# taz.de -- Regierungskrise in Frankreich: Bewährung verlängert
       
       > Frankreichs Premierminister Lecornu bleibt im Amt. Ein Misstrauensantrag
       > scheiterte knapp, weil die Sozialisten der Abstimmung fernblieben.
       
 (IMG) Bild: Zuhören und Espresso trinken: Der französische Premier Lecornu in der Nationalversammlung
       
       Paris taz | Am Donnerstagmittag konnte die französische Regierung aufatmen.
       Der Misstrauensantrag der linken Opposition gegen Premierminister Sébastien
       Lecornu fand keine Mehrheit. Damit darf die nur wenige Tage alte Regierung
       ihre Arbeit fortsetzen und die Debatte über den Staatshaushalt für das
       kommende Jahr aufnehmen.
       
       Entscheidend war, dass zahlreiche Abgeordnete der Parti Socialiste (PS) der
       Abstimmung fernblieben, sodass die erforderliche Mehrheit von 289 Stimmen
       verfehlt wurde. Nur 271 Abgeordnete sprachen sich gegen die Regierung aus,
       obwohl auch die meisten Rechtspopulisten für den Antrag votiert hatten.
       
       Ein separater Antrag der Rechtspopulisten von Marine Le Pen bekam nur 144
       Stimmen, weil die Linke hier nicht mit dem Rassemblement National (RN)
       stimmte. Dessen Sprecherin hatte in ihrer sehr vehementen Rede vor den im
       Saal spärlich präsenten Abgeordneten „das Volk“ gegen die „Herrschaft der
       Parteien“ ausgespielt und in diesem Sinne unverzüglich Neuwahlen gefordert.
       Vor einem solchen Urteil der Wähler, so ihre Botschaft, fürchteten sich
       Macronisten, Konservative und Sozialisten aber gleichermaßen.
       
       Dass Lecornu die Kraftprobe im Parlament überstehen konnte, verdankt er
       weitgehend den Sozialisten. Er hatte in seiner Regierungserklärung der
       Opposition versprochen, er werde auf die von ihr rundweg abgelehnte
       Rentenreform von 2023 nun doch zurückkommen und [1][die bereits in Angriff
       genommene Erhöhung des Renteneintrittalters auf 64 aussetzen]. Aktuell
       liegt das Renteneintrittsalter bei 62 Jahren und neun Monaten.
       
       ## Scharfe Kritik an den Sozialisten
       
       Im Gegensatz zu den übrigen Parteien der linken Wahlallianz „Neue
       Volksfront“ (NFP) – bestehend aus Grünen, Kommunisten und La France
       insoumise (LFI) – zeigt sich PS-Chef Olivier Faure offen für Gespräche mit
       Sébastien Lecornu. In der vorausgegangenen Diskussion über die
       Misstrauensanträge hatte der PS-Abgeordnete Laurent Baumel als Sprecher
       seiner Fraktion von Lecornu in der Haushaltsdebatte weitere Konzessionen
       verlangt. Nur so komme Frankreich aus der Krise heraus, in die es wegen
       Präsident Emmanuel Macron geraten sei. Baumel betonte, Lecornu könne das
       nicht als Blankoscheck nehmen. Die Sozialisten würden unverzüglich die
       Regierung stürzen, falls er sein Versprechen nicht halte.
       
       Wegen ihres Ausscherens aus der linken Einheit werden die Sozialisten von
       ihren bisherigen Bündnispartnern scharf kritisiert. Sie hätten das
       gemeinsame Programm der NFP verraten, das einen „Bruch“ mit der Politik von
       Macron vorsah, sagte die LFI-Fraktionschefin Mathilde Panot. Sie forderte
       die sozialistischen Basismitglieder und namentlich den Jugendverband der PS
       auf, sich gegen die Linie von Parteichef Faure aufzulehnen. Laut einer
       Umfrage hätten mehr als 60 Prozent der PS-Sympathisanten gewünscht, dass
       die Sozialisten für den Sturz der Regierung Lecornu stimmen.
       
       Faure wiederum sprach am Dienstag von einem „historischen Sieg“, da Lecornu
       eine Pause bei der Rentenalter-Erhöhung bis 2028 zugesagt hatte. Bei
       genauerem Hinsehen könnte sich das Versprechen des Premiers jedoch als
       politische Falle entpuppen. Denn erstens handelt es sich keineswegs um
       einen Verzicht – das hat der Regierungschef explizit am Mittwoch vor dem
       Senat betont –, sondern um eine vorübergehende Aussetzung, deren Kosten in
       anderer Weise gedeckt werden müssten.
       
       Zweitens soll diese Maßnahme ins Gesetz über die Finanzierung der
       Sozialversicherungen eingebracht werden, über das in den kommenden Wochen
       beraten wird. Das bedeutet: Will die Linke die Reformpause tatsächlich
       gesetzlich verankern, muss sie den gesamten Haushaltsentwurf der Regierung
       mittragen.
       
       Sowohl die Linke wie die populistische Rechte betrachten die
       Haushaltsdebatte als nächste Runde der Kraftprobe zwischen der
       Mitte-Rechts-Regierung und der Opposition. Der Kampf gegen die Sparpolitik
       sei „die nächste Schlacht“, erklärte der LFI-Abgeordnete Éric Coquerel im
       Fernsehen. Seine Partei plane zudem, erneut ein Verfahren zur Amtsenthebung
       von Präsident Macron einzuleiten – nachdem bereits drei ähnliche Versuche
       gescheitert waren.
       
       18 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Rudolf Balmer
       
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