# taz.de -- Zeitreise: Nach eigenen Wünschen durch die Traumwelt wandern
       
       > Ein Freund aus der Zukunft zeigt unserer Kolumnistin, wie man Träume
       > streamt. Dabei braucht es kaum eigene Fantasie, sondern das richtige Abo.
       
 (IMG) Bild: „Wir Menschen verbringen ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen. Und einen Gutteil dieser Zeit mit Träumen.“
       
       Arschkalter Wind, Finsternis schon am Nachmittag und glitschiges Laub auf
       der Straße, das meinen nächsten Fahrradunfall plant – ich kann den Herbst
       nicht ausstehen!
       
       Aber mein zeitreisender Freund Felix ist da anderer Meinung. Als er mich
       mal wieder aus seinem Heimatjahr 2125 besucht, überredet er mich zu einem
       Herbstspaziergang zwischen goldenen Sonnenstrahlen und knallbunten
       Baumwipfeln. Und ich muss zugeben: Schöner kann es auch in 100 Jahren nicht
       sein.
       
       Felix schlendert gut gelaunt neben mir, pfeift vor sich hin, summt dann die
       Melodie, schüttelt belustigt den Kopf und verstummt, nur um eine Minute
       später wieder die gleiche Tonfolge zu brummen.
       
       „Was ist das?“, frage ich.
       
       „Ach, ein schrecklicher Ohrwurm, den ich einfach nicht aus dem Kopf kriege:
       ‚Quantum Bangle‘ – brillant und blumig, ‚Quantum Bangle‘ von Xing Fu Dao!“
       
       „Virales Video oder Chart-Hit?“, fragte ich.
       
       „Nein, das ist die [1][Werbung] für einen smarten Armreifen, die ich seit
       Tagen nach dem Einschlafen höre.“
       
       „Du meinst vor dem Einschlafen.“
       
       „Nein, danach. Bevor das Traumprogramm startet. Ich will nicht so viel für
       das Premiumabo bezahlen, also nehme ich das werbefinanzierte.“
       
       Ich bleibe irritiert stehen. „Das musst du mir jetzt erklären.“
       
       „Wir Menschen verbringen ein Drittel unseres Lebens mit Schlafen. Und einen
       Gutteil dieser Zeit mit Träumen. Aber seien wir mal ehrlich: Die
       [2][natürlichen Träume] sind meist ein ziemliches Chaos mit
       unverständlichem Kram oder Albträumen, an die man sich schon kurz nach dem
       Aufwachen nicht mehr erinnert.“
       
       ## Und was hast du heute Nacht gemacht? Die Welt gerettet?
       
       „Ich habe das Gefühl, meine [3][Träume] funktionieren so, wie eine KI
       Bilder erstellt … irgendwie hat das Ganze ein Thema, aber der
       verantwortliche Creative Art Director hat echt keine Ahnung, was er tut.“
       
       „Genau. Deshalb gibt es bei uns Traumdesigner, die qualitativ hochwertige
       Träume herstellen. Fantastische Abenteuer, Treffen mit Filmstars, erotische
       Eskapaden und dazu natürlich jede Menge Bildungsprogramm: Sprachen,
       Mathematik, Geschichte. Die Auswahl ist gigantisch.“
       
       „Aber ich dachte, wir träumen, damit sich unser Gehirn ausruhen und
       regenerieren kann.“
       
       „Ja, aber eine Wunde heilt auch besser, wenn man sie näht und ein Bruch,
       wenn man ihn schient. Warum sollte man das Hirn beim Erinnerungsmanagement
       alleine lassen? Bei uns kannst du dein Gehirn mit einer speziellen
       Traumdefragmentierungsmütze so stimulieren, dass es die Eindrücke des Tages
       erst ordentlich wegerinnert, und du dann im erholsamen REM-Schlaf die
       kuratierten Träume erlebst. Und das Beste: Die Traumerinnerungen werden
       genauso gespeichert wie bewusste Erlebnisse. Das heißt, du hast nach einer
       Nacht, in der du von sieben Tagen Skiabenteuer mit Bigfoot geträumt hast,
       wirklich das Gefühl, eine Woche Urlaub verbracht zu haben. Im Grunde können
       wir damit unsere gefühlte Lebenszeit um ein Vielfaches verlängern und
       gefahrlos und ressourcensparend die waghalsigsten Abenteuer erleben.“
       
       „Das ist ja fantastisch! Und was hast du heute Nacht gemacht? Die Welt
       gerettet?“
       
       „Nein, das mache ich immer nur am Wochenende. Heute hab ich historische
       Tänze der Postmoderne gelernt.“
       
       „Bitte was?“
       
       „Im Ententanz und Macarena bin ich schon ganz gut, aber der Gangnam Style
       geht mit Traumkörper doch leichter als in echt.“
       
       9 Nov 2025
       
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