# taz.de -- Kinotipp der Woche: Räume und Menschen
       
       > Judit Elek trat 1956 als erste Frau ein Filmstudium in Budapest an. Und
       > wurde später zu einer zentralen Figur der Erneuerung des ungarischen
       > Films.
       
 (IMG) Bild: Still aus „Sziget a szárazföldön“ („The Lady from Constantinople“), Ungarn 1969
       
       Die Protagonistin von „Sziget a szárazföldön“ („The Lady from
       Constantinople“) lebt in Erinnerungen – und ist manchmal freigiebiger mit
       diesen, als anderen lieb ist. Als ein Dozent sich in einem Vortrag über
       Konstantinopel und dessen Sehenswürdigkeiten ergeht, unterbricht sie ihn
       wiederholt, um seine Ungenauigkeiten zu korrigieren und durch etwas
       mäandernd wiedergegebene Anekdoten zu ergänzen.
       
       Sie lebt in einer geräumigen Wohnung, in der sie ihre Erinnerungen
       konserviert wie in einem lebensgroßen Einmachglas. Als sie sich schließlich
       entschließt, die Wohnung zum Tausch anzubieten, füllen sich die Räume
       schnell mit Menschen und so auch mit Leben.
       
       „Sziget a szárazföldön“ ist das Spielfilmdebüt der ungarischen Regisseurin
       Judit Elek. Bereits seit letztem Freitag zeigt das Arsenal in Kooperation
       mit dem Filmkollektiv Frankfurt eine [1][Auswahl aus dem Werk der
       ungarischen Regisseurin] im Berliner Kino Krokodil und im Collegium
       Hungaricum.
       
       Elek wurde 1956 als erste Frau für ein Filmstudium in Budapest zugelassen,
       das sie 1961 abschloss. Allerdings nicht, wie ihre männlichen Kommilitonen
       mit einem Diplom als Spielfilmregisseurin, sondern als
       Dokumentarfilmregisseurin. Nichtsdestotrotz war sie eine der
       Filmemacher_innen, die das Béla Balázs Studio, eines der zentralen
       Studios der Erneuerung des ungarischen Films, neu gründeten und von einem
       Filmklub in ein Studio verwandelten.
       
       Elek zeigt ihre Protagonistin in „Sziget a szárazföldön“ mit großer
       Sympathie. Und doch eröffnet die Bildsprache des Films eine weitere Ebene
       unter der Nostalgie. So ist die Protagonistin auffallend oft in weiten
       Einstellungen zu sehen, die den Raum und ihre Umgebung sichtbar werden
       lassen. Besonders fällt das in einigen Szenen auf, die sie allein auf dem
       Dach oder später beim Packen in der Wohnung zeigen.
       
       Die gesellige Feier hingegen, die sich spontan aus der Besichtigung ihrer
       Wohnung ergibt, ist in näheren Einstellungen gehalten. Elek zeigt hier
       allein auf der Bildebene die Sehnsucht nach sozialen Kontakten inmitten
       eines weitgehend isolierten Alltags.
       
       Interessanterweise ist dieses Vorgehen, Kontraste in der Bildsprache für
       die Filme nutzbar zu machen, in Eleks Spielfilmen auffälliger als in ihren
       Dokumentarfilmen. In „Egyszerű történet“ („Eine einfache Geschichte“) von
       1975 beispielsweise, in dem Elek ihre Langzeitbeobachtung im Dorf
       Istenmezeje fortsetzt, gibt es ebenfalls einige Sequenzen, die aus dem
       Fluss des Films herausstechen, sie gleichen hier jedoch eher einem stumm
       beobachtenden Zwischenspiel inmitten der übrigen Gesprächigkeit des Films.
       
       „Tutajosok“ („Memories of a River“) von 1989, einer der bekanntesten Filme
       Eleks, zeigt die antisemitische Kampagne gegen eine Gruppe von Jüd_innen
       nach dem Unfalltod einer Jugendlichen auf dem Land im Nordosten Ungarns
       Ende des 19. Jahrhunderts. Wird das Leben auf dem Land noch in zahlreichen
       Totalen gezeigt, verschwinden diese mit der Repression und der Verhaftung
       zunehmend. Freiheit und Unfreiheit sowie der Verlust des Zusammenlebens
       finden sich gleichermaßen in den Bildern.
       
       Die Reihe des Arsenals lädt dazu ein, das schmale, bildgewaltige filmische
       Werk einer großen ungarischen Regisseurin wiederzuentdecken. Die
       Einführungen zu einigen der Filme geben den Kontext an die Hand, um sie
       noch weitergehend würdigen zu können.
       
       17 Sep 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.arsenal-berlin.de/kino/filmreihe/kino-krokodil-collegium-hungaricum-berlin-wie-lange-lebt-ein-mensch-filme-von-judit-elek/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fabian Tietke
       
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