# taz.de -- Klage gegen Polizeipräsidenten: Polizei darf nicht vor AfD warnen
> Oldenburgs Ex-Polizeipräsident Johann Kühme hatte in einem Interview vor
> der AfD gewarnt. Mit mancher Aussage verletzte er seine
> Neutralitätspflicht.
(IMG) Bild: Zufriedene Kläger: Stephan Bothe und Peer Lilienthal von der AfD mit Anwalt im Gerichtssaal vom Verwaltungsgericht Oldenburg
Die niedersächsische AfD hat am Montag vor dem Verwaltungsgericht Oldenburg
einen Sieg errungen: Der Klage gegen die Polizeidirektion Oldenburg hat das
Gericht in Teilen stattgegeben. Es erklärte Äußerungen des früheren
Oldenburger Polizeipräsidenten Johann Kühme über die AfD als in Teilen
rechtswidrig. Kühme hatte in einem Interview mit der Nordwest-Zeitung (NWZ)
im August 2023 vor der Partei gewarnt und aus Sicht des Gerichts damit
seine Neutralitätspflicht verletzt.
Kühme hatte die AfD im Interview als „Gefahr für unsere
freiheitlich-demokratische Grundordnung“ bezeichnet; sie täusche „die
Bürger bewusst und perfide mit ihrem Lügenkonstrukt“, um „Unsicherheiten
und Ängste in der Bevölkerung zu schüren“. Damit, so Kühme, stelle sich die
AfD gegen die Arbeit der Polizei, weil diese die Verpflichtung habe, dass
sich die Bürger sicher fühlen können.
Der AfD ist Kühme schon länger ein Dorn im Auge, weil er [1][häufiger
rassistische Aussagen von AfD-Politiker:innen kritisch kommentierte.] So
erklärte er etwa, er würde sich dafür schämen, ein Deutscher zu sein, wenn
AfD-Politiker:innen Muslima als „Kopftuchmädchen“ titulieren oder die
NS-Zeit als „Vogelschiss“ in der 1000-jährigen deutschen Geschichte
bezeichnen. [2][Den Kampf gegen Rechts bezeichnete Kühme schon einmal als
sein „Lebensthema“.]
Auf mehreren Wegen versuchte die AfD seither, gegen Kühmes Aussagen in der
NWZ vorzugehen: Die Landtagsfraktion legte gegen den langjährigen
Polizisten eine Dienstaufsichtsbeschwerde ein, die Landespartei verklagte
die Oldenburger Polizeidirektion, der Kühme bis zu seiner Pensionierung im
Frühjahr 2024 vorstand. [3][Sowohl Landespolitiker:innen der
rot-grünen Koalition als auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP)
Niedersachsen stellten sich anschließend hinter Kühme und seine Aussagen.]
## Polizeidirektion muss Aussagen öffentlich zurücknehmen
Das Verwaltungsgericht entschied zwar nach der mündlichen Verhandlung am
Montagvormittag, dass ein Polizeipräsident „grundsätzlich berechtigt ist,
im Rahmen seiner Aufgaben öffentliche Äußerungen sowohl zur inneren
Sicherheit und zur Ermittlungstätigkeit der Polizei als auch zu Angriffen
auf die freiheitliche demokratische Grundordnung abzugeben“ – allerdings
gebe es dafür „vor allem bei Amtsträgern rechtliche Grenzen“.
Das Neutralitäts- und Sachlichkeitsgebot habe Kühme im Interview mit der
NWZ „nicht immer eingehalten“, so das Gericht. Die Polizeidirektion wurde
deshalb vom Gericht dazu verpflichtet, innerhalb eines Monats die
beanstandeten Aussagen von Kühme öffentlich zurückzunehmen.
Erwartungsgemäß ist der Jubel bei der zunehmend [4][rechtsextrem
auftretenden Niedersachsen-AfD] nun groß – und die Reaktion auf das Urteil
bewusst staatstragend. Stephan Bothe, stellvertretender
Fraktionsvorsitzender und innenpolitischer Sprecher der AfD, nannte Kühmes
Äußerungen seinerzeit „unverschämt“. Nun zeigte er sich laut NDR mit dem
Urteil „sehr zufrieden“. Es sei ein großer Erfolg, „weil die Neutralität
der staatlichen Institutionen gestärkt wurde“.
Demgegenüber betont die beklagte Polizeidirektion Oldenburg, dass ja nur
einige Passagen des Interviews beanstandet wurden. „Als Polizeidirektion
Oldenburg fühlen wir uns durch das Urteil bestätigt, soweit wir obsiegt
haben“, erklärte nach dem Urteil der jetzige Oldenburger Polizeipräsident
Andreas Sagehorn. „Im Übrigen nehmen wir das Urteil zur Kenntnis und
respektieren natürlich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts.“
## Gewerkschaft der Polizei stellt sich hinter Kühme
Weil die beklagte Polizeidirektion aber die mündliche Begründung des
Gerichts nicht in jedem Punkt nachvollziehen könne, wolle sie jetzt die
schriftliche Urteilsbegründung abwarten, mit der auch erst klar werde,
welche konkreten Aussageteile beanstandet wurden. Die werde die Polizei, so
Sagehorn, „gewissenhaft prüfen und danach entscheiden, ob wir Berufung
gegen das Urteil einlegen werden“. Dann müsste das Oberverwaltungsgericht
Lüneburg entscheiden.
Auch die GdP Niedersachsen stellte am Montag heraus, dass das Urteil
„keinen Freifahrtschein für die AfD bedeutet“, so der GdP-Landesvorsitzende
Kevin Komolka. „Teilaspekte einer einzelnen Entscheidung relativieren nicht
die dringende Notwendigkeit, dass sich die Polizei gegen extremistische
Bestrebungen positionieren muss und belegen auch nicht, dass die AfD
sicherheitspolitisch harmlos ist.“
Der Deutschen Presse-Agentur sagte Kühme am Montag nach dem Urteil: „Ich
stehe zu meinen Äußerungen.“
17 Nov 2025
## LINKS
(DIR) [1] https://www.weser-kurier.de/niedersachsen/und-am-ende-schlaegt-einer-zu-doc7e3k1rmk64p8byip5te
(DIR) [2] https://www.kreiszeitung.de/lokales/niedersachsen/unter-schuenemann-hatte-keine-chance-2881648.html
(DIR) [3] /Nach-Dienstaufsichtsbeschwerde-der-AfD/!5952877
(DIR) [4] https://www.sueddeutsche.de/politik/bericht-fuer-2024-verfassungsschutz-afd-niedersachsen-wird-rechtsextremer-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-250619-930-690800
## AUTOREN
(DIR) André Zuschlag
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