# taz.de -- Neues Synthesizeralbum von Sam Prekop: Wortlos episch
       
       > Das neue Album von US-Künstler Sam Prekop, „Open Close“ ist am modularen
       > Synth entstanden. Sein Sound ist mathematisch exakt und zugleich jazzig
       > frei.
       
 (IMG) Bild: Sam Prekop bei einem Konzert in New York im April 2025
       
       Auf und zu, weit und nah: Bereits im Titel seines neuen Soloalbums „Open
       Close“ legt Sam Prekop verschiedene Fährten und Fäden aus. Es ist
       einfacher, den einen zu folgen, als die anderen zu entwirren. Das mag im
       Sinne des Erfinders sein, sagt Prekop doch zu Beginn eines auf Youtube
       veröffentlichten Interviews, er verliere schnell das Interesse, wenn sich
       Dinge als zu offensichtlich erweisen.
       
       Die Musik von „Open Close“ ist mit einem modularen Synthesizer entstanden.
       Prekop hat sein neuntes Soloalbum vollständig instrumental gehalten. Das
       war nicht immer so, doch ist der 60-jährige Multiinstrumentalist und Sänger
       aus Chicago nicht erst gestern auf den diskreten Trip gekommen. „Open
       Close“ umfasst sechs Stücke mit einer Dauer von 36 Minuten. In dieser Zeit
       wird Prekop schon mal wortlos episch.
       
       Den Auftakt bildet das achtminütige Titelstück, bei dem eine Melodie,
       welche man sich als die einer Spieluhr denken kann, dezent im Hintergrund
       läuft, um alsdann eine weitere Klangfläche einzuziehen. Prekops Trick ist
       nun, die kurz fallen gelassene Hookline vom Anfang wieder in den
       Vordergrund zu ziehen und dann Sound um Sound zu schichten.
       
       ## Hypnotische Repetitionen
       
       Nicht lange, dann ist ordentlich etwas los: Neugierig machende Geräusche
       wie das Suchen auf der Skala eines alten Radios, das Einwahlknarzen eines
       Modems – auch das ist mittlerweile historisch –, dann wird es rhythmisch.
       Der elektronisch erzeugte Beat einer geschlossenen Hi-Hat legt sich zum
       ersten Mal unter die Musik und wird uns auf dem Album noch mehrmals
       begegnen. Hypnotische Motivwiederholungen, Nuancen und Variationen, eine
       Art Glockenspiel, dann die Bassdrum und Verdichtung. Hast du Töne!
       
       Wer macht so etwas? Hört man Shrimp Boat, das Brillenträger-Quartett, in
       dem Sam Prekop Ende der 1980er in der Chicagoer Indieszene debütierte,
       erklingt noch halbwegs erdverbundener Freakrock, der sich anschickt, nicht
       mehr klassisch sein zu wollen. Klar sind da Gitarren, aber auch bereits
       Saxofone, Keyboards und überraschende Taktwechsel.
       
       Nach der Auflösung von Shrimp Boat 1993, gründeten Gitarrist und Bassist
       Sam Prekop und Eric Claridge The Sea and Cake, die mit den geistig und
       personell verbundenen Tortoise und Gastr Del Sol auf den Labels Thrill
       Jockey und Dragcity die großen Drei des Postrock konstituierten.
       
       ## Viel Experiment, null Machismo
       
       Der erst einmal wenig konkrete Begriff umfasst eines der interessantesten
       musikalischen Kapitel der neunziger Jahre. Postrock meint eine Spielart von
       Rockmusik, in die Folk und experimentelle Musik inkorporiert sind, aber das
       machistische Inszenierungsspektakel von Rock ausgespart bleibt.
       
       The Sea and Cake mit Prekop als Sänger und Komponisten waren dabei die
       zugänglichste Band. Vom Innencover ihres 1994 erschienenen Debütalbums
       grüßte Charles Mingus, jener US-Jazzgigant, bei dem sich Tradition und
       Innovation, Groove und Gehirnschmalz nicht ausschlossen.
       
       Das Chicago der neunziger Jahre war durch ein Unterseekabel auch mit Berlin
       verbunden und umgekehrt. 1998 organisierte die US-Künstlerin Sarah Marrs,
       sie und Sam Prekop hatten beide die Kunsthochschule am Art Institute in
       Chicago besucht, einen transatlantischen Austausch. Die Musiker Brad Hwang,
       Bertram Denzel und Erik Huhn als Trio Triplum, [1][Bernd Jestram und Ronald
       Lippok als Tarwater,] Robert Lippok von To Rococo Rot und der
       Schriftsteller [2][Henryk Gericke] machten sich auf den Weg in die
       drittgrößte Stadt der Vereinigten Staaten.
       
       ## Eine Bar namens „Rainbow“
       
       Die Berliner nahmen dort an der Ausstellung „Tchikago“ in der Galerie Gary
       Marks teil und frequentierten mit der Bar Rainbow auch den Treffpunkt von
       The Sea and Cake und Co. Mit von der Partie war Thelonious Monk: An der
       Wand hing ein gestickter Teppich, auf dem der Jazzerneuerer am Piano zu
       sehen war.
       
       Bernd Jestram erinnert sich an Musiker und Labelmenschen hinter dem Tresen,
       Gericke an ein aufgeschlossenes Publikum davor. Im selben Jahr erschien mit
       „Rabbit Moon Revisited“ auf dem Chicagoer Label Capstack ein Album von
       Tarwater.
       
       Es empfiehlt sich, diese Musik einmal in einem Atemzug mit einer der
       nordamerikanischen Postrock-Veröffentlichungen jener Zeit zu hören. Damals
       veröffentlichte auch Sam Prekop sein Debüt als Solist. Wie das nachfolgende
       Werk „Who’s Your New Professor“ enthält es psychedelisch versponnene
       Popsongs. Die Musik ist voller dezenter Details und feinsinniger Schleifen.
       
       ## Nicht quantitativ messbar, trotzdem toll
       
       2007 kündigte Prekop auf der dem Künstlerbuch „Photographs“ beigelegten CD
       eine elektronische Phase an. In Albumlänge läutete er sie dann 2010 mit
       „Old Punch Card“ ein. Seitdem hat sich Prekop immer weiter vom Synthesizer
       herausfordern lassen. Eventuell hat das Einschwenken vom Songwriting zur
       elektronischen Musik mit dazu geführt, dass Sam Prekop bis jetzt kein Star
       im quantitativen Sinne geworden ist, wie seine Künstlerkollegin, die
       Französin Lætitia Sadier von der Avant- und Agitpopband Stereolab einmal
       bemerkte. Aber, sie fügte hinzu, dass Prekop, Beitragender zu einem ihrer
       Soloalben, sich wohl auch vor dem Ruhm schützen wolle.
       
       Wer Prekop sieht, wie er auf Youtube vor einem Raumteiler zwischen
       Plattenregal und Grünpflanzen über sein neues Album spricht, erlebt einen
       unprätentiösen Künstler, der am Synthesizer so entwaffnend agiert wie vor
       dem Mikrofon und an der Gitarre. Der modulare Synthesizer, den Prekop
       spielt, ist kein Produkt von der Stange, sondern ein Instrument zum Tüfteln
       und Basteln. Schaltkreise, Schräubchen, Schalter und kunterbunte
       Verkabelung lassen die Augen mithören.
       
       Das Albumcover zeigt eine Luftfotografie Prekops, für die Rückseite hat er
       eine eigene Zeichnung ausgewählt, die eine Stadt als Regal oder umgekehrt
       zeigen könnte. Ein Blick für geometrische Strukturen fällt auf. Dabei zieht
       Prekop den Zufall dem System vor, besser noch, es geht ihm um Parameter in
       einem Zufallssystem, sagt er. „Open Close“ wollte er mehr abstrakt haben,
       das Album sollte mehr Noise enthalten. Und, Klarheit ist ihm wichtig.
       
       „Font“, das fünfminütige zweite Stück könnte mit Hi-Hat und Glockenspiel
       aus dem Auftaktsong erwachsen sein, klingt aber mehr seriell. Die
       zweiminütige Vignette „Para“ hebt von einem ruhigen, orgelhaften Auftakt
       ab. Etwa später folgt dann pianistisches Pingpong: Das beschwingte „Light
       Shadow“ kommt in seiner Motivverarbeitung dem Jazz sehr nahe; am Ende der
       sieben Minuten taucht in einer geisterhaften Coda eine neue Melodie auf. „A
       Book“ sind akzentuierte sechs Minuten.
       
       Dann klappt Sam Prekop mit der vierminütigen „Opera“ seinen Klangfilm fürs
       Erste zu. Unbedingt weitermachen! Bis dahin ist hin und weg noch
       untertrieben.
       
       10 Oct 2025
       
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