# taz.de -- Die Kunst der Woche: Fehler aller Art
       
       > Fotos, überall Fotos: Ungewohntes Strahlen im Nachlass Daniel Josefsohn
       > bei Crone. Personal Darlings mit reduziertem Fehlergehalt bei
       > ep.contemporary.
       
 (IMG) Bild: Karoline Bofinger, „Aisha Franz (ICC Tunnel)“, 2024, aus der Serie „Comicszene Berlin“
       
       „Untitled, 1996“, (archiviert unter DJo/F96-014) scheint eines der ganz
       harmlosen Porträts der Ausstellung „Unseen“ mit den nachgelassenen Bildern
       von Daniel Josefsohn (1961–2016) bei [1][Crone] zu sein. Doch die
       Fotografie hat es in sich. Sie zeigt ein strahlendes, unbekümmertes Mädchen
       unter der Dusche, eine glückliche junge Frau. Und wo bitte gibt es denn so
       etwas? Wo in aller Welt? Hinter diesem Bild steckt eine lange Geschichte
       der Auflehnung und der Selbstbehauptung. Eine Geschichte, die hier ihren
       Höhepunkt und womöglich auch ihr Ende fand – in einer Welt Mitte der 1990er
       Jahre, kurz nach der Wende, als die These vom „Ende der Geschichte“ aufkam
       und Karriere machte.
       
       Es war eine sorglose Zeit, politisch, gesellschaftlich und finanziell, in
       der Daniel Josefsohns jugendliche Protagonisten unterwegs waren. Und
       niemand scheint die euphorische Atmosphäre von verschwenderischer,
       exhibitionistischer Freiheit und abgefucktem Glamour besser eingefangen zu
       haben als DJ, wie der Skater, Raucher und unternehmerischer Hans Dampf in
       allen Gassen seine Aufnahmen signierte.
       
       In den von Ingo Taubhorn, dem bis 2023 tätigen Kurator am Haus der
       Photographie in Hamburg, ausgewählten 81 Aufnahmen fällt Josefsohns
       besondere Sensibilität für die Unbeschwertheit und berechtigte Naivität
       seiner Protagonisten auf. Darin unterscheidet er sich von Nan Goldin oder
       Wolfgang Tillmans, die wie er in der Szene unterwegs waren.
       
       Man könnte jetzt meinen, dass er als Magazinfotograf für Zeitschriften wie
       Tempo, Jetzt, das SZ-Magazin und das Zeit Magazin einem Hauch
       Werbefotografie nicht entkam. Aber das ist es nicht. Er selbst, der als
       Sohn jüdischer Eltern weiß Gott um das Leid der Welt wusste, strahlt in
       seinen beiden Selbstporträts am Anfang und am Ende der Ausstellung diesen
       Lebensgenuss aus.
       
       Josefsohn konnte die Unbeschwertheit sehen, auch wenn das jetzt wie ein
       Widerspruch erscheint, weil seine Protagonisten rumhingen, knutschten,
       rauchten und ihr Leben lebten, ohne es ständig für die Kamera zu
       inszenieren und medial zu spiegeln. Sie waren ganz bei sich, nur manchmal
       war halt einer dabei, der fotografierte. Dass Josefsohn in diesen Jahren zu
       den stilbildenden Fotokünstlern zählte, dürfte den meisten, wenn sie es
       denn wussten, gleichgültig gewesen sein.
       
       ## „Alle Fehler behoben!“
       
       „Show Your Darling“ heißt die Ausstellung bei ep.contemporary, in der 38
       Fotograf:innen mit je einer Arbeit vertreten sind. Sie sind der
       Einladung von Sabine Wild gefolgt, die [2][seit 2015 unter diesem Titel]
       Fotografen und Fotografinnen um ihre Positionen zu einem bestimmten Thema
       bittet. In Ausgave V geht es jetzt um den erleichterten Seufzer „Alle
       Fehler behoben!“.
       
       Einige der Teilnehmenden wussten wahrscheinlich sofort, welche Arbeit sie
       einreichen wollten, während andere sich erst auf die Suche machen mussten
       und dabei ihr Portfolio noch einmal unter einem doch recht ungewöhnlichen
       Blickwinkel studierten. Denn was betrachtet man überhaupt als Fehler? Wann
       wäre er dann behoben? Und wie stellt sich das im Bild dar?
       
       Am einfachsten wohl in der Fotografie von Norbert Holick, die ein kaputtes
       Rücklicht eines Minis zeigt, das mit transparentem Klebeband fixiert wurde.
       Holick zitiert dazu ChatGPT, das hier ein „Spannungsfeld: Praktikabilität
       vs. Rechtsstaat“ entdeckt: „In der Realität nutzen viele Menschen
       Provisorien, um Zeit, Geld oder Bürokratie zu sparen. Der Staat hingegen
       muss Sicherheitsstandards und Gleichbehandlung durchsetzen. Das führt zu
       Konflikten zwischen individueller Lebensrealität und rechtlichen
       Anforderungen – z.B. wenn sich jemand keine teure Reparatur leisten kann,
       aber das Fahrzeug braucht, um zur Arbeit zu kommen.“
       
       Auch Eric Pawlitzkys neun kleine Schwarz-Weiß-Aufnahmen mit dem Titel „Der
       größte Fehler: teure Kamera. Behoben. Ein Sommertag in Berlin“ zeichnen
       sich durch einen unkomplizierten, überzeugenden Witz aus. Bei anderen
       Fotografien bleibt der behobene Fehler eher ein Geheimnis, was die Qualität
       der Arbeit natürlich nicht mindert, im Gegenteil. Besteht er beim „Pferd
       mit Gendefekt“ von Fred Hüning darin, dass das blonde, blauäugige Tier
       überhaupt lebt?
       
       Und wo läge er bei Karoline Bofingers verwunschenem Porträt „Aisha Franz“?
       Darin, dass der ICC-Tunnel erst einmal gesäubert und von Glassplittern
       gereinigt werden musste, bevor sich die Illustratorin und Comicautorin der
       Fotografin dort als einer ihrer Figuren präsentieren konnte?
       
       Unabhängig von der Themenstellung will die Selbstorganisation Berliner
       Fotograf:innen einfach Gelegenheit bieten, interessante
       Protagonist:innen kennenzulernen. Nora Bibel, die sich mit dem
       Klimawandel auseinandersetzt, Nadja Bournonville, die eine Fotorecherche in
       die Familiengeschichte unternimmt, und nicht zuletzt Sabine Wild mit ihren
       bildgewebten Architekturaufnahmen, um nur einige zu nennen.
       
       10 Oct 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.galeriecrone.com/berlin
 (DIR) [2] https://showyourdarling.de/home/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) taz Plan
 (DIR) Berliner Galerien
 (DIR) zeitgenössische Fotografie 
 (DIR) Kunst Berlin
 (DIR) Berliner Galerien
 (DIR) zeitgenössische Fotografie 
 (DIR) Kunst Berlin
 (DIR) Reden wir darüber
 (DIR) zeitgenössische Fotografie 
 (DIR) taz Plan
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: Nahaufnahmen des Kleinen
       
       Zwei Ausstellungen widmen sich Werken, die im Kleinen große Geschichten
       erzählen – von Google-Street-View-Fragmenten bis zu ukrainischen
       Tarnnetzen.
       
 (DIR) Fotoausstellung Daniel Josefsohn: In seiner Wildheit regiert Empathie
       
       Daniel Josefsohns intime Fotografie zeigt, wie verkommen die
       Magazinpublizistik heute ist – und, wie sie wieder positiv verrückt werden
       könnte.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: Elementares Sehen
       
       Bewegte Malerei gibt es mit Lee Bae, Tauba Auerbach und Dan Walsh zu sehen.
       Am Freitag feiert das Goldrausch-Künstler*innenprogram 35 Jahre Jubiläum.
       
 (DIR) Druckschluss der Werktagstaz: Prêt-à-papier
       
       In wenigen Wochen steht das Ende der gedruckten Werktagstaz bevor. Zu
       diesem Anlass hat die Designerin Ellena Lüking ein Kleid aus tazzen
       entworfen.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: So geht Wut
       
       Clara Bahlsen wütet durch die Villa Heike, Joachim Grommek malt die Störung
       und im Projektraum Kleistpark reflektieren Künstlerinnen das Thema Arbeit.
       
 (DIR) Die Kunst der Woche: Strukturen des Seins
       
       Bei Janice Mascarenha dreht sich alles um das identitäststifende Potential
       von Haaren. Bei Okka-Esther Hungerbühler trifft man eine merkwürdige
       Kreatur.