# taz.de -- Ohne einen Grund zu nennen: Bremer Bildungssenatorin Aulepp tritt zurück
       
       > Nachfolger soll der ehemalige Berliner Staatssekretär für Bildung Mark
       > Rackles werden.
       
 (IMG) Bild: Da stand der Rücktritt schon im Raum: Senatorin Aulepp und Bürgermeister Bovenschulte (beide SPD) am Mittwoch auf der Senatsbank
       
       Bremen taz | Seit Montag schreiben zuerst der Weser-Kurier und danach der
       Regionalsender Buten un Binnen über den bevorstehenden Rücktritt von
       Bremens Senatorin für Kinder und Bildung, [1][Sascha Aulepp] (SPD).
       
       Vier Tage später, am Freitag, bestätigt sie dies auf eine seltsame Weise,
       die vielleicht ihr größtes Manko und gleichzeitig ihre größte Stärke zum
       Ausdruck bringt: Sie ist keine abgebrühte Machtpolitikerin, die das Spiel
       mit der öffentlichen Wirkung souverän beherrscht, wie etwa ihr
       [2][Parteigenosse Ulrich Mäurer], der am Sonntag seinen Rücktritt als
       Innensenator angekündigt hatte.
       
       Trotz der schwelenden, von täglicher Berichterstattung angefeuerten
       Gerüchte hatte Aulepp ihr Wochenprogramm durchgezogen. Am Donnerstag
       verteidigte die 54-jährige Volljuristin im Landesparlament ein neues
       Kita-Gesetz, das in Ausnahmefällen die Betreuung von Kindern auch durch
       Menschen erlaubt, die eine kürzere Ausbildung als Erzieher:innen
       absolviert haben.
       
       Und am Freitag erscheint sie wie geplant zur Pressekonferenz zum Auftakt
       des Kindergartenjahrs. Mit dem Rennrad kommt sie. Wie fast immer trägt sie
       ein knallrotes Kleidungsstück, in diesem Fall ein T-Shirt unter dem grauen
       Anzug.
       
       ## Ohne sichtbare Aufregung
       
       Bevor sie den Saal im zweiten Stock des Rathauses betritt, in dem die
       Journalist:innen auf sie warten, umarmt sie im Flur ihren Staatsrat,
       der anschließend neben ihr auf dem Podium sitzt. Dann referiert sie ruhig
       und ohne sichtbare Aufregung die Zahlen zu Kindertagesstätten.
       
       Erstmals seit 15 Jahren gibt es in Bremen in diesem Jahr mehr Plätze als
       Anfragen nach einem Betreuungsplatz, auch der Personalmangel habe sich
       gelindert. Im vergangenen Jahr konnten 800 Plätze nicht vergeben werden,
       weil die Fachkräfte fehlten, in diesem Jahr waren es nur noch 300.
       
       Es gebe 454 mehr Vollzeitstellen als vor fünf Jahren, berichtet Aulepp, 30
       Prozent mehr Absolvent:innen der Fachschule als im vergangenen Jahr,
       die Betreuungsquote sei gestiegen, und das alles ohne die Gruppen zu
       vergrößern oder Betreuungszeiten zu verkürzen wie es andere Bundesländer
       gemacht haben.
       
       So habe sie viel erreicht in den vier Jahren ihrer Amtszeit, nachdem sie
       mitten in der Pandemie das Amt von ihrer [3][Vorgängerin Claudia Bogedan]
       übernommen hatte. Die hatte sich den Job nicht mehr antun wollen, nachdem
       sie massiv dafür angefeindet worden war, dass Bremen als einziges
       Bundesland Kindertagesstätten und Schulen nicht geschlossen hatte – was
       sich im Nachhinein als die bessere Corona-Politk herausstellte.
       
       Aulepp war zu diesem Zeitpunkt Bürgerschaftsabgeordnete sowie
       Landesvorsitzende der SPD; bis zu ihrem Eintritt in die Bürgerschaft 2015
       hatte sie als Richterin am Amtsgericht Bremen gearbeitet.
       
       ## Messbare Erfolge
       
       Warum sie jetzt trotz messbarer Erfolge aufhört – sie sagt es nicht. Sie
       sagt noch nicht einmal, dass sie aufhört. Ihre Pressesprecherin hatte zu
       Beginn die Journalist:innen darum gebeten, zunächst nur Fragen zum
       Kita-Jahr zu stellen. „Ich weiß, dass Sie noch etwas anderes interessiert,
       aber das bitte im Anschluss.“
       
       Es sind nur sehr wenige Fragen zur Kindertagesbetreuung und nach diesen
       spricht Aulepp weiter, referiert weitere Erfolge, darunter Rekordzahlen bei
       Referendar:innen und mehr besetzte Lehrer:innenstellen.
       
       Zudem benennt sie zukünftige Aufgaben: den Sanierungsstau an Schulen, die
       Notwendigkeit, mehr Eltern davon zu überzeugen, ihr Kind im Kindergarten
       anzumelden (Bremens Betreuungsquote bei den Drei- bis Sechsjährigen ist die
       geringste im Ländervergleich), und die im Vergleich mit den anderen beiden
       Stadtstaaten niedrigen Ausgaben für Schulen.
       
       Aulepp spricht darüber, dass sie Senatorin geworden sei, um etwas für
       Kinder und Jugendliche im Land Bremen zu erreichen, von denen viele unter
       schwierigen Bedingungen aufwüchsen, was sich auch auf ihre Schulkarrieren
       auswirke. Und weil Bremen notorisch schlecht bei
       Schüler:innen-Leistungstests abschneidet und sich daran anders als in
       Hamburg 25 Jahre nach dem ersten Pisa-Schock nichts geändert hat, erinnert
       sie daran, dass der Vergleich mit der größeren und reicheren Hansestadt
       hinkt.
       
       So würden in Bremen doppelt so viele Kinder aufwachsen, deren Eltern einen
       niedrigen Bildungshorizont hätten. So wie sie es sagt, klingt das nicht wie
       eine Entschuldigung sondern nach einem Grund, Bildungssenatorin zu bleiben.
       Auch wenn das Amt bedeute, „harte Auseinandersetzungen“ zu führen und
       auszuhalten, so wie vermutlich in keinem anderen Senatsressort.
       
       ## Schwieriges Politikfeld
       
       Denn bei Bildung gibt es zahllose Akteur:innen in Politik, Verwaltung
       und Gesellschaft, die genau wissen, wie das Bildungselend behoben werden
       kann – ohne allerdings in der Pflicht zu sein, die widerstreitenden
       Interessen unter einen Hut zu bekommen.
       
       Dennoch, schließt Aulepp ihre Rede, sei es gut, jetzt nach der Hälfte der
       Legislaturperiode einen Wechsel im Bildungsbereich herbei zu führen. Das
       habe sie vor zwei Wochen nach ihrem Urlaub mit dem Bürgermeister Andreas
       Bovenschulte (SPD) so besprochen. Anders als abgesprochen informierte
       jemand einen Redakteur des Weser-Kuriers. „Das habe ich mir anders
       gewünscht, ja“, sagt Aulepp.
       
       Zaghaft fragt eine Journalistin nach: „Das heißt, Sie treten zurück?“
       Aulepp bestätigt das, ohne die Worte „Ich höre auf“ oder Vergleichbares
       auszusprechen. Drei Mal fragen dann weitere Journalist:innen nach den
       Gründen – sie nennt keine, sondern wiederholt, wie gut es sei, zu diesem
       Zeitpunkt einen Wechsel herbeizuführen, ohne zu sagen, warum es den
       braucht. Deutlich wird so: Der war offensichtlich nicht ihre Idee, deshalb
       kann sie ihn auch nicht erklären.
       
       Und dann ist die Pressekonferenz vorbei. Die Pressesprecherin erinnert noch
       einmal daran, doch bitte die vorbereiteten Mappen mit den Tabellen und
       Diagrammen zum Kita-Jahr mitzunehmen und Aulepp ergreift zur Überraschung
       aller noch einmal das Wort. Ihr Nachfolger bringe ja
       Verwaltungsführungskompetenz mit, davon hätte sie sich auch mehr gewünscht,
       sagt sie.
       
       ## Schwierige Behörde
       
       Das scheint der einzige Vorwurf zu sein, den sie sich selbst macht: Eine
       bekanntermaßen seit langem [4][chaotisch agierende Behörde] nicht geordnet
       zu haben – was allerdings nicht die Aufgabe einer Senatorin ist, die
       politisch agiert, sondern der Spitzen der Verwaltung, der Staatsrät:innen.
       
       Später bestätigt die Senatspressestelle, dass im September
       SPD-Parteigremien über die Nominierung des ehemalige Berliner
       Bildungs-Staatssekretärs [5][Mark Rackles] als neuem Bremer Bildungssenator
       abstimmen werden, genau so wie über die neue Innensenatorin Eva Högl, die
       ehemalige Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages. In einer
       Pressemitteilung dankt der Bürgermeister Aulepp für ihr Engagement und ihre
       „beachtlichen Erfolge“. Gründe nennt auch er keine.
       
       Am plausibelsten klingt daher die Analyse der CDU. In einer giftigen
       Presseerklärung, die in Ton und Wortwahl an rechtspopulistische Parteien
       erinnert, schießt sie gegen das „System Bovenschulte“, der mit Rackles
       einen „weiteren SPD-Funktionär aus der Mottenkiste“ ziehe. „Zwei Jahre vor
       der Wahl tauscht Andreas Bovenschulte die Bildungssenatorin aus, um seine
       Probleme zu kaschieren“, schreibt die CDU.
       
       22 Aug 2025
       
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