# taz.de -- Queeres Horror-Halloween: Das Monster im eigenen Körper
       
       > Horror als Ausdruck queerer Erfahrungen: Die Ausstellung Nightcrawlers in
       > Schöneberg spielt mit Ausgrenzung, Unterschiedlichsein und Dysphorie.
       
 (IMG) Bild: Grauer Beton ist in der Ausstellung „Nightcrawlers“ wichtig
       
       taz | Aus dem Ende des Ganges in der ehemaligen Brauerei ertönt ein
       metallisches Geräusch, als etwas über den Boden läuft. Das fahle Licht
       flackert. In einiger Entfernung läuft eine gekrümmte, rot gekleidete Figur
       auf die Gäste zu und zieht eine Metallstange hinter sich her. In der
       Dunkelheit wird das Geräusch des Metalls immer intensiver und die
       schlurfenden Schritte kommen näher. Die Besuchergruppe drängt sich die
       Treppe zur Tür hinunter. Das weiße Licht im Flur flackert ein letztes Mal,
       als die Besucher den Saal betreten. Gerade noch rechtzeitig, um die Beine
       der roten Silhouette zu sehen, die oben an der Treppe steht. Es wirkt wie
       ein böser Albtraum.
       
       Die Ausstellung „[1][Nightcrawlers“ in der Malzfabrik] am Südkreuz ist ein
       Ort, an dem dieser Eindruck als Kompliment gilt. Seit 2023 erforscht
       der*die Regisseur*in Jos Porath an Halloween für eine Woche die
       Verbindung zwischen Horror als künstlerischer Ausdrucksform, Queerness und
       dem eigenen Körper.
       
       „Ich hatte immer das Gefühl, dass die Horrorerzählung in ihrer Ästhetik
       eine Möglichkeit bietet, sich über den eigenen Körper auszudrücken, auf
       eine Art, die in anderen Genres aus gesellschaftlich-normativen Gründen als
       zu extrem empfunden werden könnte“, sagt Porath.
       
       Von dem staubigen Betonboden bis zur riesigen Decke wirkt in dieser
       Oktobernacht alles bedrohlich in dem historischen Backsteingebäude. In den
       verschiedenen Etagen hat Jos Porath fünf gruselige Performanceräume
       gestaltet. In jeder Szene wird eine andere Horrorvorstellung dargeboten.
       Alle haben ihre eigene Kulisse, Atmosphäre und Charaktere. Die maskierten
       Kreaturen – gespielt von professionellen Tänzer*innen und
       Schauspieler*innen – fordern, bedrohen und begleiten ihr Publikum durch
       ihren Besuch in dem Spukhaus.
       
       ## Toxische Formen der Selbstinszenierung
       
       Die Besucher*innengruppe betritt einen Raum, der an ein
       minimalistisches Fitnessstudio erinnert – mit grauen Wänden, Metallspinden
       und schweren Gewichten. Die Szenerie könnte aus einem Instagramvideo
       stammen.
       
       Ein vermummter Sportler unterbricht eine energische Box-Kombination, um
       sich in einem bodentiefen Spiegel zu bewundern. Im Hintergrund läuft leise
       Techno-Musik. An die Rückwand des Raumes wird ein Pornofilm projiziert. Auf
       der anderen Seite des leeren Raumes klappert eine Frau mit den Absätzen
       ihrer Stiefel auf dem Boden. Sie schüttelt ihr Haar wie ein Pferd und lässt
       die Schultern hoch und runter baumeln. Neben ihr steht ein Turnpferd.
       
       „Diesen Ausstellungsraum mag ich besonders“, sagt Porath. Vor allem die
       eigenartige Mischung aus Fantasie und politischer Relevanz schätzt er*sie.
       Hier werden toxische Formen der Selbstinszenierung, überzogene Ansprüche
       und die Frage, welcher Körper als wertvoller betrachtet wird, thematisiert.
       Von der „Rocky Horror Show“ über die Burleske der „Adams Family“ bis hin
       zur geschlechtlichen Nonbinarität von „Frankensteins Monster“, greift das
       Horrorgenre immer wieder queere Erfahrungen auf. Dazu gehören sowohl
       Ausgrenzung und Differenz als auch die Ablehnung des eigenen Körpers.
       Er*sie ließ sich selbst von Horrorfilmen wie „Zombie“, und „Hellraiser“
       für seine*ihre Darstellung der Kreaturen inspirieren.
       
       In der anderen Ecke des Raumes ahmt das Mädchen im Crop-Top und in
       Ledershorts weiterhin den Gang des Pferdes nach. Für ein Moment lang sind
       nur noch das hufähnliche Geräusch ihrer Cowboystiefel auf dem Betonboden
       und das Stöhnen aus dem Pornofilm im Hintergrund zu hören.
       
       ## Kann Jesus helfen?
       
       Das Licht flackert, dann hallt das Geräusch einer auf den Boden geworfenen
       Metallstange durch den Raum. Die Gestalt im roten Overall steht wieder vor
       den Besucher:innen. Sie hat kein Gesicht, nur eine Maske aus zerrissenen
       Fleischstücken ist erkennbar. Ein Metallstück liegt zu ihren Füßen, direkt
       vor den Teilnehmer:innen. Die Gruppe hält den Atem an und wartet auf die
       kleinste Bewegung.
       
       „Oh Jesus, Jesus, Jesus!“, schreit eine Besucherin plötzlich auf Englisch
       auf. „I hadn’t seen him!“, sagt sie. Abgelenkt vom roten Monster hat sie
       nicht bemerkt, dass der vermummte Sportler direkt hinter ihr steht, nur
       wenige Zentimeter von ihrem Nacken entfernt.
       
       Eine „typische“ „Nightcrawlers“-Erfahrung gebe es nicht, sagt
       Regisseur*in Porath. Die Ausstellung löse bei den Besuchenden
       unterschiedliche Gefühle aus. „Es geht immer um Konfrontation“, erklärt
       Porath. Die Auseinandersetzung mit den eigenen Ängsten sei oft
       Ausgangspunkt für tiefer gehende Gedankenprozesse. Die
       Schauspieler*innen spielten nicht für das Publikum, sondern bezögen es
       aktiv mit ein. „Es ist ein Spiel mit den Vorbehalten, Stolz und Erfahrungen
       der Besucher*innen.“
       
       Das rote Monster hält einer der Teilnehmer*innen eine Kette hin. Sie
       weicht einen Schritt zurück. Doch die Gestalt besteht darauf und legt ihr
       die Kette in die Hand. „Out! Out!“, schreit der vermummte Sportler und
       schiebt die Besucherin an den Schultern zum Ausgang. Die rote Gestalt führt
       sie an der Leine in den nächsten Raum. Die Besucher*innen winken noch
       einmal zum Abschied. Manche Monster kann man auch lieben lernen.
       
       31 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.instagram.com/nightcrawlers.berlin/?hl=fr
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gabrielle Meton
       
       ## TAGS
       
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