# taz.de -- Freundschaft in Syrien: Kleines Glück inmitten von Krieg
       
       > In den Flüchtlingslagern um Idlib verabschieden sich dieser Tage viele
       > Kinder und deren Familien voneinander. Oft ist es ein Abschied enger
       > Freunde.
       
 (IMG) Bild: Rückkehr und Aufbruch in Idlib
       
       Zum Ende des Schuljahres kam meine neunjährige Tochter Malak traurig von
       der Schule nach Hause. Tränen liefen ihr über das Gesicht, sie konnte kaum
       sprechen. In ihren Händen hielt sie eine Rose, die sie zum Abschied von
       ihrer Freundin Farah bekommen hatte. Drei Jahre lang hatten die Mädchen in
       den engen Gassen unseres Idliber Viertels Wadi al-Naseem miteinander
       gespielt.
       
       Die seit 2011 stark umkämpfte Stadt, unweit der syrisch-türkischen Grenze,
       war während des Bürgerkrieges Rückzugsort der Oppositionellen und hatte
       über die letzten Jahre hunderttausende Zivilisten aus ganz Syrien
       aufgenommen. Wir Vertriebenen lebten hier gegen eine kleine monatliche
       Miete in einfachen Häusern oder – wer sich keine Miete leisten konnte – in
       Zelten in den Flüchtlingslagern am Rande der Stadt.
       
       Oft tauschten Malak und Farah Zettelchen aus, die von Liebe und ewiger
       Freundschaft erzählten. Sie schmiedeten Pläne für gemeinsame
       Unternehmungen, feierten alle Feiertage und ihre Geburtstage miteinander.
       Nun fand all dies plötzlich ein Ende. Malak erklärte, dass Farahs Familie,
       jetzt, da das Assad-Regime gefallen war, in ihre Heimatstadt Chan Scheichun
       zurückkehren würde. 2017 war die Stadt von Assad aus der Luft mit dem
       Giftgas Sarin angegriffen worden, wodurch die Bewohner gezwungen waren, zu
       fliehen.
       
       Rund um Idlib und Aleppo verabschieden sich in diesen Tagen viele Kinder
       und Jugendliche voneinander. Oft ist es ein Abschied nach mehreren Jahren,
       meist für immer. So bereiten derzeit viele Familien ihren Neuanfang im Land
       vor. Einige gehen nach Damaskus, Homs oder Aleppo, um Arbeit zu finden.
       Andere müssen in den Flüchtlingslagern bleiben, weil sie im Krieg alles
       verloren haben. Nach Angaben des Büros für die Koordination humanitärer
       Angelegenheiten der Vereinten Nationen (OCHA) kehrten seit Dezember 2024
       mehr als 500.000 Binnenvertriebene in ihre Herkunftsgebiete zurück, während
       im gleichen Zeitraum mehr als 400.00 Flüchtlinge aus dem Ausland nach
       Syrien heimkehrten. Im Nordwesten Syrien leben weiterhin rund eine Million
       Vertriebene unter prekären Bedingungen.
       
       Ich weiß, dass Abschiede nie leicht sind, aber wie sollen Kinder mit dem
       Verlust von Freunden umgehen, mit denen sie während der Zeit der
       Vertreibung gespielt, gelebt und trotz der Grausamkeit des Krieges
       glückliche Momente geteilt haben?
       
       Auch ich bin traurig, mich von Farahs Mutter zu verabschieden. Sie war
       meine Nachbarin und wurde meine Freundin. Unmittelbar nach der Geburt
       meiner Tochter war sie für mich da, gemeinsam erlebten wir Raketenangriffe
       auf Idlibs Wohngebiete, Märkte und Krankenhäuser. Als am 6. Februar 2023
       ein Erdbeben den Süden der Türkei und Norden Syriens erschütterte, waren
       wir zusammen und suchten aus Angst vor einstürzenden Gebäuden Zuflucht am
       Rande der Stadt. Oft gingen wir gemeinsam in den Park, unterstützen uns
       beim Kochen und unsere Kinder bei den Hausaufgaben.
       
       Natürlich freut es mich, dass sie in ihr altes, frisch renoviertes, Haus
       zurückkehren kann, doch werde ich nie wieder ihr köstliches
       Hähnchen-Paprika-Gericht essen und ihr auch nie wieder mein „Tabouleh“ ins
       Nachbarhaus schicken lassen, das sie so gerne mochte. Vor unserem Abschied
       tranken wir noch eine letzte gemeinsame Tasse Kaffee.
       
       Das war eine weitere schmerzhafte Erinnerung, denn Farahs Mutter war nicht
       die einzige Freundin, von der ich mich zuletzt verabschieden musste. Nach
       und nach leeren sich die Häuser in unserer Nachbarschaft. Jeden Tag sehen
       wir große Fahrzeuge, die mit Gepäck beladen sind, Zivilisten in die alte
       Heimat bringen. Die Situation ähnelt der in vielen Lagern, die in den
       letzten Jahren mit Menschen überfüllt waren und jetzt fast leer und still
       sind.
       
       Wir werden bleiben, unser Haus ist vollständig zerstört und unser Dorf
       Tarmala im Süden der Provinz Idlib nicht mehr bewohnbar. Eine Rückkehr ist
       derzeit nicht geplant. Und so erinnere ich mich oft an die vielen Gesichter
       und Namen, an die schönen Erlebnisse der letzten Jahre, die es wert sind,
       bewahrt zu werden. Ich habe in Idlib Menschen getroffen, denen ich unter
       anderen Umständen niemals begegnet wäre. Ich habe hier Sprachen, Küchen und
       Gewohnheiten kennengelernt und gelernt, offen und tolerant gegenüber
       anderen zu sein.
       
       Vierzehn Jahre Bürgerkrieg haben die Kulturen unseres multiethnischen
       Landes miteinander verschmelzen lassen. Entgegen den Plänen des
       Assad-Regimes, das die syrische Gesellschaft spalten wollte, haben wir uns
       kennen- und schätzen gelernt. Die Ironie dabei ist, dass uns die
       schmerzhaften Erfahrungen während des Krieges miteinander verbündeten.
       
       Zwei Monate nach ihrer Abreise traf ich Farahs Mutter wieder. Sie war nach
       Idlib gekommen, um die Papiere für die Anmeldung ihrer Kinder in der neuen
       Schule zu erhalten. Sie erzählte mir, wie sehr sie Idlib und uns vermissen
       würde, und auch dass sie sich noch immer nicht an das Leben in ihrem Land
       gewöhnt hätte.
       
       18 Sep 2025
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Omayma Mohamad
       
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