# taz.de -- Menschenrechtsverstöße in Nicaragua: Politische Gefangene in kritischem Zustand entlassen
> Menschenrechtler beobachten zahlreiche Verstöße durch das
> nicaraguanische Regime. Sie hoffen auf wachsenden internationalen Druck.
(IMG) Bild: Wie fest sitzen sie im Sattel? Das autoritär regierende Präsidentenpaar Daniel Ortega und seine Frau Rosario Murillo im Jahr 2018
taz | Sadie Tamara Rivas wartet täglich auf Nachrichten aus dem Knast. Dort
wird ihr Vater Aníbal Rivas Reed seit Monaten festgehalten und die Familie
macht sich Sorgen über den Gesundheitszustand des 61-Jährigen. Im Mai wurde
er zu einer 50-jährigen Haftstrafe wegen „Verrats am Vaterland“ verurteilt
und im Hochsicherheitsgefängnis La Modelo in Managua weggeschlossen.
Von dort dringen selten Informationen nach außen, unstrittig ist jedoch,
[1][dass die Bedingungen in den Haftanstalten inhuman sind.] Das haben
entlassene Häftlinge immer wieder berichtet und internationale
Menschenrechtsorganisationen kritisiert.
Zu Recht, wie sich am 7. November zeigte. Da wurden vier politische
Gefangene in Nicaragua in miesem Gesundheitszustand entlassen. Darunter der
Journalist Leo Catalino Cárcamo Herrera und der Anwalt Julio Antonio
Quintana Carvajal – beide aus León. Der dritte Mann heißt Fabio Alberto
Cáceres Larios und der vierte ist ein ehemaliger Militäroffizier, so
Jan-Michael Simon. Der 58-jährige Jurist ist Vorsitzender der
UN-Expertengruppe zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen in
Nicaragua, die sowohl ermittelt als auch regelmäßig berichtet.
Simon selbst forscht am Freiburger Max-Planck-Institut zu Kriminalität,
Sicherheit und Recht und hat erfahren, dass einer der vier entlassenen
Häftlinge in einem lebensbedrohlichen, Gesundheitszustand entlassen worden
sei. Detaillierte Informationen aus Nicaragua sind oft nur über persönliche
Kontakte zu bekommen, weil es investigative, kritische Redaktionen wie
Confidencial [2][in Managua und anderen Teilen Nicaraguas nicht mehr gibt].
2021 ist die Redaktion von Confidencial um Herausgeber Carlos Fernando
Chamorro nach Costa Rica umgezogen und informiert aus San José über
Nicaragua und die Länder der Region.
## Ein total kontrolliertes Land
„Nicaragua befindet sich unter totaler Kontrolle des
Diktatoren-[3][Ehepaars Daniel Ortega und Rosario Murillo]“, bestätigt
Simon, der Ende Oktober in New York war und den Bericht der dreiköpfigen
Expertengruppe auf der UN-Generalversammlung vorgestellt hat. Darin haben
Simon und seine beiden Kolleg:innen, der Ungar Reed Brody und Ariela
Peralta aus Uruguay, detailliert über das Schicksal von zahlreichen
gewaltsam Verschwundenen in Nicaragua informiert. „74 Fälle haben wir
dokumentiert und Daniel Ortega einen Brief geschrieben, in dem wir
nachfragen: nach ihrem Verbleib, nach potenziellen Todesursachen in zwei
Fällen“, erklärt Simon.
Wie gewöhnlich kam keine Antwort. Das kennt das Trio schon. Sie plädieren
für die Eröffnung eines Prozesses am Internationalen Strafgerichtshof in
Den Haag. „Nicaragua verletzt die UN-Konvention zur Verringerung der
Staatenlosigkeit von 1961, hat zwischen Februar 2023 und September 2024
mindestens 452 Oppositionellen die Staatsbürgerschaft entzogen“.
Darunter auch so bekannten Personen wie dem Schriftsteller Sergio Ramírez
und Gioconda Belli, aber auch der weniger bekannten
Menschenrechtsaktivistin Vilma Núñez. Auch Sadie Tamara Rivas, die in Costa
Rica in einer oppositionellen Studentenorganisation arbeitet, könnte es
treffen.
Rivas arbeitet in Costa Rica mit ihrem Kollegen Gender Ananías Sotelo
derzeit an Konzepten, mit denen das Bildungssystem nach einem Ende der
Diktatur Ortega/Murillo reformiert werden könne. „Derzeit gibt es keine
akademische Freiheit in Nicaragua, 27 Universitäten wurden geschlossen,
etliche geisteswissenschaftliche Fakultäten stillgelegt“, berichtet Sotelo.
## Keine akademische Freiheit in Nicaragua
Das bestätigt auch Simon, der hofft, dass das bisher so vermeintlich sicher
im Sattel sitzende Diktatorenpaar alsbald Probleme bekommen könnte. Denn in
den USA wurde gerade eine Studie abgeschlossen, die die Streichung von
US-Handelspräferenzen für Nicaragua im Rahmen der Cafta, des
Freihandelsabkommens zwischen den Ländern Zentralamerikas und der Karibik,
empfiehlt.
„Grundlage dessen“, so Simon, „ist der US-Trade-Act, der im Paragraf 301
Optionen für die Streichung von Handelspräferenzen enthält, wenn Mitglieder
Praktiken an den Tag legen, die dem Geist des Abkommens wiedersprechen“.
Das Verfahren wurde unter Joe Biden initiiert und könnte unter Donald Trump
abgeschlossen werden. Das würde die nicaraguanische Wirtschaft hart
treffen.
16 Nov 2025
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