# taz.de -- Netflix-Serie „Wednesday“: Kalter Blick, klare Haltung
       
       > Im ersten Teil der zweiten Staffel wird „Wednesday“ wieder mehr zum
       > Störfaktor – und bekommt dabei Unterstützung aus dem „Addams“-Kosmos.
       
 (IMG) Bild: Jenna Ortega in der zweiten Staffel „Wednesday“
       
       [1][„Wednesday“] kehrt zurück, und es hätte schaurig-leicht schiefgehen
       können: Als Regisseur Tim Burton die titelgebende Goth-Ikone vor wenigen
       Jahren für Netflix zu neuem Leben erweckte, gelang die Balance zwischen dem
       Kultstoff der Neunziger und aktuellen Trends nur bedingt. Aus der Tochter
       der „Addams Family“ war eine an das ästhetische Vokabular von TikTok und
       Co. angepasste Internatsschülerin geworden.
       
       Wednesday Addams (Jenna Ortega) fand sich nun in einer Erzählung wieder,
       die sich trotz ihres düsteren Potenzials als überraschend formelhaft
       erwies: eine Mixtur aus angesagten Subgenres – „Murder Mystery“ und der
       gerade beim jungen Publikum populären [2][„Romantasy“], einer fantastisch
       aufgeladenen Liebesgeschichte. Konkret heißt das: Die einstige Galionsfigur
       jugendlicher Unangepasstheit wurde plötzlich zur Ermittlerin in einer
       Mordserie und verliebte sich fast in den Täter: Tyler (Hunter Doohan), ein
       scheinbar harmloser Barista, entpuppte sich als sogenannter „Hyde“ – ein
       übernatürliches Wesen von monströser Kraft.
       
       Geblieben war der unbestechlichen Außenseiterin damit eigentlich nur ihr
       markig-makabrer Wortwitz, der sich nun – rund dreißig Jahre nach der ersten
       „Addams“-Kinoverfilmung – etwa gegen die hohle Selbstdarstellungslogik der
       sozialen Medien wandte. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass
       „Wednesday“ ausgerechnet dort zum Massenphänomen wurde, Abertausende auf
       TikTok eine Choreografie aus der ersten Staffel nachtanzten und der ohnehin
       Netflix-Rekorde brechenden Serie eine zusätzliche Aufmerksamkeit
       verschafften.
       
       ## Von der „TikTok“-Ikone zurück zur Antiheldin?
       
       Umso mehr überrascht es, dass die neuen Folgen [3][– erneut von Tim Burton
       inszeniert] und Alfred Gough und Miles Millar geschrieben – die
       Titelantiheldin jetzt wieder stärker zur unbequemen Gegenfigur machen. Zwar
       bleibt der Schauplatz die „Nevermore Academy“, doch statt in
       weichgezeichnete Selbstfindungskonflikte gedrängt zu werden, darf Wednesday
       wieder unverhohlener Störfaktor sein.
       
       Nachdem sie die Schule im Finale der Vorgängerstaffel gerettet hatte, wird
       sie dort eigentlich als Heldin vereinnahmt und soll auf einem Fest nach den
       Sommerferien eine mitreißende Rede halten. Vor der Kulisse eines
       überlebensgroßen Ehrenporträts ruft sie der versammelten Schülerschaft zu:
       „Der Kampf fängt gerade erst an und ich gebe erst Ruhe, wenn unsere Feinde
       ein für alle Mal besiegt wurden.“
       
       Erhobene Fäuste, frenetischer Jubel, doch dann folgt der Bruch: „Und mit
       Feinden meine ich jeden Dummkopf, der blöd genug ist, für so eine
       hetzerische, oberflächliche Tirade wie diese hier zu applaudieren.“ Der
       vermeintliche Schulterschluss wird zur Bloßstellung kollektiver Hörigkeit.
       
       Momente wie diese, die Wednesdays exzentrischer Antihaltung eine Funktion
       verleihen und sie über eine bloße Pose hinausheben, gibt es in der
       Fortsetzung häufiger – und so tritt sie in den vier einstündigen Episoden
       vernehmbarer als das auf, was sie im besten Sinne immer war: eine Figur,
       deren schroffe Eigenständigkeit sich gegen unhinterfragte Konformität
       richtet und damit zum popkulturellen Korrektiv wird, das die Gefahr einer
       gedankenlosen Masse sichtbar macht.
       
       ## Die Ordnung im Verdacht
       
       Zwar widmet sich auch der erste Teil der zweiten Staffel durchaus typischen
       Highschool-Dramen, diesmal aber verlagern sie sich vor allem auf
       Nebenfiguren wie Wednesdays kontaktfreudigere Mitbewohnerin Enid (Emma
       Myers). Wednesday hingegen agiert eigenständiger, wird wieder zur
       Ermittlerin – die Mordserie geht schließlich weiter –, doch deutet sich
       dieses Mal eine tiefgründigere Erzählung um eine größere Verschwörung an,
       die gesellschaftliche Abweichung zur kontrollierbaren Ressource machen
       soll.
       
       Umso passender ist es, dass die gesamte Addams-Verwandtschaft nun mehr
       erzählerisches Gewicht erhält: Sowohl die Eltern Morticia (Catherine
       Zeta-Jones) und Gomez (Luis Guzmán) als auch Bruder Pugsley (Isaac Ordonez)
       sind aktiver Teil des Geschehens. Dadurch treten familiäre Reibungen in
       Erscheinung, aber auch jener liebevoll-zersetzende Familiensinn, der der
       Logik der Anpassung eine schräge, archaische Ordnung entgegensetzt – und
       „Wednesday“ einen grotesken Charme verleiht, der zuvor nur angedeutet
       blieb. 
       
       Gerade darin zeigt sich, dass die Serie bei aller Überzeichnung doch
       verstanden hat, worin der Reiz der „Addams“-Welt eigentlich besteht: nicht
       im Willen, besonders zu sein, sondern darin, gegen die Zumutungen des
       Normalen zu rebellieren – mit einer Haltung, die aus dem Wissen erwächst,
       dass Anderssein kein Makel ist, sondern eine Form von echter, nicht
       glättender Verbundenheit. Zumindest in dieser Familie.
       
       10 Aug 2025
       
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