# taz.de -- Marodes Schienennetz: Trotz Sondervermögen fehlen der Bahn viele Milliarden
> Die Deutsche Bahn wird von der Bundesregierung mit viel Geld versorgt.
> Konzernchef Richard Lutz fürchtet, es könnte trotzdem nicht reichen.
(IMG) Bild: Die Generalsanierung der Bahnstrecken, hier zwischen Hamburg und Berlin, wird noch eine Weile dauern – und viel kosten
Berlin dpa | Trotz zusätzlicher Milliarden für die Deutsche Bahn aus dem
Infrastruktur-Sondervermögen des Bundes könnte das Geld für die Schiene in
wenigen Jahren wieder knapp werden. Das könnte etwa [1][Konsequenzen für
den Neu- und Ausbau haben], fürchtet Bahnchef Richard Lutz.
„Dass wir aus dem Sondervermögen zusätzliches Geld bekommen, ist
superklasse“, sagte Lutz der Deutschen Presse-Agentur. „Das ist ein großer
Fortschritt, und der gesamte Sektor und sicherlich auch die Kunden im
Personen- und Güterverkehr sind der Regierung dankbar für das wichtige
Signal ‚pro Schiene‘.“
## Es fehlen rund 17 Milliarden Euro
Dennoch reiche das Geld nach wie vor nicht aus. Der Grundbedarf an
zusätzlichen Finanzmitteln bis 2029, um die nötigen Sanierungen
durchzuführen und die Basis für die Digitalisierung des Schienennetzes zu
legen, betrage etwa 45 Milliarden Euro. „Für die Haushaltsjahre 2025 und
2026, die ja in den nächsten Monaten vom Bundestag beschlossen werden, sind
wir ziemlich nahe an diesen Bedarfszahlen“, sagte der Bahnchef.
Doch danach steige der Zusatzbedarf. Es fehlten bis 2029 rund 17 Milliarden
Euro. „Ob diese Finanzierungslücke noch geschlossen werden kann, werden die
nächsten Monate und Jahre zeigen.“
Das Kabinett hatte vergangene Woche beschlossen, dass die Bahn bis 2029 für
Investitionen in die Infrastruktur rund 107 Milliarden Euro erhalten soll
und damit deutlich mehr, als noch im Haushalt der alten Bundesregierung
vorgesehen war. Ein großer Teil der Summe, rund 81 Milliarden Euro, kommt
dpa-Informationen zufolge aus dem schuldenfinanzierten Sondervermögen der
Bundesregierung.
## Haushaltsmittel ins Sondervermögen geschoben
Doch darin enthalten sind demnach auch Mittel in Höhe von rund 38
Milliarden Euro, die bisher im Kernhaushalt des Bundes veranschlagt sind
und von dort ins Sondervermögen geschoben werden sollen. Zur Disposition
stehen zudem geplante Gelder, die in den nächsten Jahren als Eigenkapital
an die Bahn hätten fließen sollen – rund 14 Milliarden Euro.
Rechnet man diese Summen hinaus, käme die Bahn bis 2029 auf Zusatzmittel
von 29 Milliarden Euro aus dem Sondervermögen. Brauchen täte sie Lutz
zufolge aber rund 45 Milliarden Euro.
„Am Ende sind es natürlich Bund und Parlament, die festlegen, wie viel Geld
in die Eisenbahn in Deutschland fließen soll und damit wesentlich
beeinflussen, [2][wie sich Kapazität, Stabilität und Qualität der
Schieneninfrastruktur entwickeln werden]“, sagte der Konzernchef weiter.
Auf Basis der finalen Entscheidungen würden Bahn und Bund alles dafür tun,
die richtigen Prioritäten zu setzen und die betriebliche Lage für Fahrgäste
und Güterkunden zu verbessern. „Erhalt und Erneuerung der bestehenden
Infrastruktur gehen dabei immer vor Neu- und Ausbau“, sagte Lutz.
## Generalsanierung verschiebt sich bis 2035
Diese leiden schon lange unter dem schlechten Zustand der jahrzehntelang
vernachlässigten Schieneninfrastruktur. Erneut waren im ersten Halbjahr
mehr als ein Drittel aller Fernzüge verspätet unterwegs. Rund 80 Prozent
davon gehen der Bahn zufolge auf [3][Probleme mit der Infrastruktur und
notwendigen Baustellen] zurück.
Um das Problem in den Griff zu bekommen, saniert die Bahn in den nächsten
Jahren Dutzende viel befahrene Strecken mit zentraler Bedeutung für den
bundesweiten Schienenverkehr. Doch zuletzt war bekanntgeworden, dass sich
der Zeitplan für diese sogenannte Generalsanierung um vier Jahre nach
hinten schieben wird. Die letzte Strecke soll nun erst 2035 modernisiert
werden statt 2031.
Derzeit bespricht der bundeseigene Konzern die neuen Zeitpläne mit der
Branche und der Politik. „Wir gehen davon aus, dass die DB InfraGo im
dritten Quartal ein abgestimmtes Konzept mit dem Bund verabschieden kann“,
sagte Bahnchef Lutz. „Der bisherige Zeitplan, der ja ebenfalls mit Bund und
Branche abgestimmt war, war ambitioniert, ohne Frage. Alle wussten
natürlich, dass wir uns in Sachen Sanierung wahnsinnig viel vornehmen,
insbesondere in den Jahren ab 2028.“
## Spannungsfeld zwischen Fahren und Bauen
Da die jeweiligen Korridore für die Dauer der Sanierungen über Monate voll
gesperrt werden, müssen Fahrgäste und Güterunternehmen Ersatzverkehre und
lange Umwege in Kauf nehmen. Insbesondere die Union, aber auch die
Wettbewerber im Güterverkehr waren deshalb seit jeher kritisch, ob die
Generalsanierung bis Anfang der 2030er Jahre durchgeführt werden könne. Im
Koalitionsvertrag der neuen Regierung steht, der Zeitplan werde fortlaufend
überprüft.
„Es bleibt ein Spannungsfeld zwischen Fahren und Bauen, das es sowohl im
mehrjährigen Sanierungsprogramm als auch im unterjährigen
Baustellenmanagement auszubalancieren und aufzulösen gilt“, betonte Lutz.
„Ein gestreckter Zeitplan ist im Sinne der Marktverträglichkeit natürlich
eine gute Sache. Man darf aber nicht verkennen, dass sich der angestrebte
Zielzustand, in dem wir wieder eine vollständig sanierte und
leistungsstarke Infrastruktur haben, dann um einige Jahre nach hinten
verschiebt und die betrieblichen Risiken aus störanfälligen Anlagen, die
erst später ersetzt und erneuert werden können, länger bestehen bleiben.“
1 Jul 2025
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