# taz.de -- Inklusives Ensemble Minotaurus-Kompanie: Veränderung ist möglich
       
       > Die inklusive Hamburger Minotaurus-Kompanie probt derzeit das
       > Theaterstück „Mr. Pilks Irrenhaus“. Es ist ihre bislang größte
       > Produktion.
       
 (IMG) Bild: Professionelles Theater gibts nicht für lau: Szene von den Proben zu „Pilks Irrenhaus“
       
       Hamburg taz | In einem lichtdurchfluteten Raum stehen drei miteinander
       verbundene und mit Tüchern bespannte Holzrahmen. Von hinten mit
       Scheinwerfern beleuchtet, wird darauf der Schatten von Cordelia Demant
       sichtbar. Anfangs groß und vage, dann zeichnet sich mit zunehmend klaren
       Linien ihre Silhouette ab. Sie reicht sich selbst die Hand, wird von einem
       riesigen Finger angetippt und durch den Raum gezogen.
       
       „Gebt’s doch zu, ihr wollt sehen, wie ich ein Ei lege“, ruft René
       Halberstadt und verwandelt sich flügelschwenkend in den Umriss eines Huhns.
       Schon betritt Jascha T. die Bühne und wird im Dialog mit seiner fiktiven
       Ehefrau zum Schatten seiner selbst.
       
       So lernen sich das Regie-Team und [1][die 12 Darsteller*innen der
       Minotauros-Kompanie] (schau-)spielerisch besser kennen. Hier in
       Hamburg-Barmbek proben und arbeiten sie am Bühnenbild für das bisher größte
       Projekt des Ensembles: „Mr. Pilks Irrenhaus“ von Ken Campbell aus dem Jahr
       1973.
       
       Der als Einzelgänger bekannte britische Schauspieler und Regisseur lässt
       unter dem Pseudonym [2][Henry Pilk] scheinbar normale Alltagsszenen ins
       Surreale abgleiten, kombiniert unangepasstes und experimentelles Theater
       mit britischem Humor. Ein Junge, der sich in ein Huhn verwandelt und ein Ei
       legt oder die rohen Seiten ehelicher Partnerschaft: Die Lächerlichkeiten
       des Alltags und bizarren Facetten des Gewöhnlichen werden hinterfragt und
       bloßgestellt. Die Frage ist: Was ist eigentlich normal?
       
       ## Selbstermächtigung und Empowerment
       
       Diese Frage beschäftigt auch die Minotauren. Sie sind Teil des
       Arbeitsangebots „Schauspiel“ der [3][Elbe-Werkstätten für Menschen mit
       Behinderung]. Mit 3.000 Beschäftigten sind sie einer der großen Anbieter
       von Arbeit außerhalb des regulären Arbeitsmarkts in Norddeutschland. Ziel
       des Unternehmens ist es, Menschen mit Behinderung in den Arbeitsalltag
       einzubinden und an reguläre Arbeitsstellen zu vermitteln. Kritisiert wird
       seit Langem die niedrige Bezahlung der Beschäftigten [4][in solchen
       Arbeitsverhältnissen].
       
       Teil des Werkstatt-Ensembles kann werden, wer aufgrund von psychischen,
       geistigen oder körperlichen Beeinträchtigungen vom allgemeinen Arbeitsmarkt
       abgelehnt wird. Anders sein und Sehgewohnheiten verändern,
       Selbstermächtigung und Empowerment durch künstlerische Selbstentfaltung,
       das sind die Motive der Kompanie.
       
       Ins Leben gerufen wurde sie 1999, seit 2022 leitet Moritz Schilk die
       Kompanie. Mit ihm veränderte sich die Arbeitsweise: Schilk arbeitet mit dem
       [5][„Theatre for Living“]-Ansatz des Kanadiers David Diamond: eine Methode,
       die kein Stück vorgibt, sondern von den Problemen der jeweiligen
       Gemeinschaft ausgeht.
       
       Über das Theater sollen die Performer:innen ihre alltäglichen
       Erfahrungen darstellen, hinterfragen und gemeinsam neue Wege ausprobieren.
       Durch das Erleben und Mitgestalten auf der Bühne soll spürbar werden, dass
       Veränderung möglich ist. „Schauspiel macht uns nicht nur Spaß“, berichten
       die Minotaurus-Sprecher*innen Natalie Pieper und Reinhard Lagrain, „es
       hilft uns auch in unserer persönlichen Entwicklung.“
       
       Aktuell bespielt das Ensemble mit [6][„Revue à la carte“] private und
       öffentliche Bühnen. Das Programm aus Comedy, Chansons, Kabarett,
       literarischen Texten und Travestie kann individuell auf jeden Auftritt
       angepasst werden. Auch hier trifft Ernst auf Humor, der Irrwitz
       alltäglicher Momente zieht sich durch die ganze Arbeit – und findet sich
       auch im neuesten Projekt wieder.
       
       Für die aktuelle Produktion des Stücks von Ken Campbell gab es aber auch
       pragmatische Gründe. Es besteht aus in sich geschlossenen Minidramen, die
       dem Ensemble viel Flexibilität ermöglichen und den Stress einer Produktion
       reduzieren. So müssen sie ihre Rollen nicht über die Dauer eines Stücks
       aufrechterhalten.
       
       Aktuell proben die Minotauren in den Räumen der Wiese eG in
       Hamburg-Barmbek. [7][Der ehemalige Industriekomplex] beheimatet seit 2020
       ein „Theatrales Produktions- und Bildungszentrum“, das Proberäume an
       darstellende Künstler*innen vermietet. Von dort aus will das Ensemble
       eine professionelle Produktion auf die Beine stellen. Unterstützt wird es
       von zwei Regie-Personen, einem Dramaturgen, einer Kostümbildnerin und einer
       Produktionsassistentin.
       
       Trotz fehlender Schauspielausbildung und ihren Einschränkungen wollen sie
       neue Erfahrungen sammeln und aus der Isolation des Werkstättenbetriebs
       treten. Einige Darsteller*innen können sich vorstellen, zukünftig auch
       in einem Theater außerhalb der Sonderstrukturen der [8][Werkstätten] zu
       arbeiten.
       
       Am 25. September wollen die Minotauren aber erst mal die Premiere von „Mr.
       Pilks Irrenhaus“ feiern. Sie wird auf der Bühne der Hochschule für Musik
       und Theater stattfinden, genauer: [9][deren Außenstelle] in der
       „Wiese“-Nachbarschaft. Die Hochschule stellt das technische Personal und
       kümmert sich um den Ticketverkauf. Nächstes Jahr will die Kompanie dann auf
       Tournee durch Norddeutschland gehen.
       
       Der grundsätzliche Betrieb ist dabei vom Budget der Elbe-Werkstätten
       gedeckt. Für die anstehende Produktion braucht es nun aber Geld von
       außerhalb. 20.000 Euro konnte die Kompanie an Fördergeldern akquirieren,
       weitere 20.000 Euro sollen über [10][eine Crowdfunding-Kampagne]
       zusammenkommen, bislang sind etwas über 5.000 Euro zusammengekommen.
       
       Mit weniger ließe sich die Professionalität der Produktion nicht
       gewährleisten. „Die Menschen sollen nicht kommen und sagen: Das war ja süß,
       das haben die ‚Behinderten‘ ja gut gemacht“, sagt Schilk. „Wir wollen ernst
       genommen werden.“ Wirkliche Inklusion bedeute auch ausreichend finanzielle
       Mittel.
       
       21 Jul 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.minotauros-kompanie.de/
 (DIR) [2] http://www.koch-peterschewski.de/wer-war-mr-pilk.html
 (DIR) [3] https://www.elbe-werkstaetten.de/
 (DIR) [4] /Werkstaetten-fuer-Menschen-mit-Behinderung/!5858026
 (DIR) [5] http://theatreforliving.com/index.htm
 (DIR) [6] https://www.minotauros-kompanie.de/inszenierungen/es-ist-zum-verruecktwerden/
 (DIR) [7] /Neues-Zentrum-in-Hamburg/!5805147
 (DIR) [8] /!s=behindertenwerkst%25C3%25A4tten/
 (DIR) [9] https://www.hfmt-hamburg.de/hochschule/organisation/oeffnungszeiten
 (DIR) [10] https://www.startnext.com/minotauros-kompanie
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Franziska Vetter
       
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