# taz.de -- Neue Website für Aktivist:innen: „Den Arsch aus dem Sessel hochkriegen“
       
       > Die Webseite The Activists Guide bietet Infos für alle, die sich
       > engagieren wollen. Frauke Seeba und Matthias Seeba-Gomille setzen auf KI
       > gegen rechts.
       
 (IMG) Bild: „Wir möchten viele Leute an einen Tisch bringen“: Frauke Seeba und Matthias Seeba-Gomille
       
       taz: Die Webseite [1][The Activists Guide] startet am Freitag. Sie wollen
       damit junge Leute anleiten, wie sie sich angesichts der Zustände in der
       Welt engagieren können … 
       
       Frauke Seeba: … nicht nur junge Leute, sondern auch alle anderen. Also
       jeder Mensch, der irgendwie denkt, mir gefällt nicht, was gerade läuft. Die
       Sache mit der AfD. Oder mit dem Klima. Der Umgang der Politik damit. Für
       all diese Menschen sollen Informationen greifbar sein, und zwar so, dass
       sie sie verstehen können. Dass man nicht studiert haben muss oder sich mit
       wissenschaftlichen Kontexten auskennt. Die bekommen praktisch etwas auf die
       Hand: Was kann ich konkret tun, in meiner Situation, hier auf dem Land oder
       hier in der Großstadt?
       
       taz: Aber diejenigen, die wirklich aktiv werden wollen, die sind es doch
       eigentlich schon. Brauchen die so was? 
       
       Frauke Seeba: Ja, genau die. Das sind zum Beispiel die, die auf Demos gehen
       gegen die AfD. [2][Da waren Millionen von Menschen auf der Straße], die
       wollen was tun. Die haben das Gefühl, es ist nicht cool, wie es ist. Aber
       es scheitert dann immer an der Frage, wie geht es weiter. Die bekommen die
       Möglichkeit, sich direkt zu informieren.
       
       taz: Beim Activists Guide finden die nun Material von sehr vielen
       Organisationen von [3][Fridays for Future] über die [4][Omas gegen Rechts]
       bis hin zur [5][Bundeszentrale für politische Bildung]. Deren Material
       steht doch schon im Internet. Was machen Sie anders? 
       
       Matthias Seeba-Gomille: Unsere digitale Gesellschaft ist halt sehr
       informationsbeschaffungsfaul. Wenn ich nicht gerade weiß, dass ich bei der
       [6][Amadeo Antonio Stiftung], bei [7][Laut gegen Nazis] oder sogar bei der
       Berliner Senatsverwaltung durchaus interessantes Material finde, wie ich
       mich zum Beispiel [8][gegen zu hohe Mieten wehren kann], finde ich das
       nicht. Wir haben aus allen Interessensgebieten, wo man sich als
       normalsterblicher Bürgerin engagieren kann, die Materialen in ein Archiv
       gebracht.
       
       Frauke Seeba: Wir ergänzen das mit kleineren Akteuren. Beispielsweise haben
       wir jemanden wie [9][Nico Schlott], der hat supercoole Materialien
       rausgebracht zum Thema Desinformation – in einer einfacheren Sprache. Und
       ich muss mich nicht mehr mit Google durchhangeln. Beim Activists Guide
       hilft mir ein Bot, das richtige Material zu finden.
       
       taz: Dieser Bot funktioniert so ähnlich wie ChatGPT: Ich kann den fragen:
       Bei mir im Dorf sind lauter Nazis, was kann ich tun? Oder ich will mich
       fürs Klima engagieren, wo finde ich Adressen? Und nach wenigen Sekunden
       kommt eine Antwort. Wie ist sichergestellt, dass dieser von künsticher
       Intelligenz gesteuerte Bot keinen Quatsch macht? 
       
       Matthias Seeba-Gomille: Man kann Bots trainieren. Ich gebe ihm erstmal eine
       Identität. Wer ist er? Wie fühlt er? Wie spricht er? Was sind seine Dos,
       was sind seine Don'ts? Das haben wir ausführlich gemacht. Unser Bot gibt
       zum Beispiel keine Antworten, die in irgend einer Art gewaltverherrlichend
       sind. Das mag für manche spießig klingen. Aber das schließen wir von
       vornherein aus. Unser Bot setzt auf generell demokratiefördernde Maßnahmen,
       nicht auf weiter spaltende oder eskalierende. Und er ist darauf angelegt,
       dass er zuerst unser Archiv durchkämmt mit bis jetzt über 7.000
       Einzelseiten PDFs. Und danach die Sachen im Web ergänzt.
       
       taz: Der Bot liefert Kontaktadressen und Links. Was antwortet er noch? 
       
       Frauke Seeba: Mach mal! Red mal mit deinen Nachbarn! Tipps für das
       Familiengespräch. Weihnachten sitzen wir zusammen und jedes Mal wieder
       kommt der Onkel mit irgendwas, was nicht so stimmt. Dann bekommt man ganz
       konkrete Tipps, was ich in dieser Situation tun kann. Wichtig ist der
       Activists Guide aber auch, weil wir einen Regierungswechsel hinter uns
       haben. Viele Präventionsprogramme werden eingestampft. Dadurch werden ganze
       Themenfelder kaum oder gar nicht mehr bespielt. Zudem gibt es immer nur
       sehr kurze Projektlaufzeiten. Nach zwei Jahren wird ein neues Projekt
       gefördert. In zwei Jahren ist aber kein Communityaufbau möglich. Deswegen
       braucht es umso mehr archivierende Strukturen, die Wissen konservieren.
       
       taz: Kommunikation im Internet hat immer auch die Tendenz zur Vereinzelung.
       Die Leute hängen nur noch an ihrem Handy, am Computer. Aktivismus ist genau
       das Gegenteil, es geht ums Zusammenschließen. 
       
       Frauke Seeba: Genau. Der Bot regt dazu an.
       
       taz: Wie macht er das? 
       
       Frauke Seeba: Wenn es darum geht, wirklich etwas aktiv in meinem Wohnort zu
       verändern, dann sagt er Dinge wie: Warst du schon mal im Rathaus und hast
       gefragt, was es für Gruppen gibt? Oder hast du dich schon mal umgehört, was
       die Jugendhilfe bei dir macht?
       
       Matthias Seeba-Gomille: Oder: Auch bei dir gibt es die Omas gegen Rechts.
       Geh doch mal zu einem der Treffen hin. Aktivismus heißt halt auch mal den
       Arsch aus dem Sessel hochzukriegen und vom Rechner aufzustehen.
       
       taz: Kann es sein, dass der Bot auf dieselbe Frage in drei Monaten anders
       antwortet? 
       
       Frauke Seeba: Ja, es kann auch sein, dass jemand eine Frage stellt, und der
       Bot kann bestimmte Sachen noch nicht sagen. Dann kann man uns Material
       zuschicken und wir pflegen das ein.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Ein schönes Beispiel ist da der Leitfaden für
       Demonstrationsanmeldung. Es gibt verschiedene von der Roten Hilfe bis zur
       Amadeu Antonio Stiftung. Die sind im weitesten Sinne deckungsgleich. Was
       der Bot dazu aus dem Netz zieht, sind die Adressen der Behörden, wo man
       Demos anmeldet. So sind die immer aktuell.
       
       taz: Hat der Bot Sie schon mal mit einer Antwort überrascht? 
       
       Frauke Seeba: Wir spielen mit Anfragen, die thematisch nichts mit
       Engagement zu tun haben. Wie wird am Samstag das Wetter in Berlin? Dann
       antwortet er, es wird schön, das ist ein guter Moment, um im Garten Plakate
       zu malen für die nächste Demo. Das feiern wir, weil die Antworten lustig
       sind und trotzdem etwas beinhalten.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Er macht ganz, ganz niedrigschwellige Angebote. Was
       wir es uns noch erlaubt haben: Wir haben so eine …wie sagt man … eine
       Redlist. Wenn da jetzt jemand mit „Heil Hitler“ oder „Sieg Heil“ ankommt,
       dann schreibt der Bot, dass diese Frage inklusive Namen und IP-Adresse
       sofort an die ermittelnden Behörden weitergegeben wird.
       
       taz: Viele Aktivist:innen bewegen sich an der Grenze der Legalität –
       zumindest aus der Sicht der politischen Gegner, die Aktive kriminalisieren
       wollen. Wie geht der Bot damit um?
       
       Frauke Seeba: Ziviler Ungehorsam gehört definitiv in den Spielbereich
       desjenigen, der aktivistisch unterwegs sein möchte. Es gibt so viele
       Möglichkeiten, sich einzusetzen, auch im Legalen. Aber es gibt doch Leute,
       die sagen, okay, auf legalem Weg hat man schon so viel, ich möchte ein
       bisschen mutiger werden. Es gibt einen Graubereich. Was der Bot nicht
       machen würde, wäre zu sagen: Wenn die Polizei dir im Weg steht und du keine
       Sitzblockade machen kannst, dann hau sie nieder.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Und bei einer Sitzblockade würde er sagen: Sei dir
       bewusst, dass das und das passieren könnte und wie der rechtliche Rahmen
       ist.
       
       taz: Bei solchen Bots kann man ja schnell den Eindruck bekommen, man
       spräche mit einer realen Person. Sie können als Vertrauenspersonen
       wahrgenommen werden. Sind Sie auf Fragen von Frustrierten vorbereitet, von
       Depressiven? 
       
       Frauke Seeba: Ja, wir sind auf alles eingestellt, weil Bots tatsächlich
       genutzt werden als Menschen-Ersatz. Das hat auch gute Seiten. Man weiß,
       dass jemand mit Verschwörungsdenken eher einer Maschine Fakten abnimmt.
       Aber es ist halt kein Mensch-Ersatz. Und das ist wichtig, dass man sich das
       generell bei jeder Maschine klarmacht. Wir haben auch Themen wie psychische
       Erkrankung drin. Der Bot müsste gut antworten.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Aber das ist natürlich ausbaufähig. Wir werden an
       der Stelle noch mal nachlegen und explizit darauf hinweisen: Der Bot weiß
       etwas nicht. Das ganze Ding wird lernfähig sein und bleiben.
       
       taz: [10][Aktuell sind Jungnazis sehr aktiv]. Haben Sie den Hauch einer
       Hoffnung, dass man Leute mit Ihrer Webseite abholen, vielleicht sogar
       zurückholen kann? 
       
       Frauke Seeba: Es kann durchaus passieren. Bei den neurechten Bewegungen
       sind auch Klimaschützende dabei, die wollen was für ihre deutsche Umwelt
       tun. Dann kann es durchaus sein, dass die dann auch andere Materialien vom
       Bot angeboten bekommen. Das ist jetzt aber nicht unser Hauptfokus. Es ist
       sinnvoller, dass man die Menschen, die sich schon informieren oder schon
       „auf der guten Seite der Macht“ stehen, befähigt zu sprechen.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Aktiv oder aktivistisch sein ist schon ein
       progressiver Akt. Damit sind wir natürlich generell weiter links verortet.
       Das ist aber überhaupt nicht Kern der Sache. Wir haben auch Informationen
       von der CDU eingepflegt, wenn sie relevant waren, beispielsweise die
       Parteiprogramme. Denn natürlich kann ich auch als konservativer Mensch
       sagen, ich möchte mich für dieses oder jedes einsetzen. Dann wirst du die
       entsprechende Antwort kriegen, aber mit einem Denkanstoß, zu schauen, wer
       denn vielleicht meine Interessen noch besser vertritt, als das, was ich
       vorgebe zu sein.
       
       taz: Also ist das ein Bot mit Haltung, aber nur gegen die wirklich extreme
       Rechte? 
       
       Frauke Seeba: Nicht mit Dagegen-Haltung, sondern mit einer Für-Haltung. Für
       ein gesundes gutes Miteinander. Für eine gesunde Umwelt. Für ein
       lebenswertes Leben und eine gute Zukunft für uns alle.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Ich glaube, die Leute brauchen etwas, das sie
       befähigt. Was ihnen nicht sagt, du musst gegen etwas sein, sondern du
       kannst dich für etwas einsetzen. Das birgt die Chance, Leute
       zusammenzubringen, die sich nicht auf einer Wellenlänge gesehen haben.
       
       taz: Gestartet, programmiert, getragen wird das Projekt von Re:net. Was
       oder wer ist Re:net? 
       
       Frauke Seeba: Re:net ist ein freier Zusammenschluss von mittlerweile über
       250 Content-Creater:innen, die Seiten betreiben. Da sind Akteur:innen
       verschiedenster Art, aus verschiedensten Bereichen, die sich
       zusammengeschlossen haben, um progressive prodemokratische Inhalte in der
       Gesellschaft einzubringen.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Das ist ein großes Netzwerk, was sich auf
       verschiedenen Kanälen koordiniert, was nicht offen nach außen sichtbar ist
       oder auftritt. Aus diesem Netzwerk heraus entstehen verschiedene Ideen und
       andere Activists Guides.
       
       taz: Und wie finanziert sich das Ganze? 
       
       Matthias Seeba-Gomille: Das ist ganz philantropisch.
       
       Frauke Seeba: Es steckt nicht viel Geld drin. Das muss ich noch dazusagen.
       Normalerweise sind Projekte dieser Größenordnung äußerst gut finanziert.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Wir gar nicht.
       
       taz: Die Organisationen, deren Material Sie da in eine zeitgemäße Form
       übersetzen, geben kein Geld dafür? 
       
       Frauke Seeba: Das wäre sehr schön, nicht um uns zu bezahlen, sondern um die
       Abfragen zu finanzieren, für die wir zahlen müssen.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Es ist auch schwierig, weil wir kein eingetragender
       Verein oder etwas in der Art sind. Wir gucken, dass wir die Ausgaben von
       Gönner:innen wiederreinholen, die ein bisschen Geld auf Tasche haben.
       
       taz: Sie selber sind seit über zehn Jahren aktiv. Anfangs als die
       [11][„Hooligans gegen Satzbau“], die sich [12][auf Facebook lustig gemacht]
       haben über die Probleme vieler Rechtsextremer mit der schönen deutsche
       Sprache. Ganz nach dem Ansatz: Wir lachen die Nazis weg. 
       
       Frauke Seeba: Und das machen wir auch heute noch. Als 2014 [13][die
       Hooligans gegen Salafisten auftraten], gab es anfangs wenig Gegenwind in
       den Netzwerken. Wir haben dann gesagt, okay, irgendwas müssen wir machen,
       dass Menschen mutiger werden. Und ursprünglich hatten wir angefangen, als
       Privatperson einfach zu lachen. Das hat sehr große Resonanz gefunden, da
       haben wir gemerkt, okay, das ist der richtige Weg, um den Druck
       rauszunehmen, die Angst zu nehmen. Wir wussten aber schnell, dass wir uns
       schützen müssen. So traten wir dann als die Hools mit Masken auf.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Heute nennen wir uns [14][Aktivistmuss]. Das ist
       ein bisschen der seriösere Part, unter dem [15][ein Buch] entstanden ist,
       wir halten Vorträge oder geben Workshops. [16][Die Hools haben wir
       behalten], die sind unser Alter Ego. So können wir seriös Interviews
       führen, wir können aber auch krawallig mit Maske auf einer Bühne stehen und
       Scharbernack machen.
       
       taz: Sind Nazis nicht inzwischen ein viel zu ernstes Thema? Reicht es, die
       wegzulachen? 
       
       Matthias Seeba-Gomille: Genau deswegen haben wir den Schritt ja gemacht.
       Eben weil das nicht reicht. Deswegen schreiben wir Bücher. Deswegen halten
       wir Vorträge. Deswegen bauen wir unter anderem mit dem Kollektiv diese
       Seite gerade. Andererseits, ketzerische Gegenfrage, was reicht allein schon
       aus?
       
       Frauke Seeba: Reicht es aus, aufzuklären? Nein, wir sind eine gut
       aufgeklärte Gesellschaft. Aber die Rechte gewinnt dennoch weiter an
       Einfluss. Keiner von uns hat bisher das richtige Mittel dagegen gefunden.
       Wir müssen weiter rumprobieren. Wir müssen mutiger werden in verschiedene
       Richtungen, mit Humor, mit Satire, mit Ernsthaftigkeit, vielleicht auch mit
       Vehemenz.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Und ich hoffe, ehrlich gesagt, dass wir als
       progressive Linke irgendwann mal alle verstehen, dass niemand von uns die
       Lösung an der Hand hat. Dass es völlig egal ist, ob da ein Doktor im Namen
       steht oder ob man selbst von irgendwas betroffen ist, sondern dass wir es
       nur zusammen schaffen können. Und nicht immer in den eigenen Reihen gucken,
       wen wir gerade bekämpfen können, weil man selber vermeintlich noch viel
       korrekter, noch viel schlauer, noch viel irgendwas ist.
       
       Frauke Seeba: Unsere Demokratie ist massiv in Gefahr. Das ist nicht nur ein
       Spruch. Und ich will nichts unversucht lassen, um das kleine Sandkörnchen
       gewesen zu sein, damit das, was in den USA passiert ist, sich hier in
       Deutschland nicht manifestiert. Dafür möchte ich viele Leute an einen Tisch
       bringen, mitziehen, mitaktivieren, egal wie schlau sie sind, egal wie viel
       Wissen sie schon haben. Manchmal reicht ein gutes Herz und Empathie, um
       Teil der Lösung zu sein.
       
       taz: Ein weiteres Projekt, bei dem Sie Humor und KI einsetzen, ist
       [17][„Kommando Internet“]. Das produziert unter dem Titel [18][„Malle
       Antifa“ Ballermann-Songs gegen rechts]. Hoffen Sie tatsächlich, dass die in
       den Sauf-Discos von Mallora gespielt werden? 
       
       Matthias Seeba-Gomille: Man kann sich ja Ziele nie hoch genug stecken. Also
       sagen wir doch erst mal, ja, ich will auf Malle laufen. Wenn es nicht
       klappt, dann klappt es nicht. Die Resonanzen zeigen schon, dass sich da
       irgendetwas tut, womit ich selber nicht gerechnet habe. Wenn ich von
       fremden Leuten Bescheid kriege, guck mal, in meiner WhatsApp-Gruppe tauchen
       jetzt Videos auf, mit deinen Songs unterlegt. Das erreicht zwangsläufig
       Bubbles, in die wir sonst nicht vordringen. Ob das jetzt die Disse in Malle
       ist oder nur bei Ronny und Mandy auf dem Dorf in Mecklenburg-Vorpommern,
       ist mir doch völlig egal. Ich haue den Menschen Themen ums Ohr, die sie
       sonst nicht erreichen würden. Und sie wippen sogar noch mit. Ich schaffe es
       auf eine sehr subtile Weise, Kids eine Alternative mitzugeben zu dem
       gefrusteten Dasein, das sie sonst führen. Wo es sonst immer nur heißt,
       „Kanacken raus“, komme ich mit [19][„Sommer, Sonne, Antifa“] um die Ecke.
       Ich glaube, das Ganze hat schon 'nen positiven Effekt, wenn natürlich auch
       nicht auf der intellektuellen Ebene, auf der das vielleicht manch
       progressiver Intellektueller gerne hätte.
       
       Frauke Seeba: Ich glaube auch, dass die wenigsten Veranstaltenden, die
       [20][Gigi D'Agostino] laufen haben, [21][dann die Rufe „Ausländer raus“] in
       ihren Clubs haben wollen. DJs haben angefragt, und ich glaube schon, dass
       das diesen Sommer hier und da gespielt werden wird.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Was auch die Nutzerzahlen zeigen, die steigen
       kontinuierlich. Ich hätte es selber nicht gedacht.
       
       taz: Warum gibt es die Platte jetzt sogar ganz oldschool auf Vinyl? 
       
       Matthias Seeba-Gomille: Weil es Spaß macht. Weil ich es lustig fand, die
       allererste Schaltplatte mit KI-generierter Musik als Album rauszubringen.
       Und wenn ich wirklich in irgendwelche Clubs will, dann brauchen DJs auch
       was zum Auflegen. Ich kann es einfach, es war einfach eine scheiß Idee.
       
       taz: Sie arbeiten sowohl bei der Musik als auch jetzt bei dem Bot mit
       Künstlicher Intelligenz. Da werden sehr viele Leute skeptisch. KI gilt als
       Untergang der Kultur, weil man das nicht mehr unter Kontrolle hat. 
       
       Frauke Seeba: Ich muss da ein bisschen lachen, weil wir seit vielen Jahren
       schon mit KI zu tun haben. KI findet in unserem Leben statt, ohne dass wir
       es thematisiert haben. In jeder Hotline, die wir anrufen, beispielsweise,
       [22][Rasenroboter] oder so.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Selbst in der Waschmaschine.
       
       Frauke Seeba: KI ist die ganze Zeit um uns herum. Sie wird größer, aber
       technische Entwicklungen lassen sich nicht aufhalten. Wir müssen lernen,
       damit umzugehen. Und wenn wir wissen, eine KI ist eine künstliche
       Intelligenz, ist also nicht emphatisch, sie hat keine Gefühle und sie sagt
       auch nicht immer, was richtig ist, sondern irgendwas, nur was in dieser
       Technik logisch war. Ich muss lernen, die Dinge zu hinterfragen, egal ob
       Google sie mir liefert oder eine KI.
       
       Matthias Seeba-Gomille: Das ersetzt aber alles kein wirkliches menschliches
       Denken. Wenn ich zum Beispiel der KI sage, schreibe mir ein Lied über
       tolles Wetter. Und ich lasse die einfach machen. Dann kommt Grütze bei
       raus. Ich betrachte KI eher als Werkzeug, was mir erleichtert, die eigenen
       Gedanken oder die eigenen Worte umzusetzen, in eine bestimmte Form zu
       bringen. Und als Werkzeug halte ich KI für wahnsinnig effizient. Es ist ein
       bisschen wie die Erfindung des Bewegtbildes oder der Fotografie.
       
       Frauke Seeba: Und KI hat noch unfassbar viel Potenzial, also nicht umsonst
       wird gerade viel geforscht dazu, wie das quasi positiv verwendet kann. Es
       ist oft so mit neuen Technologien, dass die toxischen Menschen das
       schneller nutzen und mehr Geld reinstecken als die Vernunft. Aber die
       Vernunft fängt an, es für sich zu erkennen. Und das ist super, weil ich
       glaube, dass wir dadurch wirklich sehr viele Dinge noch verändern können.
       
       27 Jun 2025
       
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