# taz.de -- Entscheidung auf dem Bundesparteitag: Grüne sagen Nein zu Globuli und Co.
       
       > Nach jahrelangem Streit beschließen die Grünen: Krankenkassen sollen
       > nicht mehr für Homoöpathie zahlen. Das könnte zum Problem für Cem Özdemir
       > werden.
       
 (IMG) Bild: Keine Mehrheit für die homöopathische Dosis: der Bundesparteitag der Grünen in Hannover am Freitagabend
       
       Darauf erst mal einen Schluck Bachblütentropfen: Die Grünen sprechen sich
       ab sofort dagegen aus, dass die gesetzlichen Krankenkassen homöopathische
       Behandlungen und Präparate bezahlen. „Die Solidargemeinschaft soll nicht
       für Therapien aufkommen, deren Wirksamkeit über den Placeboeffekt hinaus
       wissenschaftlich nicht belegt ist“, heißt es in einem Antrag des
       Kreisverbands Berlin Tempelhof/Schöneberg, der auf dem Bundesparteitag am
       späten Freitagabend mit deutlicher Mehrheit angenommen wurde – nachdem der
       Fernsehsender Phoenix die Live-Übertragung bereits eingestellt hatte.
       
       Überraschend ist damit ein Streit entschieden, [1][der die Grünen über
       Jahre beschäftigt hat.] Und das gegen den Willen der Parteispitze: Sie
       wollte das Thema beim Parteitag am Freitag in Hannover nicht auf die
       Tagesordnung setzen. Einen eigenen Antrag hatte der Bundesvorstand nicht
       eingebracht. Die Parteimitglieder durften vorab aber sechs Anträge der
       Basis bestimmen, die neben denen des Vorstands behandelt werden. Der zur
       Homöopathie landete auf dem zweiten Platz.
       
       Als nächstes versuchte der Bundesvorstand mit einem weitreichenden
       Änderungsantrag, eine klare Positionierung zu verhindern. Er wollte es den
       Krankenkassen nicht kategorisch untersagen, homöopathische Mittel zu
       erstatten. Stattdessen sollten die Delegierten einen Kompromiss bestätigen,
       [2][den der damalige Parteichef Robert Habeck schon 2020 vorgelegt hatte:]
       Erstattung ja, aber nur innerhalb spezieller Wahltarife für Versicherte,
       die es so haben wollen.
       
       Für diesen Antrag warb in Hannover die Bundesschatzmeisterin und frühere
       Frankfurter Gesundheitsdezernentin Manuela Rottmann. Die Krankenkassen
       gäben jährlich 350 Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung aus, die
       Kosten für die Homöopathie lägen bei 25 Millionen Euro. „Ich weiß nicht, ob
       es das wert ist, die Diskussion noch mal anzufangen“, sagte sie.
       
       Das Argument der vergleichsweise geringen Ausgaben wollten die
       Antragsteller:innen aus Berlin aber nicht gelten lassen. Wirksames wie
       Verhütungsmittel oder Brillen würden schließlich nicht von den
       Krankenkassen bezahlt, kritisierte Nina Freund vom Kreisverband
       Tempelhof/Schöneberg. Der Kompromissantrag des Bundesvorstands sei nicht
       akzeptabel, weil er auch mehr Forschungsgelder für Homöopathie fordere. Es
       gehe aber um „Wissenschaft statt Wünschelrute“, sagte sie.
       
       Auch die Leipziger Ärztin und Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta sprach
       sich deutlich gegen die Kostenübernahme aus. Der bisherige Parteikompromiss
       halte nicht, sagte sie. Entscheidend sei das Verhältnis zur Wissenschaft
       und zur Sozialversicherung: In Zeiten knapper Kassen müsse klar begründet
       werden, was bezahlt werde – „nämlich nur, was nachweislich wirkt.“
       
       „Seit 2019 führen wir diese Debatte und heute Abend können wir endlich
       abschließen“, sagte Piechotta dann unter großem Applaus. Sie selbst habe
       entsprechende Anträge auf Parteitagen in der Vergangenheit „verdammt oft
       wegverhandelt“ und zuletzt im Januar an einer Vertagung mitgewirkt. Das
       Thema sollte den Bundestagswahlkampf der Grünen nicht belasten.
       
       Zu den Gegner:innen des Antrags gegen die Kostenerstattung gehört Yatin
       Shah, Kreisrat aus Rhön-Grabfeld und ebenfalls Arzt. „Es werden rote Linien
       definiert, die es so überhaupt nicht gibt“, sagte er zum Vorwurf der
       fehlenden Nachweisbarkeit. Es gäbe Meta-Analysen zur Wirksamkeit der
       Homöopathie. Die Ablehnung der Kostenübernahme sei ein „verheerendes Signal
       nach draußen“. Wissenschaft und Homöopathie gingen „wunderbar zusammen“.
       „Warum wollen wir das ändern?“, fragte er.
       
       Die deutliche Mehrheit der Delegierten sah es am Ende anders, lehnte erst
       den Kompromissvorschlag des Vorstands ab und nahm dann den Antrag aus
       Tempelhof/Schöneberg an.
       
       In der grünen Wählerschaft mit vielen Homöopathie-Anhänger:innen könnte der
       Beschluss für Enttäuschung sorgen. Besonders brisant ist sie für Cem
       Özdemir und die Grünen in Baden-Württemberg, [3][die in den kommenden
       Monaten ihren Landtagswahlkampf bestreiten:] Ihr Bundesland ist eine
       Hochburg der Homöopathie.
       
       29 Nov 2025
       
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