# taz.de -- Gefesselten U-Häftling geschlagen: Gefängniswärter vor Gericht
       
       > Ein Hamburger Justizbeamter ist angeklagt, weil er einem Gefangenen die
       > Nase gebrochen haben soll. Es wäre nicht der erste Fall in der
       > U-Haft-Anstalt.
       
 (IMG) Bild: Mitten in der Stadt: Untersuchungsgefängnis am Holstenglacis
       
       Ein 38-jähriger Justizbeamter steht seit Mittwoch vor dem Hamburger
       Amtsgericht. Dem Mann wird vorgeworfen, im September 2022 einen Gefangenen
       in der [1][Untersuchungshaftanstalt am Holstenglacis] verprügelt, ihn
       beleidigt und ihm die Nase gebrochen zu haben. Er ist wegen
       Körperverletzung im Amt und Beleidigung angeklagt und deswegen seit Ostern
       beurlaubt.
       
       Die Staatsanwaltschaft wirft dem Angeklagten vor, dass er den Gefangenen,
       als dieser am Boden fixiert war, mehrmals mit der Faust ins Gesicht
       geschlagen und sich mit seinem Knie auf dessen Nacken gelehnt habe. Zudem
       soll er „Halt die Klappe, Hurensohn“ gesagt haben. Der Angeklagte
       bestreitet die Vorwürfe.
       
       Von Schlägen spricht er nicht. Der Gefangene habe schon im Warteraum
       randaliert. Dann im Umkleideraum habe er den Gefangenen auch nicht
       beleidigt, sondern „nur angeschrien, dass er aufhören soll“.
       
       Denn der Gefangene habe sich mit Händen, Füßen und Zähnen „extrem“ dagegen
       gewehrt, sich entkleiden zu lassen, weswegen der Angeklagte und fünf
       Kolleg*innen ihn am Boden fixieren und ihm Jacke und Oberteil mit einer
       Kleiderschere hätten aufschneiden müssen. Dann hätten er und seine
       Kolleg*innen ihn im Kreuzfesselgriff nackt in einen [2][gesondert
       gesicherten Haftraum] gebracht.
       
       Bei diesem Prozessauftakt wird vor allem eins klar: Wie normal Gewalt im
       Alltag der Untersuchungshaftanstalt ist.
       
       ## Hämatom am Auge und eine gebrochene Nase
       
       Zum Verfahren kam es, weil der Betroffene den Beamten angezeigt hat, noch
       aus dem Gefängnis heraus. In der U-Haft war er nur wegen eines
       Gerichtstermins, in der Justizvollzugsanstalt Billwerder saß er eine
       reguläre Haftstrafe ab. Als Zeuge kann er allerdings nicht gehört werden,
       weil er in der Zwischenzeit nach Tunesien abgeschoben wurde. Das Gericht
       konnte ihn nicht erreichen. Groß dürfte sein Interesse daran nicht sein, in
       Deutschland erwarten ihn offene Haftbefehle.
       
       Auf Fotos nach der Sache in der U-Haft sieht [3][sein Gesicht lädiert] aus.
       Sein Mund und seine Nase sind geschwollen, seine Augenhöhle ist rundherum
       dunkelblau angelaufen. In seiner Aussage bei der Polizei, aus der die
       Richterin vorliest, berichtet der Gefangene, dass er noch Wochen später
       schlecht Luft bekommen, nachts aus der Nase geblutet und Albträume gehabt
       habe.
       
       Er hatte ein „Monokelhämatom“, Schwellungen am Augenlid und eine
       Nasenbeinfraktur. Das steht im Bericht der Ärztin, die ihn behandelt hat.
       Es ist Vorschrift, dass Mediziner*innen Gefangene in der U-Haft
       untersuchen, nachdem bei ihnen sogenannter „unmittelbarer Zwang“, also
       körperliche Gewalt, angewandt wurde.
       
       Dem Gericht geht es nun allein um die Frage, ob es der Justizbeamte auf der
       Anklagebank war, der dem Gefangenen diese Verletzungen zugefügt hat. Und:
       War der „unmittelbare Zwang“ gerechtfertigt oder war es unzulässige
       Körperverletzung im Amt?
       
       Das konnte am ersten Prozesstag nicht aufgeklärt werden. Screenshots aus
       Überwachungsvideos, die im Gericht gezeigt werden, sind wenig
       aussagekräftig. Der Angeklagte sagt, er habe keine Verletzungen am
       Gefangenen bemerkt und stellt in den Raum, dass der sich diese in seiner
       Zelle selbst zugefügt haben könne.
       
       Zwei Zeugen, Kollegen des angeklagten Beamten, sagen, sie könnten sich an
       die Sache vor drei Jahren nur erinnern, weil sie ihre Berichte von damals
       noch mal gelesen hätten. „Da passiert halt zu viel auf der Station“, sagt
       der eine.
       
       Er meint die Sicherungs- und Beobachtungsstation, einen Teil der
       Untersuchungshaftanstalt, der für Gefangene vorgesehen ist, die andere oder
       sich selbst gefährden könnten oder bei denen Drogenkonsum vermutet wird.
       Die ganze Untersuchungshaft am Holstenglacis hat einen schlechten Ruf unter
       Gefangenen.
       
       Sie ist schon seit Jahren [4][chronisch überbelegt]. Hier kommen alle
       Menschen hin, die in Hamburg festgenommen werden, außerdem Gefangene, die
       ins Krankenhaus, Gericht oder andere Haftanstalten transportiert werden.
       Das sind mehrere Tausend pro Jahr.
       
       Es gab schon mehrere ganz ähnliche Fälle, bei denen gegen Beamte der
       Untersuchungshaft wegen Körperverletzung im Amt ermittelt wurde – in
       mehreren davon im Zusammenhang mit Rassismus.
       
       Im [5][Sommer 2024 berichtete die taz] über einen ähnlichen Fall, im Jahr
       davor über den Fall von [6][Karvan P., der im April 2023 von einem Beamten
       verprügelt wurde,] [7][aber selbst vor Gericht landete][8][.] Nur einige
       Monate zuvor, im Januar 2023, hatten sechs Beamt*innen einen anderen
       Häftling körperlich misshandelt und rassistisch beschimpft, wie eine
       [9][kleine Anfrage der Linken beim Senat] ergeben hatte.
       
       Der Prozess gegen den nun angeklagten Beamten wird am 13. November
       fortgeführt.
       
       29 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Urteil-gegen-Justizvollzugsbeamten/!6019382
 (DIR) [2] /Tod-unter-Videoueberwachung/!6018224
 (DIR) [3] /Tag-gegen-Polizeigewalt-in-Oldenburg/!6097046
 (DIR) [4] https://www.welt.de/regionales/hamburg/article248717594/Kriminalitaet-Angespannte-Lage-in-Hamburgs-Untersuchungshaft-ist-kein-Platz-mehr-frei.html
 (DIR) [5] /Urteil-gegen-Justizvollzugsbeamten/!6019382
 (DIR) [6] /Misshandlung-im-Gefaengnis/!6021429
 (DIR) [7] /Misshandlung-im-Gefaengnis/!6021429
 (DIR) [8] /Misshandlung-im-Gefaengnis/!6021429
 (DIR) [9] https://www.buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/84194/hasskriminalitaet_durch_amtstraeger_ii.pdf
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Amira Klute
       
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