# taz.de -- Queeres Metalfestival in Wien: Bangen, bis der Arzt kommt
       
       > Für Elfen gibt es Spieltische. Am Wochenende fand das queere
       > Metalfestival „Loud and Proud“ erstmals im Wiener Club Flucc statt. Mit
       > vollem Erfolg.
       
 (IMG) Bild: Live auf der Bühne: Takiaya Reed von der Band Divide & Dissolve in Kopenhagen, Dänemark, am 7. Mai 2022
       
       Im Musikvideo zu ihrem Song „Resistance“ besprühen die beiden Mitglieder
       des australischen Doom-Metal-Duos Divide & Dissolve Denkmäler von
       prominenten Figuren der britischen Kolonialzeit mit Urin. Am vergangenen
       Wochenende sind Divide & Dissolve Headliner des Festivals „Loud and Proud“,
       das zum ersten Mal überhaupt in Wien stattfindet.
       
       Organisiert vom Kollektiv „Heavy Lezzers“, legt die zweitägige
       Veranstaltung im Club Flucc ihren Fokus auf Vielfalt: Eingeladen sind vor
       allem jene, die sich im Metalgenre als Zuschauer:Innen bislang noch
       nicht zu Hause gefühlt haben. Auf der Bühne stehen queere Metalbands mit
       ungewöhnlicher Besetzung und unkonventionellen Perspektiven im Mittelpunkt.
       
       Divide & Dissolve etwa thematisieren immer wieder [1][die zum Teil
       unaufgearbeitete Kolonialgeschichte]. „Das gibt es im Mainstream-Metal fast
       gar nicht“, sagt Corinna, Teil des Veranstaltungsteams. Sie gründete das
       Kollektiv „Heavy Lezzers“ im Jahr 2017, um mehr Berührungspunkten zwischen
       der queeren Community und der Metalszene zu schaffen: [2][„Es gibt schon
       genug Heavy Metal, der von Cis-Männern dominiert ist.“]
       
       ## Wunsch nach Eskapismus
       
       Dabei gibt es zwischen queerer Szene und Heavy-Metal-Künstler:Innen
       zahlreiche Überschneidungen: politische Haltung, lautes Auftreten, der
       Wunsch nach Eskapismus und ein Ausdruck von individueller Identität. Bei
       der Auswahl der Bands für das Festival war Corinna besonders wichtig, dass
       die Eingeladenen ihre Plattform nutzen: [3][Heavy Metal als Genre habe
       „extrem viel Potenzial, um zu empowern“, erklärt die junge Frau.]
       
       Und nennt klassische Songs wie „Never Surrender“ von Saxon und „Breaking
       the Law“ von Judas Priest, die viele kennen. Trotzdem werde Heavy Metal oft
       einseitig als düster, pessimistisch und sogar gefährlich wahrgenommen.
       Klar, in Teilen der Hard- und Heavy-Szene gibt es leider Fans, die die
       Musik als Vehikel für homophobes, antisemitisches und rechtsextremes
       Gedankengut nutzen, beim Festival „Loud and Proud“ gibt es das hingegen
       nicht.
       
       Es hat deshalb bewusst Bands eingeladen, die sich gegen totalitäre
       Weltanschauungen positionieren. Alle auftretenden Künstler:Innen stellen
       zwar Härte dar, tun dies aber abseits hegemonialer Strukturen. Wie das
       wirkt? In Wien lebt das etwa die Bassistin der norwegischen Band Witch Club
       Satan vor: Sie war bis vor Kurzem hochschwanger, hat Zwillinge zur Welt
       gebracht und tourt und headbangt bereits wieder auf der Bühne. „So stelle
       ich mir hart und heavy vor“, sagt Corinna.
       
       ## Ein Leuchtfeuer befreiter Identität
       
       Erklimmt man die Stufen von der Bühne in den ersten Stock des Clubs, taucht
       man in eine Dragszenerie ein. Crossdressing gibt es in der Metal-Community
       seit jeher. Ob Dragshow oder Metalkonzert: Inszenierung und Styling stehen
       bei beiden im Vordergrund. Egal, ob ein „Wizard“ oder „Dragon“ aus einem
       Heavy-Metal-Songtext oder eben ein Leuchtfeuer befreiter Gender-Identität.
       
       „Man kann einfach alles sein“, erklärt Susie Flowers, Gründerin des Wiener
       „Hauses of Rausch“. Das queere Kollektiv zeichnet für die Dragshows am
       „Loud and Proud“-Festival verantwortlich. Seine Zusammenstellung der
       Performances sei ein Best-off der Wiener Dragszene: „Und die kann sich echt
       sehen lassen“, heißt es.
       
       Apropos Zauberer und Mystik: Zusätzlich zu Konzerten und Dragshows wird in
       einer eigenen Game-Area auch das Rollenspiel „Dungeons & Dragons“ gespielt.
       Fantasy-Fans schlüpfen in die Rollen von Elfen, Halb-Orks und Zwergen.
       Neben den Spieltischen laden Rückzugsorte zum Plausch ein.
       
       ## Entertainment und Erbauung
       
       Unterhaltung und Erbauung, beim Festival „Loud and Proud“ findet alles
       gleichzeitig statt, nach dem Vorbild des „Muskelrock“-Festivals in
       Schweden. Die „Heavy Lezzers“ vernetzen nun auch in Wien Angehörige der
       Queer-Community mit geistesverwandten Freaks und Metalfans aller
       Jackengruppen und Generationen.
       
       Der Wunsch nach so einem visionären Ort spiegelt sich auch in der
       Nachfrage. Kurz vor Beginn des Festivals ist es bereits restlos
       ausverkauft, die Veranstalterinnen bekommen zahlreiche weitere Anfragen für
       Tickets. Kein Wunder: Das internationale Line-up ist mit Expertise
       zusammengestellt, die Stimmung dementsprechend ausgelassen. Die
       Veranstalterinnen erklären voller Stolz: „Wir sind es allen, die auf dieses
       Festival gewartet haben, schuldig.“
       
       25 Nov 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Band-aus-Kenia-darf-nicht-einreisen/!6118241
 (DIR) [2] /Roadburn-in-Niederlanden/!6007990
 (DIR) [3] /Subkultur-Heavy-Metal/!6102565
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Helene Slancar
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Heavy Metal
 (DIR) Festival
 (DIR) Wien
 (DIR) Schwerpunkt LGBTQIA
 (DIR) GNS
 (DIR) Musik
 (DIR) Musik
 (DIR) Festival
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Band aus Kenia darf nicht einreisen: Unter Generalverdacht
       
       Die Blackmetalband Chovu aus Kenia musste ihre Europatour absagen, weil die
       Deutsche Botschaft ihre Visaanträge ablehnte. Die Kulturszene kennt das
       Problem.
       
 (DIR) Subkultur Heavy Metal: Autoritäten die Köpfe abbeißen
       
       Wie hart bangt Metal im Globalen Süden? Beeindruckende Beispiele aus
       Indonesien, Brasilien, Togo und Kuba beweisen das subversive Potenzial des
       Genres.
       
 (DIR) „Roadburn“ in Niederlanden: Das etwas andere Metal-Festival
       
       Viele verbinden Metal mit grölenden Männergruppen. Das „Roadburn Festival“
       im holländischen Tilburg zeigt, dass es auch anders geht.