# taz.de -- Srebrenica, Contergan, Richter:innen: Die Zerstörung der Seelen
       
       > Diese Woche perfektionierte die AfD ihre Würdelosigkeit, erzählte Trump
       > Zollmärchen, suchte Merz Richter und hofften Conterganopfer auf
       > Gerechtigkeit.
       
 (IMG) Bild: Gescheiterte Wahl der Bundesverfasungsrichter:Innen: Jens Spahn im Bundestag
       
       taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht letzte Woche? 
       
       Friedrich Küppersbusch: Tiefpunkt der Würdelosigkeit: der AfD-Redner in der
       Gedenkstunde des Bundestags zu [1][Srebrenica].
       
       taz: Und was wird besser in dieser? 
       
       Küppersbusch: Die Hoffnung, dass es so offensichtlich ist, wie es
       offensichtlich ist.
       
       taz: 30 Jahre nach dem Massaker von Srebrenica. Was haben wir gelernt? Sind
       historische Analogien sinnvoll? 
       
       Küppersbusch: Auch heute bestreiten Serben und Bosniaken einander
       historische Wahrheiten, beide Seiten hassen stumm längs ihrer jeweiligen
       Opfererzählung aufeinander ein. Wenn überhaupt Analogien zu ziehen sind und
       zum Beispiel für heutige monströse Grausamkeiten etwas zu lernen ist,
       dann die bittere Gewissheit, dass man gebannt vom Furor gegenwärtiger
       Kriege gar nicht dazu kommt, die Zerstörung der Seelen bis in die dritte
       und vierte Generation vorauszusehen. Etwa in Gaza, in der Ukraine, überall.
       
       taz: [2][Können Sie das Wort Zoll noch hören]? 
       
       Küppersbusch: „Trunkenheit an Steuern“ wäre der trefflichere Befund.
       Ähnlich wie bei seinen vor sich hin scheiternden Friedensverheißungen
       unterhält Trump sein Publikum mit einem Hagel von Ankündigungen, die man
       jeweils ernst nehmen und zugleich schon wieder knicken kann. Das
       eigentliche Faszinosum daran ist sein Rang als Godfather of Unfallflucht.
       Er ist genial, oder die anderen sind schuld – tendenziell beides. Es
       beruhigt nicht, zu ahnen, dass er sein Land in eine Vollkatastrophe führen
       muss, um den Leuten die Augen zu öffnen.
       
       taz: Wie gefährlich ist [3][die „Verfassungsrichter:innenkrise“] für die
       Regierungskoalition? 
       
       Küppersbusch: Dazu ist alles gesagt, nur noch nicht von mir – ein zutiefst
       beklagenswerter Mangel. Neue Version: Kanzler Merz’ Personalpaket und damit
       seine Führungsqualität sind demoliert. Schwarz-Rot riecht nun verdächtig
       nach Ampelhampel. Und der Bundestag nach einer beschlussunfähig
       zersplitterten Palaverbude. Mit dem Verfassungsgericht ist erstmals auch
       die höchste und vertrauenswürdigste Instanz des Landes Personalgezerre und
       übelsten Verdächtigungen ausgesetzt. Angenommen, das sei nicht durch
       Dilettantentum, Selbstüberschätzung und Profilierungssucht passiert,
       sondern ein Politiker hätte das angerührt, der die AfD „als ganz normale
       Partei behandeln“ will und seine Chance darin sieht, nach Merz mit einer
       schwarz-braunen Koalition Kanzler zu werden –dann könnte man den aktuell
       etwas sonderlich wirkenden Satz schreiben: Jens Spahn hat alles richtig
       gemacht.
       
       taz: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat ein Urteil zugunsten eines
       Contergangeschädigten gefällt. Späte oder zu späte Genugtuung? 
       
       Küppersbusch: Es tut weh, [4][Conterganopfer] um ein paar Euro kämpfen zu
       sehen bis vor die höchsten Gerichte, um wenigstens noch eine kleine Hilfe
       am Lebensabend zu bekommen, während der Täter, Pharmakonzern Grünenthal,
       mit 1,8 Milliarden Euro Umsatz pro Jahr glänzend dasteht und gern zum
       Ausdruck bringt, dass ihm das furchtbar leidtut. Finanziell ist Grünenthal
       raus, seine Zahlungen sind aufgezehrt, und seit 1997 kommt im Wesentlichen
       der Bund für Renten, Hilfsmittel, Entschädigungen auf. Darüber entscheidet
       eine „Conterganstiftung“, und der hat das Bundesverwaltungsgericht nun
       Verfahrensfehler bescheinigt. Damit können abgelehnte Fälle neu aufgerollt
       werden. Also – wenn wir Steuerzahler für das verbrecherische Handeln eines
       Pharmakonzerns aufkommen müssen, dürfen wir uns eine faire, großzügige
       Hilfe für die Opfer wünschen.
       
       taz: Muss uns der [5][Prozess gegen Christina Block und Gerhard Delling
       wegen Kindesentführung] interessieren? 
       
       Küppersbusch: Ich werde die Tage die KI füttern mit den Brocken
       „stinkreich“, „Sorgerecht“, „TV-Promi“, „Mossad“ und „Entführung“. Und dazu
       prompten, dass ich gern einen Plot bekäme, bei dem am Ende 100
       Journalist:innen vor Gericht den Prozessauftakt in alle Welt trommeln.
       Bin gespannt, ob sie das schon hinkriegt oder wenigstens menschlicher
       Irrsinn noch eine Chance gegen sie hat.
       
       taz: Wie läuft die [6][Fußball-EM der Frauen] – sind Sie Fan? 
       
       Küppersbusch: Ja, und gerade [7][die Klatsche gegen die Schwedinnen] gibt
       dem Auftritt der deutschen Elf jetzt ein bisschen Heldinnenreise-Aroma:
       Vordringen in die tiefste Hölle, dann das Zauberelexier, und dann aber.
       Wenn nicht, war’s rollender Ball und spannend, und ich muss nicht so viel
       von der Apothekenrundfahrt in Frankreich gucken.
       
       taz: Und was macht der RWE? 
       
       Küppersbusch: Geht mit 2:3 beim schottischen Erstligisten Hibernian nicht
       unter und schlägt anschließend Regionalligist Fortuna Köln 5:0. Ich bin
       jetzt in der richtigen Euphorie, von einem bevorstehenden vergeigten
       Saisonauftakt völlig zerschmettert zu werden.
       
       Fragen: waam
       
       13 Jul 2025
       
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