# taz.de -- Nachruf auf Ex-Präsident Ion Iliescu: Einer, der Rumänien revolutionierte
       
       > Ion Iliescu stellte sich Diktator Ceauşescu entgegen, wurde später selbst
       > Präsident und führte Rumänien in die Nato. Er starb im Alter von 95
       > Jahren.
       
 (IMG) Bild: Ion Iliescu, hier 2004, hat Rumänien vorangebracht
       
       Berlin taz | Hass über den Tod hinaus: Rumäniens faschistoide Rechte
       bezeichnet Ion Iliescu als [1][Nachfahren eines jüdischen Großvaters] und
       als Sohn einer bulgarischen „Zigeunerin“. In den Augen der neoliberalen
       Rechten ist er ein bolschewistischer Verbrecher. Der frühere Präsident
       Rumäniens ist am Dienstag im Alter von 95 Jahren in Bukarest gestorben.
       
       Die Karriere Iliescus als kommunistischer Funktionär begann nach seinem
       Studium in Moskau in den 1950er Jahren. Als Chef des Jugendverbandes
       vertrat er die offizielle Parteilinie. Seine Abkehr von verkrusteten Dogmen
       mündete in einem Konflikt mit Nicolae Ceauşescu, der ihn des
       Intellektualismus bezichtigte.
       
       Der in Ungnade gefallene Apparatschik wurde von 1971 bis 1974 als
       Propagandasekretär nach Temeswar versetzt, was einer Verbannung gleichkam.
       Die multiethnische Stadt galt Ceauşescu als ideologisch instabil. Durch
       sein unkonventionelles Auftreten stärkte Iliescu eher die liberalen und
       kritischen Intellektuellenkreise und unterwanderte indirekt die repressive
       Politik Ceauşescus.
       
       1974 wurde er in eine andere Stadt versetzt und 1984 zum Direktor eines
       Bukarester Verlages degradiert. In dieser Funktion wurde er von der
       Revolution überrascht, die sich in Temeswar an dem Konflikt des ungarischen
       Pastors László Tőkés mit den kommunistischen Behörden entzündet hatte.
       
       ## Revolutionär und Vater von Rumäniens Nato-Beitritt
       
       Iliescu schloss sich den Bukarester Aufständischen an und wurde an die
       Spitze der revolutionären Sammelbewegung Front zur Nationalen Rettung (FSN)
       gewählt, die den Schauprozess gegen das Diktatorenehepaar veranlasst hatte.
       
       Am 25. Dezember 1989 wurden die Ceauşescus hingerichtet. Dass danach die
       Kämpfe zwischen bewaffneten Aufständischen und Anhängern des gestürzten
       Diktators weitergingen, wird Iliescu angekreidet. Seine Gegner behaupten,
       er habe [2][das Blutvergießen gebilligt], um seine Macht zu festigen. Er
       selber hat diese [3][Vorwürfe] stets zurückgewiesen.
       
       Iliescu erhielt im Mai 1990 bei den ersten freien Wahlen 85 Prozent der
       Stimmen. Zwei Jahre später wurde er in seinem Amt für vier weitere Jahre
       bestätigt. Die politische Sammelbewegung versuchte er in eine
       sozialdemokratische Partei zu verwandeln, nachdem sich darin bereits
       Profiteure der wilden Privatisierungen der Volkswirtschaft eingenistet
       hatten. Im Sommer 1990 ließ er Proteste durch Bergarbeiter niederschlagen.
       
       In der [4][Stichwahl für das Präsidentenamt 2000 schlug Iliescu den
       Kandidaten der rechtsextremen großrumänischen Partei]. Bezeichnend für
       Iliescus letzte Amtsperiode sind seine Bemühungen um die Aufnahme Rumäniens
       in die NATO. 2004 wurde Rumänien in das westliche Militärbündnis
       aufgenommen, zwei Jahre später in die EU.
       
       Mit seinem Tod werden die Rachegelüste seiner Gegner abflauen. Das
       endgültige Urteil über Iliescu, der an diesem Donnerstag beigesetzt wird,
       bleibt der Geschichte überlassen.
       
       6 Aug 2025
       
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