# taz.de -- Theaterfestival Monolog: Ein hauchzarter Handlungshorizont
> Das Monolog-Festival im Berliner td wartet in angstbesetzten Zeiten mit
> einer Prise skeptischem Optimismus auf.
(IMG) Bild: In „Popkorn“ beschäftigt sich das KMZ-Kollektiv mit Schöpfungsmythen in der Krise
Der Glaube ist heutzutage vielen Menschen abhandengekommen. Als geradezu
avantgardistisch darf man daher bewerten, dass die Kurator*innen des
Monolog-Festivals im td nicht weiter den kritischen Klageton über den
Verfall anschlagen, wie er seit Jahren zum Grundrauschen der darstellenden
Künste gehört. Unter dem Motto „I want to Believe“ werden vielmehr positive
Kräfte mobilisiert.
Die Energie dafür wird bei den insgesamt zehn Premieren, drei Specials und
einer Keynote an ganz unterschiedlichen Orten gesucht. Mariann Yar vom
[1][Doris Crea Kollektiv] etwa wurde in der Traumzone des Science
Fiction-Genres fündig. „Akte Ich – Ein Alien starrt zurück“ beginnt mit der
Schlussszene aus Robert Wises in der Ultrafrostphase des Kalten Kriegs
gedrehten SF-Klassikers „Der Tag, an dem die Erde stillstand“.
Dort liest ein Außerirdischer der Menschheit die Leviten, versucht sie auf
einen Friedensstaat mit halbautokratischen Formen einzuschwören und droht
ihr bei Ausweitung der irdischen Schlachten in den Weltraum mit totaler
Vernichtung. Ein aufgeblasenes grünes Alien begleitet später Yar bei ihrer
Selbstbefragung nach den Kräften des Guten. Sie scheut sich nicht vor
naivem Staunen, versucht über das gefühlige Akzeptieren von Anderen wie in
Marke „Akte X“ hinauszugehen und lässt Wut als durchaus positive Kraft zu.
Bei den Schöpfungsmythen der Maya dockt hingegen das [2][KMZ-Kollektiv] an.
Hier hält der Mais selbst einen Monolog. Die mehrheitlich aus Lateinamerika
stammenden Künstler*innen (El Salvador, Mexiko, Kuba und Spanien)
erinnern einerseits daran, dass die Götter laut „Popol Vuh“ den Menschen
aus Maismehl erschaffen hätten und zeigen andererseits auf, wie
zerstörerisch die industrielle, auf genetisch verändertem Mais beruhende
Agrarwirtschaft unserer Tage so ist.
## Briefe an eine Gefangene
In ihrem Stück „Popcorn“ – der fürs Kino produzierten Konsumvariante des
Mais – überwiegt die dystopische Seite. Immerhin führen sie ganz charmant
die Regeln des Monolog-Genres ad absurdum. Sie stehen nicht nur zu viert
auf der Bühne, sondern haben gleich 578 Protagonisten mitgebracht. Das
ergab jedenfalls die Zählung der Körner des Maiskolbens, der bei der
Premiere ins Rampenlicht gerückt wurde.
Ganz zarte Fäden wiederum spann Markus Schäfer vom [3][Performancekollektiv
Markus & Markus] zu einer Frau namens Maureen. Sie steckt in den USA im
Gefängnis, ist zu lebenslanger Haft wegen Mordes verurteilt. Sie betätigt
sich dort auch künstlerisch und ist über die ganz alte Kommunikationsform
des Briefeschreibens mit Markus & Markus verbunden.
Ihre Geschichte tauchte bereits in der Produktion „Die Brieffreundschaft“
auf. Maureen äußerte danach den Wunsch, einmal auch das Publikum zu sehen,
das mit ihrer Geschichte konfrontiert wird. Und so malt Schäfer, während er
aus der Briefkorrespondenz zitiert und von ihrem besonderen Verhältnis
berichtet, die Silhouetten der Zuschauer ab, wie sie bei einer
Liveprojektion auf der Leinwand erscheinen. Das Bild, in DIN-A4-Segmente
unterteilt, will er ihr dann ins Gefängnis schicken.
Es ist ein berührender Versuch, Distanzen zu überwinden: geografische über
den Ozean hinweg, auch die Grenzen zwischen dem Innen und Außen der Knäste.
Zugleich handelt es sich um ein nachdenkliches Spiel damit, dass sich
Theatermachende wie -besuchende gern an literarischen Mordgestalten wie
Lady Macbeth oder Medea ergötzen, mordende Lebende aber lieber gut verwahrt
jenseits des eigenen Lebensumfelds wissen wollen.
## Ein ganz passabler Antifaschismus
Den Auftakt des Festivals machte eine Lecture der Philosophin Eva von
Redecker. Sie schreibt gegenwärtig an einem Buch über Faschismus – ein
Thema, das eher nicht zum Glaubenwollen einlade, wie von Redecker selbst
zugab. Sie stellte als Grundessenz des Faschismus aber heraus, auf Härte
und Gewalt zu setzen, Konflikte derart zuzuspitzen, dass nur noch brutale
Gewalt gegen jede und jeden, die als anders konstruiert würden, als
ultimative Lösung erscheine. Sich dieser Härte entgegenzustellen, sich auch
in der Gegnerschaft dazu nicht zu ihr verleiten zu lassen, könnte aus
philosophischer Sicht also ein ganz passabler Antifaschismus sein.
Gut, man muss wohl glauben wollen, um guten Mutes allein auf diese Karte zu
setzen. Aber das Monolog-Festival eröffnete mit seinem diesjährigen Motto
hauchzart einen Handlungshorizont.
Das zweite Wochenende hält neben „Akte Ich“ unter anderem noch die
Cora-Frost-Goes-Alien-Produktion „The Return of Barbarilla“ sowie „Survival
of the Friendliest“ – eine Suche nach dem Guten mit einem Silberfuchs –
bereit.
12 Nov 2025
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(DIR) [1] https://doriscrea.com/
(DIR) [2] https://www.kmzkollektiv.com/
(DIR) [3] /Performance-ueber-Klimakatastrophe/!6005220
## AUTOREN
(DIR) Tom Mustroph
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