# taz.de -- Die USA und Lateinamerika: Der Gewinner heißt China
       
       > Trumps Drohungen und Militärschläge gegen Drogenboote können nicht
       > verschleiern: Der Einfluss der USA in Lateinamerika schwindet.
       
 (IMG) Bild: Argentiniens Präsident Javier Milei und der Abgeordnete Diego Santilli bei einer Kundgebung vor den Zwischenwahlen am 26. Oktober
       
       taz | Es war im Jahr 1823, als die USA Lateinamerika zu ihrem persönlichen
       Hinterhof erklärten. In einer Rede an die Nation führte der damalige
       US-Präsident James Monroe die nach ihm benannte Doktrin aus: Die USA würden
       künftig jede weitere Einmischung der europäischen Kolonialmächte in der
       westlichen Hemisphäre als Affront begreifen und selbst dagegen vorgehen.
       
       Eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten amerikanischer Staaten –
       das wurde spätestens Ende des 19. Jahrhunderts klar – betrachteten die USA
       als ein Recht, das ihnen allein zustand. Besonders während des Kalten
       Krieges setzten die USA ihre Wirtschaftsinteressen in Lateinamerika mit
       Gewalt durch, sägten demokratisch gewählte Staatschefs ab und installierten
       an ihrer statt Militärjuntas und Diktatoren.
       
       An dieses Erbe will US-Präsident Donald Trump anscheinend anknüpfen. Trump
       hat bereits zu Beginn seiner Amtszeit gedroht, er hole sich [1][den
       Panama-Kanal] notfalls mit Gewalt zurück. Vergangene Woche sagte er, er
       habe der CIA erlaubt, Operationen in Venezuela durchzuführen. Und das
       US-Militär bombardiert seit einigen Wochen immer wieder [2][vermeintliche
       Boote von Drogenschmugglern] in internationalen Gewässern vor der Küste
       Südamerikas.
       
       ## Die Monroe-Doktrin 2.0
       
       Das US-amerikanische Center for Strategic and International Studies spricht
       deshalb in einem Text von einer „Monroe-Doktrin 2.0“. Die Autoren meinen
       damit eine Politik, die gegenüber den lateinamerikanischen Staaten nicht
       mehr auf Soft Power, sondern auf militärische Gewalt und Drohungen setzt
       sowie auf wirtschaftlichen Zwang und Handelsdruck.
       
       Das ist zumindest die zornige Seite der Trump’schen Wirtschaftspolitik. So
       verhängten die USA Zölle in Höhe von 25 Prozent gegen Mexiko und Kolumbien.
       Brasilien belegte Trump gar mit Zöllen von 50 Prozent, womit er auf die
       Verurteilung eines seiner Verbündeten reagierte, des früheren Präsidenten
       Jair Bolsonaro, der nach seiner Wahlniederlage 2022 einen Putsch gegen
       seinen Nachfolger, Präsident Lula da Silva, plante.
       
       Auf der anderen Seite versucht der US-Präsident, seine ideologischen
       Verbündeten aufzupäppeln. In Argentinien beglückte Trumps Finanzministerium
       den rechtslibertären Javier Milei mit einem Währungstausch von 20
       Milliarden US-Dollar (rund 17 Milliarden Euro) gegen 20 Milliarden Peso –
       quasi ein Kredit, um der schwächelnden Wirtschaft des Landes zu helfen.
       
       Mileis radikaler Sparkurs, inklusive harter Einschnitte in der Alters- und
       Krankenversorgung, hatte zwar die explodierende Inflation eingedämmt,
       gleichzeitig aber zu einem erheblichen Anstieg der Arbeitslosigkeit und
       Armut geführt. Bei den Kommunalwahlen vor einigen Wochen wurde seine von
       Partei deshalb an der Urne abgestraft. Ein ähnlich gutes Verhältnis pflegt
       Trump auch zu El Salvadors rechtem Staatschef Nayib Bukele, der im Gegenzug
       abgeschobene Migranten aus den USA in seinen Gefängnissen aufnimmt.
       
       ## China hat umfassende Wirtschaftsbeziehungen
       
       [3][So hilft Trump jenen Staatschefs], die ihm ideologisch gewogen sind,
       und giftet gegen solche, die sich seiner Politik widersetzen – der
       Journalist Simon Disdall bezeichnet das im Guardian als „großen Sprung nach
       hinten“ in der US-Lateinamerikapolitik. Aber reicht das, um hier wirklich
       eine neue Doktrin zu erkennen?
       
       In jedem Fall kann man die Trump’sche Politik gegenüber seinen südlichen
       Nachbarn nicht ohne eine langfristige Entwicklung verstehen: die seit den
       1990ern stetig wachsende Rolle Chinas in der Region. Die
       lateinamerikanische Wirtschaft ist mittlerweile tief mit der chinesischen
       verflochten. Auch wurde China kürzlich als Beobachterstaat in die
       Andengemeinschaft aufgenommen, der Bolivien, Kolumbien, Ecuador und Peru
       angehören, und ist darüber hinaus in acht weiteren regionalen
       Organisationen vertreten.
       
       Ferner hat China seine Wirtschaftsbeziehungen mit den Mercosur-Staaten
       intensiviert und bilaterale Handelsverträge mit mehreren Staaten
       abgeschlossen. Die chinesische Führung investiert eifrig und verteilt
       Kredite. Erst vor Kurzem eröffnete der chinesische Autohersteller BYD seine
       größte Fabrik außerhalb Chinas in Brasilien – das Projekt in der Nähe der
       Küstenstadt Salvador de Bahia soll insgesamt 20.000 Arbeitsplätze schaffen.
       
       Schon 2023 brachte eine parteiübergreifende Gruppe von US-Senatoren ein
       Gesetz auf den Weg, das den Einfluss Chinas in der Interamerikanischen
       Entwicklungsbank (IDB) einhegen soll. Einer der Treiber der Initiative war
       der damalige US-Senator Marco Rubio, der heute als US-Außenminister ein
       zentraler Architekt von Trumps Lateinamerikapolitik ist. Doch das Gesetz
       ist bis heute nicht in Kraft.
       
       ## Die USA sind nicht die einzige Supermacht, die in Südamerika
       intervenieren
       
       Beachtenswert ist auch ein aktueller Text zu Trumps Lateinamerikapolitik im
       Quincy Institute for Responsible Statecraft. Als
       konservativ-isolationistischer Thinktank steht das Institut
       US-Militärinterventionen kritisch gegenüber. In ihrer Analyse beschreiben
       die Autoren das Vordringen Chinas als strategisches Scheitern der USA.
       Viele lateinamerikanische Staaten würden China als verlässlicheren Partner
       sehen, während die USA auf sie „reaktiv, inkonsistent oder abwesend“
       wirkten.
       
       Selbst die trumptreuen Präsidenten Milei und Bukele haben ihre
       antichinesische Rhetorik in den vergangenen Monaten eingedämmt und setzen
       sich hinter den Kulissen für eine Verbesserung der Beziehungen zu Peking
       ein. Daraufhin sollen Trumps Verhandler im Gegenzug zu der
       20-Milliarden-Dollar-Hilfe verlangt haben, dass Argentinien seine
       Beziehungen zu China zurückfährt.
       
       So erscheint Trumps Brustgetrommel eher als erbärmlicher Versuch, die
       verlorene Macht rhetorisch und symbolisch zu projizieren. Wenn Trump
       gleichzeitig USAID-Hilfen streicht und regionalen Organisationen
       finanzielle Unterstützung entzieht, öffnet das umso mehr Türen für China.
       Das heißt nicht, dass man Trumps Kriegsdrohungen keinerlei Bedeutung
       zumessen sollte. Doch die Zeiten, in denen die USA als einzige Supermacht
       in Südamerika intervenieren, sind lange vorbei. So sehen wir gerade wohl
       auch keine Neuauflage der Monroe-Doktrin, sondern vielmehr ihr
       allmähliches, groteskes Ende.
       
       21 Oct 2025
       
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