# taz.de -- Vogelgrippe in Deutschland: Gans oder Kranich
       
       > Die Vogelgrippe greift um sich, sowohl Nutztiere als auch Wildvögel sind
       > betroffen. Eine Stallpflicht für Geflügel wird diskutiert.
       
 (IMG) Bild: Traurige Ernte: Freiwillige sammeln sich in Linum, Brandenburg, um verendete Kraniche zu sameln
       
       taz | So schlimm wie in diesem Jahr war es noch nie“, sagt Andreas Pauly,
       Leiter der Abteilung Tiergesundheit des Berliner Zoos. Dieser verlegt seine
       Vögel vorsorglich in Ställe und Volieren. Planen sollen außerdem dafür
       sorgen, dass weder Wildvögel noch ihre Hinterlassenschaften und mit ihnen
       das hochansteckende Vogelgrippevirus H5N1 hineingelangen.
       
       Einige Vögel, wie tropische Störche oder Pelikane, gehen früher als sonst
       ins Winterquartier. „Schön finden wir die Aufstallungen nicht, weil die
       Tiere damit weniger Platz zur Verfügung haben, aber sie sind ein
       notwendiges Übel, um die Vögel vor einer Infektion zu schützen“.
       
       Der Präsident des Zentralverbandes der Deutschen Geflügelwirtschaft,
       Hans-Peter Goldnick, sieht das ähnlich. Er nannte eine bundesweite
       Stallpflicht für Geflügel am Montag die „zentrale Maßnahme im Kampf gegen
       die Ausbreitung des Virus“. Mittlerweile gebe es „verhältnismäßig viele
       Ausbrüche, über die gesamte Bundesrepublik verteilt in allen möglichen
       Geflügelarten“.
       
       Laut dem zuständigen Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) waren am
       Montagmittag deshalb bereits mehr als 500.000 Nutztiere getötet worden, um
       die Vogelgrippe einzudämmen. 31 Ausbrüche in Tierhaltungsbetrieben sind in
       Deutschland seit Anfang September festgestellt worden, die meisten davon in
       Niedersachsen, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Außerdem sind
       Thüringen und Schleswig-Holstein vergleichsweise stark betroffen, in
       Nordrhein-Westfalen gibt es bislang zwei Ausbrüche und in Baden-Württemberg
       und Bayern jeweils einen.
       
       ## Schwerpunkte Brandenburg und MeckPomm
       
       Bei Wildvögeln liegen die [1][Schwerpunkte nach wie vor in Brandenburg] und
       Mecklenburg-Vorpommern, aber auch an in den insbesondere von Kranichen
       aufgesuchten Vogelrastgebieten in Sachsen-Anhalt und Thüringen und
       Niedersachsen. Wie viele Wildvögel insgesamt an der Geflügelpest verendet
       sind, ist den Angaben des Instituts zufolge nicht zu beziffern. Allein in
       Brandenburg sind es laut Loeffler-Institut wohl schon über 1.500
       [2][Kraniche].
       
       Der Ornithologe Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für
       Verhaltensbiologie hält wenig von einer bundesweiten Stallpflicht, um die
       Grippewelle einzudämmen. „Wir müssen feinräumig reagieren, je nach
       Betroffenheit“, sagt er. Insbesondere bei vielen kleinen Geflügelhaltern
       gehe die Aufstallung mit hoher Belastung der Tiere einher, das müsse man
       gut abwägen. Zum Infektionsweg vom Wildvogel in den Stall bestehe noch
       Forschungsbedarf. „Wie genau das Virus von der Ente oder dem Kranich in die
       Geflügelhaltung kommt, das vermuten wir zwar, aber genau wissen wir es
       nicht“, sagt Fiedler.
       
       Auch über die Auswirkungen von Vogelgrippeausbrüchen auf die Bestände von
       Wildvögeln sei noch nicht genug bekannt. „Was passiert mit Populationen,
       wenn plötzlich 5.000 Kraniche sterben?“, fragt der Wissenschaftler,
       „entstehen kranichfreie Gegenden, oder erholen sich die Bestände nach einem
       guten Brutjahr wieder?“
       
       Seit ihrem Auftreten 2006 gibt es regelmäßige herbstliche Ausbrüche der
       Vogelgrippe in Deutschland. „Das erste Mal, dass ich um eine Art Angst
       hatte, war bei dem Ausbruch vor drei Jahren unter Seeschwalben im
       Wattenmeer“, sagt Fiedler. 2022 waren Tausende der Seevögel an dem Virus
       gestorben, doch „die Bestände haben sich erfreulich schnell erholt“. Das
       erwarte er auch beim Kranich.
       
       Die Kraniche aber bieten vorerst ein Bild des Jammers. Swantje
       Petersen-Mannshardt von der Nabu-Gruppe „Kranichschutz Osthavelland“ zählt
       seit 20 Jahren ehrenamtlich Kraniche und ihren Nachwuchs. „Ein solches
       Ausmaß sterbender Vögel habe ich noch nicht erlebt“, sagt sie. Kraniche
       leben inzwischen ganzjährig in Brandenburg, einige bleiben im Sommer oder
       überwintern.
       
       In Massen kommen die Tiere während des Vogelzugs im Herbst. „Sie kommen in
       Familienverbänden, immer ein, zwei Jungvögel mit ihren Eltern“, sagt
       Petersen-Mannshardt. Sie beobachtet Vögel, die einzeln herumfliegen, rufen
       und suchen. „Es ist schrecklich, das mit anzusehen“, berichtet sie, „man
       betreut und betüdelt die, verhindert Solarparks auf ihren Schlafplätzen,
       und jetzt sehe ich, wie sie sich im Kreis drehen, taumeln und rufen wie
       sonst nie“, erzählt die Vogelschützerin. Am schlimmsten sei es, die toten
       Tiere einzusammeln. Das leisten vor allem freiwillige Helfer.
       
       In dem besonders betroffenen Kranicheinstandsgebiet am Gülper See im Norden
       Brandenburgs würden die Kraniche durch die Naturwacht Westhavelland
       geborgen, teilt der Landkreis Westhavelland mit.
       
       In dem weiteren besonders betroffenen Kranicheinstandsgebiet Nauen würden
       die Vögel durch den Betreiber der Klärteiche eingesammelt, die den Tieren
       als Schlafplätze dienen. Während der Berliner Zoo seine Vögel in Volieren
       sperrt, sperrt das Nationalparkamt Vorpommersche Boddenlandschaft
       menschliche Besucher aus. Wegen des „ansteigenden Seuchengeschehens“ dürfen
       sie den östlichen Teil der Halbinsel Zingst nicht mehr betreten, um das
       Virus nicht weiterzutragen und die ohnehin gestressten Tiere nicht zu
       beunruhigen.
       
       27 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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