# taz.de -- Unterdrückung von Frauen: Internationale Haftbefehle für Talibanführer
       
       > Der Internationale Strafgerichtshof sieht einen „hinreichenden Verdacht“
       > für systematische und geschlechtsspezifische Verfolgung in Afghanistan.
       
 (IMG) Bild: Der Internationale Strafgerichtshofs in Den Haag verurteilt die Unterdrückung von Frauen in Afghanistan
       
       Berlin taz | Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat am
       Dienstag [1][Haftbefehle] gegen Taliban-Chef Hebatullah Achundsada und den
       Obersten Richter und Justizminister des Regimes, Abdul Hakim Hakkani,
       erlassen. Es lägen „hinreichende Verdachtsmomente“ vor, dass beide
       persönlich für „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ in Afghanistan
       verantwortlich seien. Sie hätten veranlasst, Mädchen und Frauen aus
       geschlechtsspezifischen Gründen sowie „andere Personen“, die als
       „Verbündete von Mädchen und Frauen“ betrachtet würden, aus politischen
       Gründen zu verfolgen.
       
       Der Gerichtshof gab damit [2][Anträgen des Hauptanklägers Karim Khan]
       [3][vom Januar] statt. Die Haftbefehle bleiben in ihrem Wortlaut unter
       Verschluss, „um Opfer und Zeugen zu schützen“. Auch die Anträge im Januar
       wurden nur teilweise veröffentlicht.
       
       Die Haftbefehle kamen nur wenige Stunden, nachdem die UNO ihre alljährliche
       Afghanistan-Resolution verabschiedet hatte. Darin wird das Regime in Kabul
       aufgefordert, seine „zunehmende“ Unterdrückung von Frauen und Mädchen zu
       beenden. Die USA und Israel stimmten dagegen, weil sie von der UNO geplante
       weitere Gespräche mit den Taliban ablehnten. Russland, das zu Monatsbeginn
       als erstes Land deren Regime offiziell anerkannte, China, Indien, Iran und
       acht weitere Länder enthielten sich.
       
       ## Unterdrückung von Frauen und Mädchen
       
       Das Gericht begründete die Haftbefehle damit, dass die Regierungspolitik
       der Taliban „zu schwerwiegenden Verletzungen der Grundrechte und
       -freiheiten der Zivilbevölkerung Afghanistans“ führe. Dabei käme es zu
       „Mord, Inhaftierung, Folter, Vergewaltigung und gewaltsamem
       Verschwindenlassen“. Während die Taliban der gesamten Bevölkerung bestimmte
       Regeln und Verbote auferlegt hätten, richteten sie sich „[4][speziell gegen
       Mädchen und Frauen aufgrund ihres Geschlechts“.]
       
       Ihnen würde „das Recht auf Bildung, Privatsphäre und Familienleben sowie
       die Bewegungs-, Meinungs-, Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit“
       vorenthalten. Darüber nähmen die Taliban Personen ins Visier, deren
       „Sexualität und/oder Geschlechtsidentität als unvereinbar“ mit der
       Taliban-Politik angesehen würden – ein Hinweis auf die ebenfalls
       entrechtete LGBTQ+-Gemeinde. Die geschlechtsspezifische Verfolgung gehe
       über „direkte Gewalt“ hinaus und umfasse „systemische und
       institutionalisierte“ Menschenrechtsverletzungen.
       
       Auch die UNO spricht von „systematischer Unterdrückung“. Unabhängige
       UN-Experten sowie Taliban-Gegner*innen verlangen, die Taliban-Politik als
       „Geschlechter-Apartheid“ zu bezeichnen. Die Taliban-Gesetzgebung fußt auf
       einer besonders engen Interpretation des islamischen Schariarechts.
       
       Dafür ist Hakkani verantwortlich. Achundsada als geistliches und weltliches
       Oberhaupt des Taliban-Emirats gab im März völlig neue Gesetze in Auftrag,
       nachdem er es abgelehnt hatte, dass die unter der Vorgängerregierung
       gültigen Gesetze nur überarbeitet würden.
       
       ## Talibanführer verlassen Land nicht
       
       Aufgrund der Haftbefehle müssen die über 120 IStGH-Mitgliedstaaten –
       darunter Deutschland – diese vollstrecken, sollte einer der Gesuchten in
       eines der Länder reisen. Im Gegensatz zu anderen Talibanführern haben
       Achundsada und Hakkani aber seit ihrer Machtübernahme im August 2021
       Afghanistan nicht verlassen.
       
       Die Taliban reagierten noch am Dienstagnachmittag. Sie bezeichneten den
       Vorgang als „Ausdruck von Feindseligkeit“ gegenüber dem „Islam und seinem
       Rechtssystem“ und erklärten, dass sie keine Verpflichtung gegenüber dem
       „sogenannten“ IStGH anerkannten. Im Februar hatten sie den Beitritt der
       Vorgängerregierung zurückgenommen.
       
       Karim Khans Vorgehensweise in Sachen Afghanistan ist allerdings umstritten.
       Er nahm im März 2022 zwar die zeitweise eingestellten Ermittlungen zur Lage
       dort wieder auf, beschränkte dies aber auf Handlungen der Taliban und des
       Islamischen Staates. Seine Vorgängerin Fatou Bensouda wollte auch Verstöße
       der US- und der verbündeten afghanischen Regierungstruppen untersuchen.
       Deshalb verhängte Präsident Donald Trump Sanktionen gegen sie und drei
       weitere IStGH-Richter*innen. Khan lässt sein Amt wegen Vorwürfe sexueller
       Übergriffe zurzeit ruhen.
       
       Mit der Entscheidung von Den Haag werden nun die obersten politischen
       Vorgesetzten jener steckbrieflich gesucht, mit denen Bundesinnenminister
       Alexander Dobrindt über regelmäßige Abschiebungen verhandeln will.
       
       9 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.icc-cpi.int/news/situation-afghanistan-icc-pre-trial-chamber-ii-issues-arrest-warrants-haibatullah-akhundzada
 (DIR) [2] /Strafgerichtshof-Den-Haag-gegen-Taliban/!6064632
 (DIR) [3] /Strafgerichtshof-Den-Haag-gegen-Taliban/!6064632
 (DIR) [4] /Frauenrechte-in-Afghanistan/!6050091
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Ruttig
       
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