumentiert. Eine Schau des Museumsbergs würdigt nun die wenig
> beachteten Malerinnen.
(IMG) Bild: Von der Stadt aufs Land: In der sanfthügeligen Landschaft malte Emmy Gotzmann 1910 eine Frau mit urbanem Hut
Vermutlich ist der Schädel nicht echt, sondern lediglich eine Nachbildung.
Aus irgendeinem plastischen Material gefertigt, aus Ton vielleicht, so
überzeugend die leeren Augenhöhlen und die blanken Zahnreihen auf dem
Schwarzweißfoto zunächst wirken mögen. Auch stehen die Chancen 50 zu 50,
dass es sich um den Schädel eines Mannes handelt. Aber da ist dieser leicht
spöttische Blick einer der jungen, namenlosen Frauen auf einem Flur der
[1][Künstlerkolonie Dachau] bei München, irgendwann im Jahre 1902; mehr
noch ist es die Art, wie sie den Schädel hält: Achtlos liegt er in ihrem
Schoß. Vielleicht rutscht er ihr gleich aus der Hand, kullert über den
Boden und kann schauen, wo er bleibt.
Eine der jungen Frauen, die der Szenerie zuschaut, stehend, zurückhaltend,
ist Marie Schlaikier. Es ist eine der wenigen Fotografien, die es von ihr
gibt. Marie Schlaikier ist ein „[2][Malweib]“, wie man damals abschätzig
sagte, als junge, an der Bildenden Kunst interessierte Frauen nur in
„Damenklassen“ unterrichtet wurden, wenn überhaupt; und wenn, dann eher an
Kunstgewerbeschulen als an Kunstakademien.
Marie Schlaikier wird ein Jahr später [3][Anton Nissen] heiraten, einen der
malenden Protagonisten der Künstlerkolonie Ekensund auf der Nordseite der
Flensburger Förde. Ab 1875 ist dies ein Hort der Freiluftmalerei, auf dass
sich die Landschaft, der Himmel und all das Licht in seinen Jahres- und
Tageszeiten auf bisher ungesehene Weise malend neu öffnen und den Menschen
zeigen mögen. „Es gab in unserem Haus so viele Ausstellungen zu den Männern
von Ekensund, nun möchte ich die Frauenseite beleuchten“, sagt denn auch
Madeleine Städtler, seit 2022 Kustodin und stellvertretende Leiterin des
[4][Flensburger Museumsbergs].
## Sechs Lebensläufe von Malerinnen
„Unterschätzt! Die starken Frauen der Künstlerkolonie Ekensund“, unter
diesem Titel zeigt das Flensburger Haus nun sechs Lebensläufe von
Malerinnen, die auf unterschiedliche Weise mit der Künstlerkolonie
verbunden sind. Wobei sie eines eint: Es ist schmerzhaft wenig von ihrem
Schaffen erhalten.
Neben Marie Nissen bietet die Ausstellung vor allem einen Blick auf das
Wirken von [5][Emmy Gotzmann], die erst zu entdecken ist. Gotzmann,
Jahrgang 1881, kam von Chemnitz aus zunächst nach Berlin, wurde dort von
Malern der Berliner Secession unterrichtet. Und gehörte ab 1903 zur
Ekensunder Mal-Gemeinschaft, fest entschlossen, Berufsmalerin zu werden.
Mit Erfolg: Ihre Debütausstellung 1908 auf dem Flensburger Museumsberg
füllt drei Säle mit knapp 90 Gemälden; als 1909 quasi in der Nachbarschaft
die Kieler Kunsthalle eröffnet, ist Gotzmann auch dort mit mehreren Werken
vertreten.
Später – ihr zweiter Mann, ein Rezitator, lebt in Berlin – taucht sie in
die dortige Kunstszene ein, wird führend im Verein Bildender Künstlerinnen,
neben Lotte Laserstein und Käthe Kollwitz. Und doch sind Gotzmanns Werke
kaum in öffentlichen Sammlungen vertreten: Der Museumsberg hat ein einziges
Gotzmann-Bild, eine Förde-Ansicht, in seinem sonst so umfassenden
Ekensund-Bestand. Was bewahrt wurde, befindet sich weitgehend im Besitz der
Familie im fernen Hessen: Sie nahm Gotzmanns beindruckend-kraftvolle
Landschaftsbilder wie Porträts von den Wänden, öffnete private Fotoalben
sowie Skizzenbücher und lieh dem Museumsberg gut 20 Exponate, die diesem
Kapitel der Ausstellung eine solide Grundierung geben.
## Sie wurden nicht gesamelt
Apropos malen und dann (nicht) gesammelt werden: Sophie Eckener,
ausgebildet in der Porträt- und Landschaftsmalerei, die ihrem Mann, den
Maler und Radierer Alex Eckener, nach Ekensund folgte und ihn um 30 Jahre
überlebte, hielt zeitlebens Kontakt zum Museumsberg: „Sie hat immer wieder
dem Museum geschrieben, wo es überall noch Informationen zu ihrem Mann
gäbe, aber ich habe keinen Hinweis gefunden, dass sie dem Museum mal eines
ihrer Werke angeboten hat“, sagt Kustodin Städtler. Selbst als Eckener eine
Einzelausstellung hat, erwähnt sie das in nur einem Satz – um danach
weitere Werke ihres Mannes für die nächste Ekensund-Ausstellung anzubieten.
Doch es gibt auch verschlungenenere Wege. Zum Beispiel den von Elsa Nöbbe,
die biografisch gesehen noch einmal anders zur Kunst findet: Sie ist die
jüngste Tochter des damals arrivierten Malers Jakob Nöbbe (1850–1919),
einer der Ekensunder Protagonisten, auch Privatlehrer des jungen Emil
Nolde. So wächst sie in die Künstlerkolonie hinein, steht immer wieder
Modell für den Vater. Malt, zeichnet in jungen Jahren, erprobt
Holzschnitte.
Sie webt und schneidert, verspricht ihrem Vater aber auf dessen Sterbebett,
dass sie es mit der Kunst richtig ernst nehmen werde. 1952, sie ist 60
Jahre alt, ist es so weit: Sie siedelt auf die Insel Fanø, ihr Haus und
Atelier werden Zentrum der süddänischen Kunstszene. Und sie malt mit
Rückgriff auf die Ekensunder Jahre noch einmal die Räume, in denen sie
einst ihr Vater drapierte, nur diesmal personenleer.
Unterschätzt! Starke Frauen der Künstlerkolonie Ekensund. Bis 8. März 2026,
Museumsberg Flensburg
19 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Dachauer_K%C3%BCnstlerkolonie
(DIR) [2] /Emanzipation-vor-100-Jahren/!5605564
(DIR) [3] https://kuenstlerkolonie-gothmund.de/kuenstlerkolonie/19-jahrhundert/anton-nissen/
(DIR) [4] https://www.museumsberg-flensburg.de/de/museumsberg.html
(DIR) [5] https://www.vdbk1867.de/enzyklopaedie/gotzmann-emmy/
## AUTOREN
(DIR) Frank Keil
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