# taz.de -- Die Wahrheit: Los Krawallos
> Tagebuch einer Versucherin: Die Anrempler und Anpöbler ziehen mit
> verstärkten Kräften durch die Straßen der vorweihnachtlich gestimmten
> Städte.
Im beunruhigend aktuellen Film „Falling Down“ von 1993 spielt Michael
Douglas einen Mann, dem nach Konfrontationen mit mehreren Mitmenschen die
Sicherung durchbrennt, worauf er sein Auto auf dem Highway stehen lässt und
sich anschließend durch Los Angeles ballert. Weil der Typ auch privat einen
Haufen Mist an der Backe hat, war ich damals im Kino voll auf seiner Seite.
Jetzt ist das hier aber nicht L.A. 1993, sondern Hamburg 2025. Aus meiner
Berliner Wohnortperspektive ein Hort zivilisierten Umgangs und trockener
Schlagfertigkeit. Am Friedhof Ohlsdorf quellen Leute aus der U1, Nachschub
drängt rein. Eine Frau steht im Gang vor mir und blockiert zwei Sitze. Auf
die Bitte, den Zugang freizugeben, wird mir beschieden: „Da sitzt meine
Freundin.“ In Anbetracht ihrer unsichtbaren Begleitung und der
Nachdrängenden bleibt wenig Zeit für gepflegte Argumente wie: „Ich glaube
nicht, dass man im ÖPNV reservieren kann“, also nehme ich mit einem
freundlichen, aber bestimmten „Ich bin ja nun schon hier und Ihre Freundin
nicht“ Platz und kassiere ein herzliches „Verrecke!“. In Anbetracht des
vorangegangenen Friedhofsbesuchs immerhin originell.
Eben noch habe ich pflichtschuldig Orange Day, den „Internationalen Tag für
eine Zukunft ohne Gewalt gegen Frauen“ überstanden, für den die Vereinten
Nationen sich 1991 eine Orange-the-World-Kampagne erdachten, was sich
angesichts des derzeitigen „Orange Man“ im Oval Office sowieso schon als
fragwürdige Entscheidung erweist. Bleibt festzustellen, dass leider auch
die Sisters gern mal austicken. Der im Umgang mit sogenannten
Andersdenkenden empfohlene Gesprächsversuch scheint mir gerade auch wenig
erfolgversprechend, weshalb ich großzügig verzichte.
Zurück in Berlin, wo die Sitten bekanntlich ohnehin verwahrlost sind,
kreuzt ein Typ Marke Muckibude meinen nächtlichen Heimweg, hält, obwohl er
locker an mir vorbeikäme, voll auf mich zu und schenkt mir ein kraftvolles
„Fotze!“.
Wahrscheinlich denkt er, das macht man jetzt so, wenn einem irgendwas oder
-wer quer kommt. Ich habe das Gefühl, auch in diesem Fall könnte eine
zugewandte Ansprache meiner Gesundheit möglicherweise nicht guttun.
Im Film ballern Loser wie ich nach solchen Begegnungen dann entweder herum
oder lassen ihren Frust heraus, indem sie sinnfrei wahlweise Berge, Meere
oder gleich das Universum anbrüllen. Besonders beliebt ist auch die
grottendämliche, endlos variierte Einstellung, in der Frauen ihr
Spiegelbild zerschlagen oder mit Lippenstift verschmieren. Nicht gerade
verlockende Optionen.
Also beschließe ich, wenigstens bis Weihnachten meine Zweitvornamen
„Widerspruch“ und „Trotz“ abzulegen und in der Hoffnung, nicht von
Krawallos, Fahrrad- oder E-Rollerfahrern niedergemäht zu werden, in Öffis
und auf Bürgersteigen nur noch adventliche Liebe zu verströmen. Wir sehen
uns dann im Januar in alter Aggro-Frische!
4 Dec 2025
## AUTOREN
(DIR) Pia Frankenberg
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