# taz.de -- Sonderausstellung im Altonaer Museum: „Der Heimatbegriff ist viel zu theoretisch“
       
       > Museumsobjekte repräsentieren oft nationalkonservative Vorstellung von
       > Heimat. Museen müssen damit einen Umgang finden, sagt Direktorin Anja
       > Dauschek.
       
 (IMG) Bild: So sieht Heimat aus: Eine Vierländerin in Tracht, hier aus der Serie „Das abgewandte Porträt“ aus dem Jahr 2022
       
       taz: Warum sollte heute noch jemand in ein Heimatmuseum gehen? 
       
       Anja Dauschek: Weil es im besten Fall Begegnungsorte sind. Orte, wo sich
       Besucher:innen gemeinsam damit auseinandersetzen können: Was ist
       Heimat? Welcher ist ein Ort, an dem ich gerne leben will? Wie möchten wir
       diesen Ort gemeinsam gestalten?
       
       taz: Wie stellt man einen so abstrakten Begriff wie Heimat überhaupt dar? 
       
       Dauschek: Das ist gar nicht so einfach. Die Literatur zum Heimatbegriff
       füllt ein paar Regalmeter. Sie ist oft sehr theoretisch und für eine
       Museumsausstellung viel zu akademisch. Deswegen haben wir überlegt, zu
       welchen Themen wir geeignete historische Objekte haben und zu denen wir
       auch eine aktuelle Position zeigen und erlebbar machen können.
       
       taz: Wie haben Sie das in der aktuellen Ausstellung im Altonaer Museum
       gelöst? 
       
       Dauschek: Die [1][Ausstellung „Was heißt hier Heimat?“] haben wir drei
       Themen ausgewählt, die den Begriff für viele Menschen zugänglich ausmachen:
       Wohnen, Kleidung und Kochen. Letzteres bilden wir zum Beispiel mit
       historischen Kochbüchern aus Norddeutschland ab. Direkt daneben kommen drei
       Köchinnen der Initiative Chickpeace zu Wort.
       
       taz: Chickpeace ist ein Catering-Unternehmen von geflüchteten Frauen in
       Hamburg. 
       
       Dauschke: Genau und die drei Köchinnen sprechen darüber, wie die Hamburger
       Küche heute ist: nämlich voller Einflüsse aus anderen Ländern.
       
       taz: Wie hat sich der Heimatbegriff verändert? 
       
       Dauschek: Die Objekte im Altonaer Museen repräsentieren häufig eine
       mittlerweile überkommene, oft nationalkonservative Vorstellung von Heimat,
       sie sind sozusagen eingefroren. Heute müssen wir herausstellen, was
       ideologisch dahintersteckt. Politisch war der Begriff schon immer. Aber er
       ist viel vielschichtiger geworden – und umkämpfter.
       
       taz: Haben Sie ein Beispiel? 
       
       Dauschek: Zur aktuellen Sonderausstellung haben wir im zweiten Obergeschoss
       bei den Bauernstuben mit einer Installation zur [2][Weltanschauung des
       Gründungsdirektors Otto Lehmann] interveniert. Wir setzen uns darin
       kritisch mit seiner Geisteshaltung auseinander. Er war nationalkonservativ
       und hat bereits 1928 rassenkundliche Aufsätze geschrieben. Er war zwar nie
       in der [3][NSDAP], hat aber nach seiner Pensionierung als Museumsdirektor
       1931 die Volkskunstkommission geleitet, die im NS Teil des Auswärtigen
       Amtes war.
       
       taz: Wann haben Sie mit dieser Aufarbeitung angefangen? 
       
       Dauschek: Das ist intern schon ein längerer Prozess. Uns war klar, dass wir
       mit Lehmann eine Person haben, bei der wir genau hinschauen müssen – auch
       auf die Zeit nach seiner Pensionierung. Vor drei Jahren haben wir verstärkt
       angefangen, die noch vorhandenen, aber leider lückenhaften Akten zu sichten
       und ebenso die Bestände beim Auswärtigen Amt. Sein Engagement in der
       Volkskunstkommission im NS gibt auch Hinweise darauf, mit welcher Haltung
       er zuvor für das Museum gesammelt hat.
       
       taz: Welche Verantwortung hat ein Museum bei dem Umgang mit seiner
       Vergangenheit? 
       
       Dauschek: Man muss sich immer wieder neu und kritisch mit ihr
       auseinandersetzen. Zu dieser Verantwortung zählt auch, wie man mit den
       Museumsobjekten umgeht. Wir müssen sie in Ausstellungen immer in einen
       Kontext setzen. Das ist bei manchen Exponaten auch eine Geldfrage. Nehmen
       wir zum Beispiel die Bauernstuben, die 1914 ins Museum eingebaut wurden.
       Wir können und wollen sie nicht alle ausbauen, deshalb haben wir nach einer
       anderen Darstellungsform gesucht. Seit ein paar Jahren laden wir immer
       wieder teilweise internationale Künstler*innen zu Interventionen in
       diese historischen Installationen ein. Wir bitten sie, die Stuben mit
       zeitgenössischen Arbeiten zu kommentieren. Das ist für uns ein moderner
       Weg, diese Präsentation zu brechen.
       
       10 Nov 2025
       
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