# taz.de -- Pop-Art-Künstlerin Sine Hansen: Die Frau mit der Zange
       
       > Deutschlands bedeutendste Pop-Art-Künstlerin war Sine Hansen. Bloß kennt
       > die kaum jemand. In Braunschweig lässt sie sich wiederentdecken.
       
 (IMG) Bild: Die Kneifwerkzeuge mutieren zu Lebewesen – Soldaten, Menschen, Vögeln: Papageienzange, 1977
       
       Sine Hansen ist noch immer weitgehend vergessen. Nur warum? In der ersten
       ihr gewidmeten institutionellen Retrospektive im Kunstverein Braunschweig
       liegt derzeit auch ein Katalog von einer Ausstellung im Sommer 1967 aus,
       der diese Frage aufwirft.
       
       Damals zeigte Hansen gemeinsam mit Georg Baselitz, Gerhard Richter, Sigmar
       Polke und acht weiteren im Württembergischen Kunstverein in Stuttgart ihre
       neuesten Arbeiten, eine Standortbestimmung der deutschen Pop-Art.
       „Figurationen“ hieß diese Gemeinschaftsaktion. Hansen war die einzige Frau.
       Ihre Arbeit „Hey Heart“ ziert das Cover des Katalogs, ein großformatiges,
       farbenfrohes Bild in Tempera, das sie 1966 gemalt hatte.
       
       Während aber [1][Baselitz, Richter oder Polke verehrt] und ihre Werke teuer
       gehandelt werden, ist Hansen (1942-2009) [2][heute allenfalls
       Spezialist:innen ein Begriff]. Ihre Wiederentdeckung begann 2021 durch
       eine Wiener Galerie, die sie 2023 umfassend ausstellte. Cathrin Meyer,
       [3][aus Wien stammende Direktorin des Braunschweiger Kunstverein], hat nun
       Hansen eine Übersichtsschau gewidmet. Die versammelt im Obergeschoss der
       Kunstvereinsvilla 13 farbintensive Malereien, die in den Jahren 1964 bis
       1996 eben auch in räumlicher Nähe entstanden waren: Geboren 1942 im
       polnischen Inowrocław, [4][das damals Hohensalza genannt wurde,] in Husum
       aufgewachsen war Hansen 1961 zum Studium hier her an die noch städtische
       Werkkunstschule gekommen. Die wurde wenig später in die vom Land getragene
       Kunsthochschule umgewandelt. Hansen macht Braunschweig zu ihrem
       Lebensmittelpunkt. Hier heiratete sie zweimal, wurde Mutter von zwei
       Töchtern.
       
       ## Aggressive Kneifer
       
       Während des Studiums gelang es ihr, internationale Kontakte aufzubauen.
       Schon 1965, als 23-jährige Absolventin, bestritt sie ihre erste
       Einzelausstellung in Köln. Ihre Werke stießen also früh auf Resonanz. Auch
       an der Kunsthochschule war sie der „Star“ gewesen, so ihre Töchter in einer
       Begleitbroschüre zur Ausstellung. Zwei Arbeiten von 1964, die chronologisch
       den Auftakt der Ausstellung bilden, demonstrieren die damals bereits
       vollendete stilistische Reife. Hansens „Osramkneifer“ zeigt eine
       überdimensionale offene Kneifzange, die sich, von unten, bedrohlich einer
       kleinen, blau ornamentierten Glühbirne am oberen Bildrand nähert.
       
       Die aggressiven Kneifer sind leuchtend orange, der Hintergrund ist
       senfgelb: ein Farborkan in Tempera, penibel gemalt mit exakten Konturen und
       ohne sichtbaren Pinselstrich. Im Gegenstück „Ruhrfrühling“ bewegt sich die
       offene Zange von oben auf eine Blüte zu. „Ich will Dinge malen, wie ich sie
       kenne und nicht wie man sie kennt“ schrieb Hansen dazu, „ein Bild ist nicht
       ein Ergebnis sondern ein Ereignis.“ Um 1970, als sich ihr Arsenal an
       Zangen, Scheren oder Kranhaken verfestigt hatte, benannte sie die
       „Kontrollierbarkeit der Aggressivität“ als Merkmal ihrer Produktivität:
       Gegenstände werden Träger von Informationen, werden Zeichen, aus ihrer
       herkömmlichen Nutzungsumgebung isoliert und auf eine Ebene projiziert, wo
       sie in ungewohnter Weise fungieren.
       
       Hansens Zangen werden zunehmend farblich ausdifferenziert. Die ursprünglich
       monochrome Ausmalung weicht kontrastierenden Farbfolgen der Binnenkonturen.
       Diese Farbzerlegungen gingen auf Recherchen mit einem Polarimeter zurück,
       [5][zu dem die Künstlerin an der Technischen Universität Zugang hatte]. Das
       Instrument bestimmt die Eigenschaften von Substanzen. Es macht mechanische
       Spannungen in Festkörpern mittels polarisierenden Lichts sichtbar.
       
       Hansens Zangen mutieren nun zu beseelten Wesen: Als „Liegende“, als
       „Schreitende Zange“, als „Papageienzange“ oder „Generalzange“ entwickeln
       sie ab den 1970er-Jahren eine belebte, fast erotische Aura. Sie füllen den
       ganzen Bildraum, die Spitzen dieser Kneifinstrumente werden extrem
       dramatisiert, erscheinen wie rasiermesserscharfe Klingen. Bedrohlich
       wirkend einerseits, fixieren sie andererseits feinfühlig und
       zart-mehrfarbig bunte Kugeln.
       
       Diese Konstellationen als Seelenbilder einer (bedrängten) Künstlerin zu
       deuten, ist wohl nicht ganz abwegig. Sie stellen den Höhepunkt im Schaffen
       Hansens dar, werden gemeinhin aufgrund ihres Kolorits und der plakativ
       großformatigen Darstellung alltäglicher Dinge der damals aktuellen Pop-Art
       zugerechnet. Aber Sine Hansen, die so souverän im Zeitstrom mitschwamm,
       gelang nicht der große Durchbruch. Ihr Spätwerk der 1990er-Jahre [6][widmet
       sich dann fast ausschließlich der Farbe]. Der wusste sie, von der
       Objektdarstellung befreit, dreidimensionale optische Effekte zu entlocken.
       Ihre flirrenden Labyrinthe „Durch den bedeutsamen Faden verbunden“ muten
       psychedelisch an. Den Rahmen der Op-Art sprengen sie scheinbar mühelos.
       
       30 Aug 2025
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) [5] https://sinehansen.de/leben-und-werk/
 (DIR) [6] https://kunstvereinbraunschweig.de/exhibitions/sine-hansen/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bettina Maria Brosowsky
       
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