# taz.de -- Verstoß gegen Tierschutzgesetz: Verdächtige für Robbentötung im Visier
       
       > Vor einem Jahr starben 40 Kegelrobben vor Rügen. Nun wurden
       > Tatverdächtige ermittelt. Ihnen drohen Geld- und sogar Haftstrafen.
       
 (IMG) Bild: Robben werden oft für schwindende Fänge und wirtschaftliche Schäden verantwortlich gemacht und dämonisiert – zu Unrecht
       
       Es klingt nach einer neuen Folge der Krimi-Reihe „Stralsund“ – allerdings
       in einer ziemlich übergeigten Hardcore-Version mit Überlänge: Mehr als 40
       Tote werden in nur rund vier Wochen im Greifswalder Bodden an der
       Südostküste der Insel Rügen aufgefunden. Die Ermittelnden sind ratlos.
       Trotz intensiver Untersuchungen kann keine gesicherte Ursache
       diagnostiziert werden, aber alle Opfer sind zweifelsfrei keines natürlichen
       Todes gestorben. Ihr Allgemeinzustand war blendend, gemeinsames Merkmal:
       „gut genährt“. Wer ist der Serienkiller, der die Moppelchen auf dem
       Gewissen hat? Und wie hat er es gemacht?
       
       Ziemlich genau ein Jahr danach hat die Staatsanwaltschaft diese Woche zwei
       Verdächtige im Visier. Es ist vom „Anfangsverdacht einer vorsätzlichen
       Tötung“ die Rede. Die Motivlage ist noch unklar. Denkbar wären Gier,
       Eifersucht oder auch Hassverbrechen.
       
       Tatsächlich hat dieser Krimiplot sich so ereignet, nur dass die Opfer
       [1][Kegelrobben] waren. Experten des Deutschen Meeresmuseums in Stralsund
       vermuteten, dass die Tiere ertrunken sind. Nun ertrinken Robben natürlich
       nicht einfach so, weshalb der Verdacht nahelag, sie hätten sich [2][in
       Netzen oder Reusen verfangen].
       
       Mecklenburg-Vorpommerns Umwelt- und Fischereiminister Till Backhaus (SPD)
       hatte deshalb schon Ende letzten Jahres als Sofortmaßnahme verfügt, dass
       alle größeren Fischreusen mit speziellen Robbenschutzvorrichtungen versehen
       werden müssen, auch wenn ein Zusammenhang mit dem Tod der Tiere nicht
       bewiesen werden konnte und von Vertretern der Fischereiwirtschaft auch
       zurückgewiesen wurde.
       
       Dass nun aber gegen zwei Verdächtige mit dem Verdacht der vorsätzlichen
       Tötung ermittelt wird, wirft ein anderes Licht auf den Fall.
       
       ## Das größte Raubtier Deutschlands
       
       Die Kegelrobbe ist mit einem Gewicht von bis zu 350 Kilo und einer Länge
       von bis zu 2,60 Metern das größte Raubtier Deutschlands. Ihren Namen
       verdankt sie der vage kegelförmigen, langgezogenen Kopfform, die auch das
       deutlichste Unterscheidungsmerkmal zum gemütlicheren und kleineren Seehund
       ist. Die Kegelrobbe ist gerade erst wieder zurückgekehrt in ihre
       angestammten Gewässer in der deutschen Ostsee, denn vor etwa hundert Jahren
       ist sie dort weitgehend ausgerottet worden.
       
       Was die einen als großen Erfolg für den Naturschutz feiern, ist den anderen
       ein Dorn im Auge. Denn die großen Robben konkurrieren mit dem Menschen um
       den ohnehin knapp gewordenen Fisch in der Ostsee. Im Schnitt zehn Kilo
       davon verputzen sie durchschnittlich pro Tag.
       
       Wie bei Wolf oder Kormoran werden die Robben deshalb oft für schwindende
       Fänge und wirtschaftliche Schäden verantwortlich gemacht und dämonisiert,
       und wer sich für ihren Schutz einsetzt, gleich mit. Dabei sind die
       zumindest unter Wasser ausgesprochen eleganten Jäger selbstverständlich
       unschuldig am weitgehend verschwundenen Fischbestand. Wer allerdings auf
       dessen tatsächliche Ursachen hinweist – Umweltverschmutzung,
       Lebensraumzerstörung, [3][Überfischung] –, macht sich bei den
       Kegelrobbenhassern schnell ähnlich unbeliebt wie die Robben selbst.
       
       Bei der klassischen Krimi-Frage also, wer denn ein Motiv gehabt haben
       könnte, muss man leider festhalten: viel zu viele. Höchste Zeit also, dass
       die Kegelrobbenskeptiker ihre unsachliche Rhetorik herunterfahren, um nicht
       weitere Verbrechen zu provozieren. Sollte im aktuellen Fall Anklage erhoben
       werden, drohen den Tätern wegen Verstoßes gegen Tier- und
       Artenschutzgesetze hohe Geld- und sogar Haftstrafen.
       
       27 Nov 2025
       
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