# taz.de -- Nachruf auf Schauspieler Udo Kier: Hier lacht der Bösewicht über sich selbst
       
       > Udo Kier war einer der lässigsten deutschen Schauspieler, die zum
       > Hollywoodstar wurden. Neben Fieslingen konnte er auch andere Typen
       > spielen. Ein Nachruf.
       
 (IMG) Bild: Udo Kier in Andy Warhols „Dracula“, 1974
       
       Eine Frau im Krankenhaus. Sie schreit vor Schmerzen. Dann gebiert sie ein
       Baby. Heraus kommt aber kein gewöhnlicher Säugling, denn er hat das Gesicht
       von Udo Kier. In fragendem Ton sagt dieser immer wieder „Mor“ (Mutter). Der
       Schauspieler Udo Kier hatte in dieser Szene der TV-Serie „Hospital der
       Geister“ (1994) des dänischen Regisseurs Lars von Trier das seltene
       Privileg, seine eigene Geburt zu spielen, in der Rolle des „kleinen
       Bruders“. Es ist eine der seltsamsten Figuren, die der 1944 in Köln als Udo
       Kierspe geborene spätere Hollywoodstar spielen durfte.
       
       Zu Beginn seiner Karriere hatte sein flächig glattes Gesicht mit den
       blasskalt blaugrünen Augen ihn wie die deutsche Antwort auf Alain Delon
       wirken lassen. Recht bald schon wurden Regisseure außerhalb Deutschlands
       auf ihn aufmerksam. Eine seiner ersten Filmrollen, den Titelpart in „Andy
       Warhols Frankenstein“ von 1973, bekam er, wie Kier später berichtete, weil
       er mit dem Kunststar zusammen im Flugzeug saß. Horror und Action sollten
       dabei die Sparten werden, für die Kier insbesondere in Nebenrollen gern als
       Bösewicht verpflichtet wurde.
       
       Man konnte ihn aber auch in ganz anderer Funktion erleben. So besetzte ihn
       der italienische Horrormeister Dario Argento für seinen Klassiker
       „Suspiria“ (1977) als höflicher Psychiater, der nüchtern versucht, eine
       rationale Erklärung für die mysteriösen Vorgänge in einer Freiburger
       Ballettschule zu finden. Den Horror übernahmen in diesem Fall andere.
       
       ## Tanz mit einer Schirmlampe
       
       Kiers erster Hollywoodfilm sollte Gus Van Sants „My Private Idaho“ aus dem
       Jahr 1991 werden, in dem er einen Freier spielt, der zwei junge Stricher,
       dargestellt von Keanu Reeves und River Phoenix, für sich arbeiten lässt.
       Unter anderem vollführt er darin einen zwischen komisch und unheimlich
       schillernden Tanz mit einer Schirmlampe, die sein Gesicht wirkungsvoll mit
       Unterlicht anstrahlt. Seit 1991 lebte Kier in den USA zwischen Palm Springs
       und Los Angeles.
       
       In seiner folgenden Karriere gab er häufig in publikumsfreundlichen
       Blockbusterfilmen den grimmig dreinblickenden Finsterling, darunter „Blade“
       (1998), „Armageddon“ (1998) oder „End of Days“ (1999). Ebenso gern war Kier
       aber auch an Arthousekino-Produktionen beteiligt.
       
       Allein im Jahr 2019 konnte man ihn sowohl in Cannes als auch in Venedig bei
       den Filmfestspielen im Wettbewerb erleben. [1][In Cannes spielte er in
       tragender Rolle im brasilianischen Science-Fiction-Drama „Bacurau“ von
       Kleber Mendonça Filho und Juliano Dornelles], wo er zwar als Bösewicht zu
       sehen war, seine Figur jedoch mit einiger Selbstironie ausstattete, und
       [2][in Venedig war er in der Romanverfilmung „The Painted Bird“ des
       tschechischen Regisseurs Václav Marhoul als sehr unfreundlicher Müller zu
       sehen].
       
       Deutsche Regisseure von Rainer Werner Fassbinder („Lili Marleen“, 1981,
       „Berlin Alexanderplatz“ 1980) über Wim Wenders („Am Ende der Gewalt“, 1997)
       bis zu Christoph Schlingensief (u.a. „100 Jahre Adolf Hitler“, 1989)
       beschäftigten Kier wiederholt, [3][Fatih Akin besetzte ihn in seiner
       Komödie „Soul Kitchen“ von 2009]. In Lars von Triers Filmen war Udo Kier
       eine Weile Dauergast, sogar in dessen abschließender [4][dritter Staffel
       von „Hospital der Geister“ (2022)] hatte er noch einmal einen prominenten
       Auftritt, jetzt als riesenhafter „großer Bruder“, der sehr langsam in einem
       Sumpf versinkt.
       
       Kiers gern kontrolliert-reduziertes Spiel stand in deutlichem Kontrast zu
       seinem auch schon mal überschäumenden öffentlichen Auftreten jenseits der
       Leinwand. In Aufnahmen am Rande von Dreharbeiten lacht Kier etwa gern
       ungehemmt. Und selbstverständlich durfte er so etwas wie der
       [5][Science-Fiction-Komödie „Iron Sky“ (2012) des finnischen Regisseurs
       Timo Vuorensola] nicht fehlen, ging es darin doch schließlich um Nazis auf
       dem Mond. Wobei Kier als SS-Führer Wolfgang Kortzfleisch beim Versuch,
       „Hitler“ zu sagen, einen heftigen Hustenanfall bekommt.
       
       Udo Kier wirkte übrigens noch in einem der besten Filme dieses Jahres mit,
       [6][Kleber Mendonça Filhos in Cannes mehrfach ausgezeichnetem „The Secret
       Agent“], der vom Schicksal eines Wissenschaftlers während der
       Militärdiktatur Brasiliens Ende der Siebziger erzählt. Ein guter Grund, ins
       Kino zu gehen, denn dort läuft er weiterhin. Am Sonntag ist Udo Kier in
       seinem Wohnort Palm Springs im Alter von 81 Jahren gestorben.
       
       24 Nov 2025
       
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