# taz.de -- Krieg in der Ukraine: Überleben im Hausflur
> Die Hauptstadt Kyjiw ist auch in der Nacht zu Freitag wieder Ziel
> russischer Angriffe mit Drohnen und Raketen geworden. Sieben Personen
> werden getötet.
(IMG) Bild: Eine zerstörte Wohnung in Kyjiw nach den Angriffen in der Nacht zu Freitag
Kurz nach Mitternacht klopft Ihor, der Zimmernachbar, nervös an die Tür.
„Wir sollten in den Schutzraum gehen“, sagt er. „Heute Nacht wird es
richtig laut werden“. Gewöhnlich geht Ihor bei Luftalarm nicht aus dem
Haus. Dann legt er sich mit seiner Matratze in den Gang seiner geräumigen
Wohnung und glaubt sich vor Drohnen geschützt.
Drohnen würden nur Balkons und Aussenwände beschädigen, ist er sich sicher,
im Gang könne man überleben. Auch schütze der Gang vor der gefährlichen
Druckwelle von Explosionen. [1][Doch diese Nacht, berichtet er, hätten
ukrainische Telegram-Kanäle einen sogenannten kombinierten Angriff
angekündigt. Das bedeute, die Stadt werde von Raketen, Marschflugkörpern
und Drohnen angegriffen.] Und deswegen wolle er nicht in seiner Wohnung
bleiben.
Also zieht er sich an, nimmt seinen bereits gepackten Rucksack in die Hand
und eine Matratze auf den Kopf. Im Rucksack ist alles, was man für eine
Nacht braucht: Geld, Ausweis, Telefon und Powerbank. So verlässt er das
Haus in Richtung Bunker.
Der Bunker ist der Keller eines Nachbarhauses. Hier ist es warm, und als
die Tür aufgeht, bellt ein Hund Ihor an. Der Hund ist wohl nervöser als die
Menschen, die im Keller ausharren. Alle im Keller hängen an ihren
Smartphones, lesen Telegramkanäle, vorwiegend den von Bürgermeister Vitali
Klitschko. Kommen doch auf diesem die aktuellen Nachrichten immer am
schnellsten.
## Kein Empfang
Irgendwann nach vier Uhr morgens ertönt eine Stimme, die Gefahr sei vorbei,
es mögen bitte alle nach Hause gehen. Jemand protestiert: „Der Luftalarm
ist doch noch gar nicht vorüber.“ „Die Gefahr ist vorbei“, fährt der Mann
die Frau an. Auf den Telegram-Kanälen wird gemeldet, dass die Gefahr für
Kyjiw vorbei sei.
Ihor will trotzdem nicht nach Hause. Er traut der Sache nicht und glaubt,
dass es in Kürze zu einem weiteren Angriff kommen werde. „Kommen Sie mit,
wir gehen in eine Tiefgarage.“ fordert er seinen Nachbarn auf. Auch in der
Tiefgarage ist es warm. Doch das Mobilfunknetz hat keinen Empfang.
„Da sehen Sie mal, wie dick hier die Betondecke ist“, sagt Ihor und gibt
seinem Nachbarn, der zwischen zwei Autos auf einer Isomatte in seinem
Daunenschlafsack liegt, das Passwort des WLAN. „Um 5 Uhr ist die
Ausgangssperre beendet und dann könnte es hier ungemütlich werden, wenn die
ersten Autos losfahren.“, sagt er noch, bevor er einschläft.
Insgesamt, so die Behörden der Stadt Kyjiw, seien bei dem nächtlichen
Angriff sieben Personen getötet sowie 25 Personen verletzt worden, darunter
ein zehnjähriges Kind und eine schwangere Frau. Die Rettungsdienste
meldeten zudem die Bergung von über 40 Menschen aus beschädigten oder
brennenden Gebäuden. Auch in anderen Regionen, wie Sumy, wurden Explosionen
gemeldet.
Die Ukraine griff russische Ortschaften mit Drohnen an. Der Gouverneur des
Gebietes Belgorod, Wjatscheslaw Gladkow, berichtete von Angriffen auf
mehrere Dörfer des Gebietes Belgorod, ein Zivilist sei verletzt worden, er
habe sich Verbrennungen im Brustbereich und mehrere Splitterverletzungen im
Gesicht zugezogen.
14 Nov 2025
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## AUTOREN
(DIR) Bernhard Clasen
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