# taz.de -- Vertrauensabstimmung in Polen: Tusk kann aufatmen
       
       > Im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, hat über die Hälfte der
       > Abgeordneten Premier Tusk das Vertrauen ausgesprochen.
       
 (IMG) Bild: Vertrauen gewonnen: der polnischen Premierminister Donald Tusk, Warschau, am 11.6.2025
       
       Warschau taz | In Polen hat der liberal-konservative Premier Donald Tusk
       die Vertrauensabstimmung im Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus,
       gewonnen. Von insgesamt 460 Abgeordneten stimmten am Mittwoch 245 für die
       heterogene Vierer-Koalition. Damit erreichte Tusk mehr als die für das
       Vertrauensvotum erforderlichen 231 Stimmen.
       
       Die Koalitions-Abgeordneten skandierten stehend und jubelnd: „Donald Tusk!
       Donald Tusk!“ Zwar hatte im Oktober 2023 die rechtspopulistische Partei
       Recht und Gerechtigkeit (PiS) erneut die Wahlen gewonnen, war aber nicht
       koalitionsfähig, so dass Tusks liberal-konservative Bürgerkoalition (KO),
       die christdemokratische Polska2050, die erzkonservativen Bauernpartei PSL,
       und die Neue Linke (NL) eine Koalition bilden konnten und seitdem in Polen
       regieren. Im Sejm verfügt das europafreundliche Regierungslager über eine
       Mehrheit von 242 Abgeordneten.
       
       Nötig geworden war die Vertrauensabstimmung, [1][weil bei der
       Präsidentenwahl am 1. Juni nicht wie allgemein erwartet der Favorit und
       KO-Kandidat Rafal Trzaskowski die Wahlen gewonnen hatte, sondern der
       politisch völlig unerfahrene Historiker und PiS-Kandidat Karol Nawrocki].
       Nicht nur der beliebte Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski ging aus
       der Präsidentenwahl beschädigt hervor, auch die Parteiführer der anderen
       Koalitionsparteien, die in der ersten Wahlrunde als Kandidaten gestartet
       waren, hatten schlechter abgeschnitten als von allen erwartet.
       
       Szymon Holownia von Polska2050 und Magdalena Biejat von der Neuen Linken
       verpassten nicht nur die 5-Prozent-Marke, an ihnen zogen auch noch zwei
       rechtsradikale und antisemitische Politiker vorbei. Bei den nächsten
       Parlamentswahlen müssen sie fürchten, den Einzug ins Parlament knapp zu
       verpassen.
       
       ## Herbe Schlappe
       
       Als Premier Tusk, für den die Niederlage Trzaskowskis auch eine herbe
       Schlappe darstellte, dann auch noch ankündigte, die Regierung
       umstrukturieren zu wollen, packte einige Koalitionäre die schiere Panik.
       Als PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski den Rücktritt Tusks forderte und die
       Etablierung einer „technischen Regierung“ aus Experten, begannen
       Koalitionspolitiker öffentlich über die Vor-und Nachteile einer
       „technischen Regierung ohne Tusk“ zu spekulieren.
       
       Die Regierung schien angezählt zu sein. Um die Reihen wieder zu schließen
       und im Juli mit neu strukturierter Regierung durchstarten zu können, musste
       Tusk die Stimmung beruhigen und im allgemeinen Konsens die Vertrauensfrage
       im Sejm stellen.
       
       In seiner Regierungserklärung griff Premier Tusk den breit diskutierten
       Vorschlag einer „technischen Regierung“ auf und fragte, ob die
       oppositionellen Abgeordneten in diesem Fall ihre Mandate denn ebenfalls
       aufgeben würden – zugunsten einer „technischen Experten-Opposition“.
       
       PiS-Chef Kaczynski war zwar nicht im Plenarsaal, aber den wenigen
       Oppositionellen, die Tusk zuhörten, schien der Gedanke gar nicht zu
       gefallen. [2][Die „Situation der Regierung ist mit der Wahl Nawrockis zum
       neuen Präsidenten nicht einfacher geworden“, stellte Tusk in seinem Expose
       fest]. „Wir haben ein demokratisches Mandat. Über 11 Millionen Polen haben
       unserer Koalition ihr Vertrauen ausgesprochen. Wir sollen die
       Regierungsgeschäfte führen.“
       
       ## Knapp verloren
       
       Die Präsidentschaftswahl habe dieses Mandat bestätigt. Trzaskowski habe nur
       ganz knapp verloren. Hinter der Koalition stünden nach wie vor über 10
       Millionen Wähler. Zudem müssten die Unregelmäßigkeiten bei der Wahl noch
       geklärt werden. Als mehrere Oppositionelle im Seim höhnisch auflachten,
       wies Tusk sie in scharfem Ton zurecht: „Wieso macht Ihr Euch lustig über
       die Wähler? Jeder Wähler hat das Recht darauf, dass seine Stimme richtig
       gezählt wird.“
       
       Auf den Hauptvorwurf gegen die Regierung, die Nichterfüllung vieler
       Wahlversprechen, ging Tusk nur indirekt ein. Wahrscheinlich nahm er an,
       dass die Vetos, mit denen der bisherige Präsident Andrzej Duda die Gesetze
       aus dem Regierungslager boykottiert hatte, allgemein bekannt sein dürften.
       
       Nawrocki wiederum hatte in seinem ersten Fernsehinterview angekündigt, die
       Boykottpolitik Dudas, der vor zehn Jahren ebenfalls als PiS-Kandidat
       gestartet war, fortzusetzen. Tusk sei „der schlechteste Premier“, den Polen
       seit 1989 gehabt habe, so Nawrocki.
       
       11 Jun 2025
       
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