# taz.de -- Trump gegen Pressefreiheit: Öl ins Feuer gießen
       
       > Der US-Präsident klagt wegen der Epstein-Berichterstattung gegen das
       > „Wall Street Journal“. Und eskaliert damit seinen Feldzug gegen die
       > Medien.
       
 (IMG) Bild: Die Verbindung zwischen Trump und Epstein sorgte weltweit für Aufruhr. Hier hängen Aktivist:innen ein Plakat in London auf
       
       Donald Trump wütet regelmäßig gegen die freie Presse – jetzt trifft sein
       Zorn das Wall Street Journal (WSJ). Die Zeitung hatte über einen kruden,
       sexuell anzüglichen Geburtstagsbrief berichtet, den der Präsident (samt der
       Zeichnung einer nackten Frau) 2003 dem pädophilen Sexualstraftäter Jeffrey
       Epstein zu dessen 50. Geburtstag geschickt haben soll.
       
       [1][Die Verbindungen zwischen Trump und Epstein sind seit Langem bekannt],
       doch der Bericht des WSJ kommt für Trump zu einem besonders ungünstigen
       Zeitpunkt, denn ein Teil der MAGA-Koalition, den Trump seit Jahren durch
       Verbreitung von düsteren Verschwörungserzählungen mobilisiert hat, ist in
       Aufruhr.
       
       [2][Trumps politische Karriere baute von Beginn an auf der Verbreitung von
       Verschwörungstheorien auf]: Während des Wahlkampfs gegen Hillary Clinton
       behaupteten seine Anhänger, Clinton sei Teil eines geheimen, pädophilen
       Sex-Trafficking-Rings – [3][die Verschwörungserzählung wurde „Pizzagate“
       genannt und wurde schließlich zur „QAnon“-Verschwörungstheorie] – einem
       Schauermärchen über eine geheime pädophile Missbrauchs-Intrige von
       führenden Demokraten und liberalen Eliten, die einen vermeintlichen
       geheimen „Schattenstaat“ präge, der die eigentlichen Geschicke der USA
       lenke.
       
       Trump hat diesen Verschwörungswahn [4][immer wieder aktiv befördert und von
       ihm profitiert]. Er hatte die Behauptung, es gäbe eine geheime
       Klienten-Liste von Epstein, die veröffentlicht werden müsse, genau wie
       Spekulationen über dessen Tod verbreitet – zumindest während des
       Wahlkampfs.
       
       ## Schon immer klagefreudig
       
       Auch FBI-Direktor Kash Patel und sein Stellvertreter Dan Bongino haben in
       ihren vorigen Karrieren als rechtsextreme Influencer den Fall Epstein
       verwendet, um ihr Publikum mit Verschwörungstheorien zu füttern. Doch jetzt
       enttäuschen Justizministerium und FBI die Erwartungen, die Trump, Patel und
       Co jahrelang in ihrer Anhängerschaft geschürt hatten, als sie verkündeten,
       es gebe keinen Zweifel am Selbstmord Epsteins und auch keine geheime
       Klientenliste.
       
       Teile der MAGA-Bewegung reagierten aufgebracht. Der Bericht des WSJ über
       Trumps anzüglichen Geburtstagsbrief hat jetzt Öl ins Feuer gegossen: Der
       Präsident wütet nicht nur seit Tagen auf seinem Netzwerk „Truth Social“
       gegen seine eigene Basis, sondern hat jetzt auch Klage gegen den
       Herausgeber des WSJ, Dow Jones and Company, Rupert Murdoch, die Zeitung
       selbst und die beiden Journalisten eingereicht. Trump wirft den Beklagten
       in zwei Fällen Verleumdung vor und fordert mindestens 10 Milliarden Dollar
       Schadenersatz – insgesamt also 20 Milliarden.
       
       Es ist die jüngste Eskalation in Trumps Feldzug gegen die freie Presse:
       Dass er klagefreudig gegen die Berichterstattung etablierter Medien
       vorgeht, die ihm nicht passt, ist nichts Neues.
       
       Auch in den letzten Monaten hat er große Medienkonzerne verklagt: 2024 den
       Fernsehsender ABC und seinen Mutterkonzern Disney wegen Verleumdung, 2025
       ging er juristisch gegen Paramount Global und CBS vor, dessen Sendung „60
       Minutes“ er vorwarf, ein Interview mit Kamala Harris für die Kandidatin
       vorteilhaft geschnitten zu haben. Trump klagte gegen Paramount auf 20
       Milliarden Dollar Schadenersatz.
       
       Medienrechtler hatten den Medienkonzernen gute Chancen vor Gericht
       eingeräumt – doch Disney und Paramount knickten ein, um einen direkten
       Konflikt mit dem amtierenden Präsidenten zu verhindern: ABC willigte ein,
       dem Präsidenten für eine Trump-Stiftung 15 Millionen Dollar zu zahlen,
       Paramount machte 16 Millionen Dollar für einen Vergleich locker.
       
       ## Vorauseilendes Einknicken
       
       Was war der Grund für das vorauseilende Einknicken in diesen Fällen?
       Disney und Paramount besitzen mehrere Fernsehsender, denen potenziell
       Lizenzentzug durch die Federal Communications Commission (FCC) drohen
       könnte. Die FCC ist eigentlich eine unabhängige Regierungsbehörde. Doch
       derzeit wird sie von Brendan Carr geleitet, der von Donald Trump ernannt
       wurde. Der erzkonservative Anwalt hat ein Kapitel über die FCC im „Project
       2025“ verfasst – einer autoritären Regierungs-Blaupause der konservativen
       Heritage Foundation. Carr ist bereit, die FCC als Werkzeug Trumps gegen
       unliebsame Medien einzusetzen.
       
       Paramount Global will derweil mit dem Konzern Skydance Media fusionieren
       und braucht für diesen Milliarden-Deal die Zustimmung der FCC – Carr hat
       bisher keine Entscheidung bekanntgegeben. Letzte Woche erst traf sich der
       Chef von Skydance, David Ellison – Sohn des Multimilliardärs und Trump
       Unterstützers Larry Ellison – mit Carr, um diesem zu versichern, dass man
       „diverse Standpunkte“ abbilden werde und sich dem Patriotismus verschreibe
       – Euphemismen dafür, rechte Propaganda zu verbreiten.
       
       Der Comedian Stephen Colbert nannte die Zahlung von 16 Millionen Dollar an
       Trump durch Paramount, den Mutterkonzern seines Senders CBS, eine „dicke,
       fette Bestechung“. Wenige Tage später verkündete CBS, dass Colberts
       Talkshow – im schwächelnden Late-Night-Show-Segment immerhin die
       publikumsstärkste – nach der aktuellen Staffel eingestellt wird; Trump
       feierte die Nachricht online. Der Präsident behauptete außerdem, der
       Skydance-Eigentümer Ellison würde ihm zusätzlich Sendezeit im Wert von 20
       Millionen Dollar schenken – die demokratische Senatorin Elizabeth Warren
       fordert eine Untersuchung wegen Bestechung.
       
       Trump hat in der Vergangenheit mehrfach Medienkonzerne verklagt oder ihnen
       mit Klagen gedroht – doch er hat bisher nie einen Verleumdungsfall vor
       Gericht gewonnen. Das dürfte auch daran liegen, dass die Latte für einen
       Schuldspruch zu diesem Tatbestand in den USA sehr hoch liegt. Paramount und
       Disney haben mit ihrer Bereitschaft, Trump Millionen zu zahlen, gefährliche
       Präzedenzfälle geschaffen und dem Präsidenten signalisiert, dass er mit
       vorauseilendem Gehorsam rechnen kann.
       
       Das WSJ und Murdoch haben jedoch scheinbar momentan nicht vor, es Paramount
       und Disney gleichzutun. Man sollte trotzdem nicht annehmen, dass
       ausgerechnet Rupert Murdoch jetzt zum Kämpfer gegen Trump wird – sein
       Fernsehsender Fox News fungiert nach wie vor als Trumps
       Hofberichterstatter. Der Medienjournalist Michael Savage analysierte im
       Guardian, dass Murdoch strategisch zweigleisig fahre: Das WSJ spreche
       konservative Kritiker von Trumps Wirtschaftspolitik an, während Fox News
       die Trump Fans bediene: „Murdoch steht an der Spitze eines rechten
       Medienimperiums, das alle Bereiche abdeckt.“
       
       ## Bedrohung von zwei Seiten
       
       Trump zeigt derweil, dass er nur allzu bereit ist, ihm unbequeme Medien
       abzustrafen: Er schließt das WSJ von der bevorstehenden präsidialen
       Schottland-Reise aus. Schon Anfang des Jahres hatte die Regierung Trump der
       Associated Press den Zugang zu einigen präsidialen Veranstaltungen und
       Pressekonferenzen entzogen, weil die Nachrichtenagentur nicht – wie von der
       Trump Regierung gefordert – vom „Gulf of America“, sondern vom „Gulf of
       Mexico“ schrieb – ein direkter Versuch, in die redaktionelle Arbeit
       einzugreifen.
       
       Der Medienwissenschaftler A. J. Bauer von der University of Alabama sieht
       die Pressefreiheit in den USA derzeit von zwei Seiten bedroht: einerseits
       durch Trump und seine Verbündeten, die Medien offen drohen und ihre Arbeit
       behindern, andererseits durch Milliardäre, denen Medienimperien gehören und
       die sich rein gewinnorientiert verhalten.
       
       Trumps Klage gegen das WSJ landete derweil auf dem Richterpult von Darrin
       Gayles, der von Barack Obama als Richter nominiert wurde. Gayles ist der
       erste offen schwule Schwarze Bundesrichter, dessen Nominierung 2014 vom
       Senat überparteilich bestätigt wurde – die Unterstützung der Republikaner
       dürfte Gayles erhalten haben, weil er zuvor von zwei republikanischen
       Gouverneuren für Bezirksrichterposten nominiert worden war.
       
       Tatsächlich ist es das zweite Mal, dass eine von Trumps Klagen in Gayles’
       Gerichtssaal verhandelt wird: Im April 2023 hatte Trump seinen ehemaligen
       Anwalt Michael Cohen auf 500 Millionen Dollar verklagt, die Klage aber ein
       halbes Jahr später fallen gelassen – bevor er unter Eid vor Gericht hätte
       aussagen müssen. Das dürfte auch bei der Klage gegen das WSJ eine Rolle
       spielen: Denn eine potenzielle Aussage zu seinem Verhältnis zu Epstein
       unter Eid dürfte Trump vermeiden wollen.
       
       Eines hat Trumps Klage gegen das WSJ bereits erreicht: Die rechtsextremen
       Influencer und Medienpersönlichkeiten, die Trump in den vergangenen Wochen
       wegen seines Verhaltens in Bezug auf Epstein scharf kritisiert hatten,
       scharen sich jetzt um ihn. Sie verkünden eine angeblich wieder vereinte
       „MAGA“-Front gegen den Feind, auf den Trump – und andere Republikaner vor
       ihm – sie schon lange eingeschworen hat: die Medien. Ob das ausreicht, um
       die Basis zu überzeugen und um die entstandenen Risse im
       Verschwörungsglauben zu kitten, wird sich zeigen. Eines ist sicher: Trump
       eskaliert seine Angriffe auf die Pressefreiheit weiter – unter dem Jubel
       der üblichen Claqueure.
       
       25 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Epstein-Skandal-und-Trump/!6042650
 (DIR) [2] https://www.pbs.org/newshour/politics/how-trump-spent-years-stoking-dark-theories-and-why-hes-facing-epstein-case-blowback-now
 (DIR) [3] /Verschwoerungstheorie-ueber-Clinton/!5364337
 (DIR) [4] https://abcnews.go.com/Politics/trump-jeffrey-epstein-years-including-2024-campaign-trail/story?id=123778541
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annika Brockschmidt
       
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