# taz.de -- Neue Tierversuche: Nur wenig Glyphosat – trotzdem Krebs
       
       > Das meistverkaufte Pestizid löste Forschern zufolge in einem Tierversuch
       > auch in niedrigen Dosen mehrere Krebsarten aus. Muss die EU es verbieten?
       
 (IMG) Bild: Der Pestizidwirkstoff Glyphosat wird oft In der Landwirtschaft eingesetzt
       
       Berlin taz | Selbst in offiziell als sicher geltenden Mengen hat der
       Pestizidwirkstoff [1][Glyphosat] laut einer neuen Studie Krebs bei
       Laborratten verursacht. Ein Teil der Tiere habe nur die von der EU
       festgelegte „Akzeptable tägliche Dosis“ (ADI) in Höhe von 0,5 Milligramm
       pro Kilogramm Körpergewicht getrunken, steht in der nun in der
       Fachzeitschrift [2][Environmental Health] veröffentlichten Analyse des
       italienischen Ramazzini-Instituts. [3][Knapp 2 Prozent] dieser Ratten
       entwickelten demnach Leukämie, also Blutkrebs. In der Kontrollgruppe ohne
       Glyphosat sei kein einziges Tier während des fast zwei Jahre dauernden
       Experiments erkrankt.
       
       Ebenfalls im Vergleich zu Kontrollgruppen aus früheren Versuchen waren die
       Leukämieraten der Studie zufolge bedeutend höher. Auch etwa in der Haut,
       Leber oder Niere „wurden statistisch signifikante dosisabhängige erhöhte
       Trends“ oder Häufigkeiten von gut- und bösartigen Tumoren festgestellt, so
       die Wissenschaftler von Universitäten und Forschungseinrichtungen
       beispielsweise in den USA, Großbritannien und Italien.
       
       Damit widersprechen sie Behauptungen von Befürwortern des weltweit meist
       verwendeten Pestizidwirkstoffs, dass er in extrem hohen Dosen vielleicht
       Krebs verursache, aber nicht in den zugelassenen Mengen. Dieser Einwand
       wurde auch vorgebracht, als die Internationale Krebsforschungsagentur der
       Weltgesundheitsorganisation WHO Glyphosat 2015 als „wahrscheinlich
       krebserregend“ einstufte.
       
       In den USA verurteilten daraufhin mehrere Gerichte einen der Hersteller,
       Bayer/Monsanto, zu hohen Schadenersatzzahlungen an KlägerInnen, die ihre
       Krebserkrankung auf den Unkrautvernichter zurückführen. Bayer beruft sich
       auf Zulassungsbehörden, die Glyphosat als sicher bewerten. Das Gift tötet
       so gut wie alle Pflanzen und damit auch Nahrung für Vögel und Insekten.
       Deshalb gilt es Umweltschützern als Gefahr für die Artenvielfalt. Dennoch
       ließ die EU das Mittel 2023 für weitere 10 Jahre zu.
       
       ## Aufwendige Untersuchung
       
       Die neue Studie könnte jetzt den Druck erhöhen, diesen Beschluss zu
       überprüfen. Denn Glyphosatgegner ziehen aus ihr den Schluss, dass das
       Gesundheitsrisiko durch die Chemikalie größer sei als bisher von den
       Behörden angenommen. War bisher vor allem von der Krebsart
       Non-Hodgkin-Lymphom die Rede, rückt die Untersuchung nun auch Leukämie in
       den Fokus. Dabei fällt auf, dass die daran erkrankten Tiere sehr früh
       starben. Ungefähr die Hälfte der Ratten mit Leukämie sei schon im Alter von
       weniger als 1 Jahr ums Leben gekommen, berichten die Forscher. Das könnte
       daran gelegen haben, dass die Ratten anders als in anderen Versuchen schon
       als Embryonen über die Mutter und kurz nach der Geburt Glyphosat ausgesetzt
       waren.
       
       Die Ergebnisse deuten den Wissenschaftlern zufolge auch darauf hin, dass
       die anderen Inhaltsstoffe von Pestiziden mit Glyphosat das Krebsrisiko
       „verstärken können, insbesondere im Falle von Leukämie.“ Schließlich seien
       bei zwei solcher ebenfalls getesteten Handelspräparate mit Glyphosat die
       Krebsraten erhöht gewesen.
       
       Die Studie der 27 Autoren war aufwendig: 1.020 Ratten wurden dem Artikel in
       der Fachzeitschrift zufolge in 10 Gruppen aufgeteilt. Jede Gruppe habe über
       das Trinkwasser Glyphosat pur oder eines der beiden Handelspräparate in
       jeweils 3 unterschiedlichen Dosen bekommen. Das Wasser der Kontrollgruppe
       dagegen war demnach frei von den Chemikalien. Im Alter von 104 Wochen seien
       die dann noch lebenden Tiere getötet und zum Beispiel ihre Gewebe
       untersucht worden. Zwei nicht an dem Projekt beteiligte Wissenschaftler
       begutachteten das Manuskript vor Veröffentlichung im Rahmen einer „Peer
       Review“.
       
       „Die Ergebnisse sind sehr besorgniserregend“, teilte die Umweltorganisation
       Pestizid Aktionsnetzwerk (PAN Europe) mit. Die EU müsse jetzt die Zulassung
       von Glyphosat und ihre Gesetzgebung zu Pestiziden überprüfen.
       
       Die EU-Kommission antwortete darauf, sie werde nun die EU-Behörden für
       Lebensmittelsicherheit und Chemikalien fragen, ob die Studie „in Verbindung
       mit allen anderen verfügbaren Informationen ihre früheren
       Schlussfolgerungen zur Gefahren- oder Risikobewertung von Glyphosat
       ändern.“ Sollte es nötig sein, „wird die Kommission unverzüglich tätig, um
       die Zulassung zu ändern oder zu widerrufen“, schrieb die Brüsseler Behörde
       der taz.
       
       ## Chemiekonzern kritisiert allgemein Mängel
       
       Bayer erklärte, dass die Studie „signifikante methodische Mängel aufweist.“
       Auch auf Nachfrage der taz nannte der Konzern aber keine Begründung für
       diesen Vorwurf. Wohl um die Glaubwürdigkeit der Studienautoren zu
       unterminieren, kritisierte das Unternehmen aus Leverkusen jedoch, das
       Ramazzini-Institut habe bereits in der Vergangenheit „irreführende
       Behauptungen zur Sicherheit verschiedener Produkte aufgestellt“. Die
       US-Umweltschutzbehörde EPA habe Risikobewertungen zurückgezogen, die auf
       Daten des Ramazzini-Instituts zu anderen Substanzen beruhten.
       
       Daniele Mandrioli, Direktor des Krebsforschungszentrums des Instituts,
       schrieb der taz dazu, „dass die Stoffe, die in unseren Labors als
       krebserregend identifiziert wurden, sich früher oder später (manchmal
       Jahrzehnte später) als krebserregend für den Menschen erwiesen haben, zum
       Beispiel Vinylchlorid, Benzol, Formaldehyd und Asbest.“ In der 50-jährigen
       Geschichte des Instituts seien seine Untersuchungen zu mehr als 200
       chemischen Verbindungen „weltweit routinemäßig zur Gefahren- und
       Risikobewertung eingesetzt“ worden.
       
       13 Jun 2025
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Schwerpunkt-Glyphosat/!t5008469
 (DIR) [2] https://ehjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12940-025-01187-2
 (DIR) [3] https://ehjournal.biomedcentral.com/articles/10.1186/s12940-025-01187-2/tables/1
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jost Maurin
       
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