# taz.de -- Einigung über Wehrdienst: Musterung für alle
> Union und SPD sind sich nach langem Ringen in Sachen Wehrdienst einig
> geworden. Wie sehen die Pläne aus?
(IMG) Bild: Greenpeace-Protest mit 150 Paar Bundeswehrstiefel gegen den Wehrpflicht
dpa | Ein Kompromiss legt den Streit der Regierungsparteien um den neuen
Wehrdienst bei. Verteidigungsminister [1][Boris Pistorius] (SPD) muss dafür
und auf Drängen der Union die Aufstockung der Truppe – im Jargon des
Ministeriums „Aufwuchs“ – in Zielzahlen messbar machen. Mit der Forderung
nach einer flächendeckenden Musterung für junge Männer setzt er sich aber
durch.
## Was wurde an den Plänen geändert?
Die Union wollte vor der Regierungsbildung eine Rückkehr zur
[2][Wehrpflicht] und stoppte das neue Wehrdienstgesetz. Sie forderte
messbare Kriterien für den Erfolg eines zunächst freiwilligen Wehrdienstes
– und setzte sich damit nun durch. „Auf Grundlage des militärischen
Ratschlags wurde dafür ein Aufwuchspfad mit klar definierten Zielkorridoren
festgelegt, der gesetzlich verankert und durch eine halbjährliche
Berichtspflicht des Verteidigungsministeriums gegenüber dem Deutschen
Bundestag überprüft wird“, heißt es nun.
## Wie sollen ganze Jahrgänge gemustert werden?
Die Militärverwaltung hat gut 18 Monate Zeit, um wieder eine
Musterungsorganisation aufzubauen, die bis zu 300.000 Menschen im Jahr auf
Eignung checken kann. Ältere haben daran und an sogenannte
Kreiswehrersatzämter teils schlechte Erinnerungen. „Als ich damals
gemustert worden bin, bin ich in ein ganz furchtbares Haus gekommen. Da hat
es ganz furchtbar nach Bohnerwachs gerochen und die Menschen waren ganz
deutlich unfreundlich zu mir“, sagte Falko Droßmann,
verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, in einer Anhörung im
Bundestag. „Und dann haben sie mir an Sachen gefasst, wo man nicht
hingefasst werden möchte.“
Generalleutnant Robert Sieger vom Bundesamt für das Personalmanagement der
Bundeswehr antwortete, er teile diese Bild von damals. Deswegen wolle man
sich an Skandinavien orientieren. Er habe dort gesehen, dass die
Durchführung der Musterung „insbesondere auch in Schweden hell, freundlich
und positiv ist“. Sieger sagte: „Und genau da wollen wir auch hin.“ Die
Musterung solle nicht in Kasernen stattfinden, sondern es solle mit einer
„Anmietlösung“ gearbeitet werden.
## Wehrdienstleistender oder gleich Soldat auf Zeit?
Pistorius hatte sich dafür starkgemacht, die neuen Rekruten gleich als
sogenannte Soldaten auf Zeit in den Dienst zu nehmen. Da gibt es nun mit
der Einigung eine Änderung: „Der freiwillige Wehrdienst als besonderes
staatsbürgerliches Engagement bleibt erhalten. Ab zwölf Monaten
Verpflichtungsdauer wird der Status Soldat auf Zeit (SAZ 1) eingeführt.“ Es
bleibt aber bei einem Dienst, der mit höherer Bezahlung und zusätzlichen
Ausbildungen wie Führerscheinen oder IT-Lehrgängen schmackhaft gemacht
wird: „Wer freiwillig dient, erhält rund 2.600 Euro brutto monatlich. Ab
einer Verpflichtungszeit von einem Jahr wird ein Führerscheinzuschuss für
Pkw oder Lkw gewährt.“
## Was bedeutet „Bedarfswehrpflicht“ und welche Rolle spielt das
Losverfahren?
Schon jetzt soll für den Fall vorgesorgt werden, dass sich nicht genug
junge Männer und Frauen freiwillig zum Dienst melden. Unter Abwägung der
sicherheitspolitischen Lage soll der Bundestag dann entscheiden, ob eine
sogenannte Bedarfswehrpflicht eingeführt wird. Das Parlament übt dann aber
nur ein Recht aus, das ihm ohnehin zusteht, denn eine Mehrheit der
Abgeordneten könnte die Wehrpflicht wieder einführen und auch mit der
Feststellung des Spannungs- oder Verteidigungsfalls einen solchen
Automatismus auslösen. Bei der Bedarfswehrpflicht kann dann ein
Zufallsverfahren zur Auswahl eingesetzt werden. Das umstrittene und von der
Union vorgeschlagene Losverfahren noch vor einer Musterung ist damit aber
vom Tisch.
## Wird Freiwilligkeit funktionieren?
Pistorius und andere führende SPD-Politiker betonen dies. Andere Stimmen –
darunter auch der Militärhistoriker Sönke Neitzel – zweifeln daran und
sprechen von einem „Prinzip Hoffnung“. Den Abgeordneten hielt er vor, sie
führten eine Debatte losgelöst von der Mehrheitsmeinung in der Bevölkerung,
die für eine Wehrpflicht sei. „Also historisch betrachtet ist die
Wehrpflicht im Frieden nie gerecht gewesen“, sagte er. Und: „Sie war immer
gerecht im Krieg, weil dann alle Männer, die irgendwie laufen konnten, in
der Armee dienen mussten. Aber im Frieden gab es dieses Problem immer, das
ist uralt.“
## Wie soll der neue Wehrdienst starten?
Ab dem kommenden Jahr erhalten alle 18-Jährigen einen Fragebogen, der
Motivation und Eignung erfasst und über weitere Formen des freiwilligen
Engagements informiert. [3][Union und SPD] sind sich einig: „Für Männer ist
die Beantwortung verpflichtend. Mit Inkrafttreten des Gesetzes beginnt
zudem die verpflichtende Musterung der ab dem 1. Januar 2008 geborenen
Männer, die schrittweise entsprechend dem Aufbau der Musterungskapazitäten
auf den gesamten Jahrgang ausgeweitet wird.“
13 Nov 2025
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