# taz.de -- Rente: Die einen leben länger und die anderen eben nicht
> Nach der Entscheidung zur Rente steht eine Reform des Eintrittsalters im
> Raum. Dabei gibt es handfeste Gründe für unterschiedliche
> Lebenserwartungen.
(IMG) Bild: Das Ziel im Blick: Wer fit ist und lange lebt, hat mehr von der Rente
Zur Rettung des Rentensystems wird dieser Tage auch wieder über einen
[1][späteren Renteneintritt] diskutiert. Weil durchaus allen klar zu sein
scheint, dass das pauschal kaum möglich ist – schließlich schafft es ein
Teil der Menschen schon jetzt nicht bis zur Rente mit 67 – müsste der
Rentenbeginn gekoppelt sein – an die Lebensarbeitszeit und Beitragsjahre,
die Schwere des Berufs, die Lebenserwartung im Allgemeinen.
[2][Solche Ideen stehen jedenfalls im Raum]. Dass ganze Gruppen von
Menschen in Deutschland nicht nur weniger Jahre arbeiten, sondern vor allem
deutlich länger leben als andere, scheint dabei zu den Grundkoordinaten des
Systems zu gehören. Tatsächlich sind aber die erheblichen Unterschiede in
der Lebenserwartung ein Symptom für einen sozialen Missstand in unserer
Gesellschaft.
Die Lebenswartung in Deutschland steigt zwar, aber sie [3][liegt unter dem
europäischen Durchschnitt] – und das trotz Spitzenplatz bei den
Gesundheitskosten. Die vergleichsweise niedrige Lebenserwartung kommt auch
durch eine massive Ungleichverteilung von Gesundheit zustande. Manche Leute
rauchen mehr, trinken mehr Alkohol, ernähren sich schlechter, haben
Übergewicht, mehr Stress. In einer freiheitlichen Gesellschaft hat man die
Wahl, wie man sein Leben gestaltet. Genau das lässt sich aber nur in einer
Gesellschaft sagen, in der die Menschen vergleichbare Chancen auf eine für
sie positive Lebensgestaltung und damit auf Gesundheit haben. Das ist
Freiheit.
Menschen, die von Geburt an über weniger Ressourcen verfügen, haben diese
Freiheit nur, wenn die Gesellschaft es schafft, diesen Mangel durch
Bildungs-, Sozial- und Gesundheitspolitik auszugleichen. Denn wie gesund
eine*r in Deutschland ist, das hängt neben kaum beeinflussbarer Genetik
und individuellen Lebensereignissen vor allem an Bildungschancen,
belastenden Arbeits-, Umwelt- und Wohnfaktoren, finanziellem Stress sowie
der Zugänglichkeit und Qualität von Gesundheitsversorgung ab. Und diese
Faktoren sind ebenfalls sehr ungleich verteilt.
In der vergangenen Woche haben der AOK Bundesverband und das Deutsche
Krebsforschungszentrum [4][einen neuen Public Health Index vorgestellt].
Darin verglichen sie die Präventionspolitik in 19 europäischen Ländern in
den Bereichen Alkohol, Tabak, Ernährung und Bewegung. Deutschland lag fast
überall auf den letzten Plätzen.
Wenn man also feststellt, dass ganze Gruppen von Menschen in dieser
Gesellschaft mit 67 oder sogar schon mit 60 Jahren so kaputt sind, dass sie
im Gegensatz zu anderen keinesfalls noch länger arbeiten können, dann ist
eine Unterscheidung beim Renteneintrittsalter nur ein sehr müder Versuch,
einer Ungleichverteilung von Gesundheit gerecht zu werden. Wenn man
zugleich feststellt, dass der Staat bislang entschieden zu wenig dagegen
unternimmt, dann kann der richtige Schluss nur eine umfassende Strategie
zur Förderung der öffentlichen Gesundheit sein.
12 Dec 2025
## LINKS
(DIR) [1] /Debatte-um-Rente-mit-70/!5898702
(DIR) [2] /Debatte-um-die-Rente/!6135438
(DIR) [3] /Rueckgang-der-Lebenserwartung/!6012256
(DIR) [4] /Studie-zu-gesundem-Leben/!6135272
## AUTOREN
(DIR) Manuela Heim
## TAGS
(DIR) Rente
(DIR) Reform
(DIR) Gesundheit
(DIR) Ungleichheit
(DIR) Altern
(DIR) GNS
(DIR) Reden wir darüber
(DIR) Rente
(DIR) Geringverdiener
## ARTIKEL ZUM THEMA
(DIR) Debatte über Rentenreform: Wer später anfängt, soll später aufhören
Soll das Renteneintrittsalter künftig stärker an die Beitragsjahre
gekoppelt werden? Bärbel Bas lobt die Idee, die Union zeigt sich
gesprächsbereit.
(DIR) Debatte um Rente mit 70: Verdienen statt malochen
Das liberale Modell, über die Rente hinaus weiterzuarbeiten, ist besser als
die diskutierte Rente mit 70. Die Regierung muss hier standhaft bleiben.